Bei finanzieller Überforderung keine Mithaftung für Kredite
Aber auch die Unterschrift unter einen Kreditvertrag kann sittenwidrig sein urteilt das Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 29.06.2023 - 8 U 172/22 . Dies gilt dann, wenn eine Bank erkennen konnte, dass die mitunterzeichnende Person eines Darlehensvertrags im Haftungsfall finanziell überfordert sein würde.
Hintergrund
Beispielhaft ist der Fall, über den das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg zu entscheiden hatte. Die Zwanzigjährige verdiente als Verkäuferin in einer Bäckerei monatlich ca. 1.300 Euro netto. Sie unterschrieb neben ihrem Freund einen Darlehensvertrag über rund 90.000 Euro mit einer monatlichen Rate von knapp über 1.000 Euro. Der Freund wollte mit dem Geld alte Kredite umschichten und ein Auto kaufen. Zwei Jahre später kündigte die Bank den Kreditvertrag, weil der Freund die Raten nicht mehr bediente. Sie stellte die Restforderung von rund 50.000 Euro an die Frau. Weil sie von dem (inzwischen Ex-)Freund der jungen Frau das Geld nicht erhielt, verklagte die Bank die Frau vor dem Landgericht Osnabrück. Die Frau wurde zur Zahlung des Betrages verurteilt.
OLG: Keine Mithaftung für Kredit bei offensichtlicher, finanzieller Überforderung
Hiergegen wandte sich die Klage der jungen Frau an das Oberlandesgericht Oldenburg. Das OLG gab der Frau Recht und wies die Klage der Bank ab. Die Frau sei keine echte Darlehensnehmerin, sondern habe lediglich eine Mithaftung übernommen. Es handele sich daher um eine einseitig belastende Vertragsabrede. Eine solche Abrede sei zwar möglich, im konkreten Falle aber wegen der Gesamtkonstellation und der offensichtlichen, krassen finanziellen Überforderung der Frau sittenwidrig und damit nichtig.
Der Bank sei bei Vertragsschluss die emotionale Verbundenheit der Frau zu ihrem Freund bekannt gewesen, ebenso deren beengte finanzielle Verhältnisse, also die Tatsache, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren könne. Es widerspreche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken ein solche Situation ausnutzten. Die klagende Bank habe die sich daraus im konkreten Einzelfall ergebende Vermutung der Sittenwidrigkeit nicht widerlegen können. Insbesondere spreche es nicht gegen eine Sittenwidrigkeit, dass die junge Frau bei Vertragsschluss nichts von ihrer prekären Situation ahnte, weil sie irrtümlich glaubte, es gehe nur um 7.500 Euro für das Auto.