Alles, was beim Kindesunterhalt Recht ist: Dies sollten Unterhaltspflichtige und Unterhaltsberechtigte beachten

Veränderungen des Kindesunterhalts im Rahmen der Düsseldorfer Tabelle(DTB)  lassen sich ohne juristisches Gezerre und Gezeter regeln, wenn beide Seiten gesprächsbereit sind, grundlegende rechtliche Strukturen kennen und beherzigen sowie gegenseitige Empathie aufbringen. Allerdings stellt ISUV-Vorsitzender, Rechtsanwalt Klaus Zimmer fest: „In der Corona-Krise wird von allen zurecht Solidarität gefordert. Unterhaltspflichtige sehen sich einseitig in die Pflicht genommen. Das führt zu erheblichen Reibereien zwischen den Partnern, insbesondere bei Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder wenn Einkommen weggebrochen ist. Die Frage ist, klagen oder kleinbeigeben, auch wenn der notwendige Eigenbedarf unterschritten wird und auf bessere Zeiten hoffen?“

Lohnt sich ein Gerichtsverfahren?

Zuerst sollten sich unterhaltsberechtigte und unterhaltsverpflichtete Elternteile gegenseitig informieren und eine „individuell angemessene“ Unterhaltshöhe vereinbaren. Der Unterhaltspflichtige darf jedenfalls nicht einseitig den Unterhalt kürzen. Vielmehr muss er eine Abänderungsklage anstreben. Haben sich keine gravierenden Einkommensveränderungen – Richtwert plus oder minus 10 Prozent – ergeben, rät ISUV die neuen Zahlbeträge, ohne Wenn und Aber zu zahlen. Haben sich die Einkommensverhältnisse erheblich verändert, muss der Unterhaltspflichtige oder der Unterhaltsberechtigte beim Familiengericht einen entsprechenden Abänderungsantrag stellen. „Der Weg zum Gericht ist immer der letzte Ausweg. Vorher sollte sehr genau geprüft werden, in welchem Verhältnis Gerichts- und Anwaltskosten zu der Höhe der Unterhaltsforderungen stehen“, rät ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.

„Statischer Titel“ – „Dynamischer Titel“ – was ist zu beachten?

Beachten müssen beide Seiten, ob ein dynamischer oder statischer Unterhaltstitel vorliegt. Bei einem dynamischen Titel erhöht sich der Kindesunterhalt automatisch entsprechend des jeweiligen Zahlbetrags. Unterhaltspflichtige müssen unaufgefordert zahlen.

Viele Zahlungspflichtige haben beim Jugendamt eine Urkunde unterzeichnet, in der sie sich verpflichten entsprechend ihrem Einkommen Unterhalt zu zahlen. Wenn eine Jugendamtsurkunde vorliegt, besteht die Verpflichtung die Zahlung jeweils automatisch an die aktuelle Düsseldorfer Tabelle anzupassen. „Die Annahme, ich zahle erst mehr, wenn mich das Jugendamt auffordert, ist falsch. In hochstreitigen Beziehungen wird dann immer schnell gepfändet, wovon abzuraten ist“, hebt Linsler hervor.

Gut zu wissen: Volljährige Kinder können keinen dynamischen Unterhaltstitel errichten. Wollen sie mehr Unterhalt, sollten sie zuerst eine Einigung mit den Eltern versuchen. Erst wenn das nicht gelingt, sollten sie klagen.

Anspruch auf angemessene Wohnung für beide Elternteile?

Ein unterhaltspflichtiger Elternteil in der Einkommensstufe I zahlt an sein Kind je nach Altersstufe jährlich 3.408/4.104/5.028 EURO, als notwendiger Eigenbedarf müssen ihm 13.920 EURO bleiben. Damit muss er Lebenshaltungs- und Wohnkosten decken. Laut Pressesprecher Josef Linsler „reicht das in der Regel nicht, nicht zuletzt  wegen der inzwischen enorm hohen Wohnkosten. Teils fallen dann auch noch erhebliche Umgangskosten an.“

Auch Unterhaltspflichtige haben Anspruch auf eine angemessene Wohnung, in der Umgang mit den Kindern stattfinden kann. Mit der Wohnkostenpauschale von 430€ sind in den Städten aber auch in den meisten Regionen keine Wohnungen zu haben, geschweige denn warm. Für diesen Fall ist in den „Anmerkungen“ der DTB vorgesehen, dass der Selbstbehalt erhöht werden soll, wenn die Warmmiete einer angemessenen Wohnung höher als die Wohnkostenpauschale ist. Die Angemessenheit ergibt sich im Normalfall aus den Warmmietbeträgen der Sozialbehörden.  „Unterhaltspflichtige sollten sich vor Ort erkundigen, nach welchen Richtlinien Sozialhilfeempfängern eine angemessene Wohnung zugeteilt wird“, rät Linsler. Nahezu jede Stadt/Landkreis hat entsprechende Richtlinien für angemessene Wohnungen, die Sozialhilfebedürftigen zugeteilt werden.

Ist die entsprechende Miete für eine jeweils vor Ort angemessene Wohnung höher als die Wohnkostenpauschale, so ist grundsätzlich der Selbstbehalt, um den Differenzbetrag zu erhöhen. „Unterhaltspflichtige sollten sich nicht scheuen für eine angemessene Wohnung vor Gericht ziehen. Die Erfahrung zeigt, dass der Umgang mit den Kindern langfristig nur bei entsprechender Größe der Wohnung gesichert ist“, rät Pressesprecher Linsler. Für eine Einzelperson gilt eine Einzimmerwohnung als angemessen. Findet regelmäßig Umgang mit Kindern statt, gilt entsprechend dem Sozialhilferecht eine 2 - oder 3-Zimmer-Wohnung als angemessen.

Angemessene Wohnung ja, aber dann Zusatzjob?

Wenn sich der Selbstbehalt auf Grund der Wohnkosten erhöht, entstehen in den Einkommensgruppen 1-3 mehr Mangelfälle. Das heißt, das Einkommen reicht dann nicht mehr, um den Mindestunterhalt zu zahlen. Familiengerichte versuchen mit allen Mitteln Mangelfälle zu vermeiden. So wird beispielsweise Alimentenzahlern/Innen auferlegt einen weiteren Job anzunehmen, so dass der Mindestunterhalt gesichert ist. Wenn also ein Mangelfall wegen erhöhter Wohnkosten entsteht, prüfen die Gerichte genau, ob der Unterhaltspflichtige nicht durch einen Zweitjob den Mindestunterhalt sichern kann.

Rundum respektlos gegenüber Unterhaltspflichtigen?

Unterhaltspflichtige müssen eine angemessene Wohnung einklagen, sind auf das Wohlwollen des jeweiligen Familiengerichts angewiesen. Dagegen brauchen Hartz-IV-Empfänger nur einen Antrag stellen um eine angemessene Wohnung zugeteilt zu bekommen. „Betroffene empfinden das zurecht als respektlos und diskriminierend. Schließlich sind sie erwerbstätig und leisten einen Anteil an Betreuung, zahlen Unterhalt, Sozialabgaben und werden dann auch noch vom Staat wie Ledige mit Steuerklasse I abkassiert, so als hätten sie keine Kinder“, kritisiert Linsler.  

„Wir prüfen, inwieweit Unterhaltsbedarf und Selbstbehalt verbindlich geregelt werden könnten.“– Das steht im Koalitionsvertrag. Der Unterhaltsbedarf wurde festgeschrieben und auch jeweils schon auf ein Jahr fortgeschrieben. Der Selbstbehalt wurde nicht „verbindlich“ geregelt. „Justizministerin Christine Lambrecht hat einseitige Klientelpolitik durchgesetzt. Der Politikverdruss Unterhaltspflichtiger ist berechtigt. Der Kindesunterhalt steigt, der Selbstbehalt bleibt wieder einmal gleich. Das führte und führt zu einer immer krasseren wirtschaftlichen Schieflage der Unterhaltspflichtigen in den ersten drei Einkommensgruppen der DTB. Ein Betroffener spricht im ISUV-Facebook-Forum zurecht von ´Verarmung´. (Linsler)