Teilweiser Entzug der elterlichen Sorge wegen ständiger Überforderung des Kindes

Das Bundesverfassungsgericht hat den teilweisen Entzug der elterlichen Sorge, den zuvor untergeordnete Gerichte ausgesprochen hatten, bestätigt (Beschluss vom 14. Oktober 2021, 1 BvR 1525/20). Auch das höchste deutsche Gericht kam zu der Überzeugung, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, wenn ein Elternteil ein Kind ständig überfordert. Das Gericht stellte heraus, es entspricht dem Kindeswohl, dass der Ausbildungswunsch der Eltern sich ausschließlich an Begabung und Fähigkeiten des Kindes orientieren muss. „Die Frage nach kindswohlgerechter Bildung ist oft ein Streitpunkt bei Trennung und Scheidung. Allerdings ist es teilweise nicht so eindeutig wie in diesem Fall, ob Überforderung oder Unterforderung vorliegt“, hebt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler hervor.

 Hintergrund in diesem Fall war: Trotz eines mehrfach nachgewiesenen IQ zwischen 63 und 74 wurde die Tochter von der Mutter am Gymnasium angemeldet. Das Kind wurde von der Mutter unter massivem Leistungsdruck gesetzt. Es scheiterte immer wieder, obwohl mehrfach die Schule gewechselt wurde. Kind und Mutter reagierten auf das Scheitern mit Aggressionen gegen Lehrer und Schüler. „Das ist grausam, man lässt ein Kind immer wieder gegen ein Wand rennen.“ (Linsler)

Es ist grundsätzlich erfreulich, wenn Eltern sich um die Bildung und Ausbildung der Kinder kümmern, insbesondere auch nach Trennung und Scheidung. „In der Praxis zeigt sich oft, dass der Grat zwischen Fördern und Überfordern schmal ist. Das führt in der Trennungs- und Scheidungssituation teilweise zu heftigem Streit zwischen den Eltern auf dem Rücken des Kindes“, stellt Linsler fest. Nach ISUV-Erfahrungen ist Trennung und Scheidung der Eltern oft mit – vielfach vorübergehenden - Schulproblemen der Kinder verbunden.

Die Biographie überforderter Kinder weist meist folgende Kennzeichen auf: häufiger Schulwechsel, Abstieg in der Schulhierarchie, schließlich kein Abschluss – und kein Selbstbewusstsein, das dann auf Abwegen kompensiert wird.

Aus der Perspektive des Familienrechts ist klar geregelt: Jedes Kind hat Anspruch auf eine angemessene Ausbildung, die spätestens mit 25 Jahren abgeschlossen sein sollte, denn dann endet auch die Förderung des Staates. Die Kindergeldzahlungen werden eingestellt.

Für unterhaltspflichtige Eltern ist es immer dann bitter, wenn sie sehr viel Zeit, Geduld und Geld ins Kind investiert haben und das steht mit 25 Jahren ohne Abschluss, ohne Beruf, ohne Einkommen da. „Wir raten auf Grund langjähriger Erfahrung, Scheidungskinder nicht zu überfordern, lieber im Schulranking weiter unten anfangen. Es ist gut für das Selbstbewusstsein eines Kindes, wenn es aufsteigen kann und will. Das Schulsystem ist durchlässig, es muss nicht gleich Gymnasium sein.“ (Linsler)