Anwalt muss über die Chancen und Risiken eines Verfahrens aufklären - insbesondere wenn es aussichtslos ist

Das Amtsgericht Frankfurt hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt nach einem durch ein Gericht erteilten Hinweis über die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung seinen Mandanten umfassend über die prozessualen und wirtschaftlichen Folgen aufklären muss. Eine Anwaltshaftung scheidet allerdings aus, wenn trotz Belehrung an einem aussichtslosen Rechtsmittel festgehalten wird. Das geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main hervor, (Urteil v. 22.07.2021 - 32 C 807/21 (92).

Hintergrund:

In dem vom Amtsgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall begehrte die klagende Rechtsschutzversicherung von dem beklagten Rechtsanwalt Schadensersatz aus übergegangenem Recht anlässlich einer unterlassenen Rechtsmittelrücknahme in Höhe der daraus erwachsenden Gebührendifferenz. Der Beklagte hatte zuvor die Versicherungsnehmer der Klägerin in einem Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart vertreten.

In diesem Rechtsstreit hatte der Senat auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung der Versicherungsnehmer gemäß § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen und die Berufungsrücknahme zwecks Kostenersparnis anheimgestellt. Nachdem die Berufung nicht zurückgenommen wurde, hatte der Senat diese ankündigungsgemäß zurückgewiesen. Dies hatte zur Folge, dass eine 4,0-fache (anstatt 2,0-fache) Gerichtsgebühr fällig wurde.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Die Klage blieb vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main ohne Erfolg.

Voraussetzung eines Anwaltshaftungsanspruchs wäre eine schuldhafte Pflichtverletzung des Rechtsanwalts, die zu einem Nachteil für den Mandanten geführt haben müsste.

Nach Auffassung des Amtsgerichts war der Rechtsanwalt in einem solchen Fall zwar grundsätzlich gehalten, die Mandanten über den Inhalt des Hinweises, die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten einschließlich der jeweiligen Risiken sowie der wirtschaftlichen Folgen für die Mandanten zu belehren.

Auch müsse der Rechtsanwalt den Mandanten stets die günstigste Vorgehensweise aufzeigen, einschließlich erkennbarer Auswirkungen im Verhältnis zur Rechtsschutzversicherung seiner Mandanten.

Das Gericht hat in seinem Urteil zudem erläutert, dass ein Rechtsanwalt gehalten sei, seine Mandanten in verständlicher Form über den Inhalt eines Hinweisbeschlusses und die kostenmindernden Möglichkeiten einer Rechtsmittelrücknahme aufzuklären.

Wenn das Risiko besteht, dass ein Rechtsstreit unanfechtbar verloren wird, muss ein Anwalt nach dem Gericht die günstigste prozessuale Beendigungsmöglichkeit aufzeigen.

Es obliege dem Rechtsanwalt grundsätzlich auch, soweit er Kenntnis von einer Rechtsschutzversicherung hat, auf mögliche Auswirkungen im Versicherungsverhältnis hinzuweisen (z.B. bei bedingten Deckungszusagen).

Eine „Drittschutzwirkung“ gegenüber dem Rechtsschutzversicherer gäbe es insoweit jedoch nicht.

Für das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen ist nach den allgemeinen Beweisregeln der Mandant oder die klagende Rechtsschutzversicherung darlegungs- und beweisbelastet.

Für eine Verletzung einer Verpflichtung des Rechtsanwalts blieb die Klägerin vor dem Amtsgericht allerdings beweisfällig, nachdem die Beweisaufnahme ergeben hatte, dass die Versicherungsnehmer die Kosten des Unterliegens hinnehmen wollten.

Nach Auffassung des Gerichts spricht demnach einiges dafür, dass jedenfalls die Mehrkosten einer streitigen Entscheidung zum Gegenstand der Erörterung gemacht wurden, ihre Hinnahme jedoch von den Versicherungsnehmern wegen des bestehenden Versicherungsschutzes explizit gewollt war.

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Quelle: Amtsgericht Frankfurt am Main, Pressemitteilung v. 30.07.2021