Von fiktivem Einkommen – „Einkunftsfähigkeit“ – Mindestunterhalt – weitere Tätigkeit – Kindesunterhalt – Erstausbildung – Leiharbeit

Befindet sich ein Unterhalts­pflichtiger in einer sogenannten Erstaus­bildung, muss er in der Regel keinen Unterhalt für seine Kinder zahlen. Das gilt aber nicht immer, entschied das OLG Bamberg – Beschluss vom 9.2. 2022, Az. 7 UF 196/21.

Im konkreten Fall ging es um die Zahlungen eines Vaters für seine beiden Söhne. Der 45-jährige Mann hatte bis dato keine Berufsaus­bildung und arbeitete für eine Leiharbeits­firma. Er behauptete, nicht zahlen zu können und eine weitergehende Tätigkeit sei medizinisch nicht zumutbar. Außerdem habe er nun eine Ausbildung begonnen und erhalte monatlich nur 580 Euro.   

Unterhaltsberechnung auf Grundlage fiktiven Einkommens

Das überzeugte das Gericht nicht: Der Mann muss zahlen. Die Richter legten dafür ein Einkommen aus einer fiktiven Tätigkeit in Vollzeit zugrunde. Die Leistungs­fähigkeit eines Unterhalts­pflichtigen bestimme sich nämlich nicht allein durch sein tatsächliches Einkommen, sondern auch durch seine Erwerbs­fähigkeit. Reichten seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so sei ein Elternteil verpflichtet, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen.  

Für Unterhalt alle Erwerbsmöglichkeiten ausschöpfen

Dafür müsse er vor allem seine Arbeits­fähigkeit so gut wie möglich einsetzen, alle Erwerbs­möglichkeiten ausschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen Lebens­gestaltung in Kauf nehmen. Bei Arbeits­stellen mit geringem Einkommen sei entweder eine neue Arbeits­stelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, etwa eine Aushilfs­tätigkeit.  

Vorrang der Erstausbildung hier nicht anwendbar

Die begonnene Ausbildung spiele keine Rolle. Zwar habe eine Erstaus­bildung in der Regel auch gegenüber der gesteigerten Unterhalts­pflicht Vorrang. Anders verhalte es sich aber, wenn der Unterhalts­pflichtige sich in der Vergangenheit stets auf ungelernte Tätigk­eiten beschränkt habe. Das sei hier der Fall. Einen besonderen Anlass dafür, die zukünftigen Arbeits- und Verdienst­chancen gerade jetzt - wenige Monate nach Verfahrens­beginn - durch eine Ausbildung verbessern zu wollen, habe der Mann nicht benannt. 

Das Urteil ist lesenswert, wie man hier mit einem unterhaltspflichtigen Vater umspringt, das sollte man gelesen haben – kein Wunder, dass die Geburtenrate sinkt.

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Quelle dpa/openjur