Oft nachgefragt: Besteht Anspruch auf Ausbildungsunterhalt im Freiwilligen Sozialen Jahr?

Einem volljährigen Kind steht auch während des Freiwilligen Sozialen Jahrs ein Anspruch auf Aus­bildungs­unterhalt zu. Dies gilt zumindest dann, wenn es zuvor ein achtjähriges Gymnasium durchlaufen hat. Das Freiwillige Soziale Jahr gehört zur Orientierungsphase, in der Aus­bildungs­unterhalt zugesprochen wird. Dies hat das Amtsgericht Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 13.07.2018 - 6 F 74/18) entschieden.  

In dem zugrunde liegenden Fall wurde der Vater einer volljährigen Tochter im Jahr 2018 auf Auskunft über seine Vermögensverhältnisse in Anspruch genommen. Die Tochter, die im Haushalt der Mutter lebte und das achtjährige Gymnasium abgeschlossen hatte, wollte Kindesunterhalt für das nach der Schule sich anschließende Freiwillige Soziale Jahr. Sie strebte nach dem FSJ einen sozialen Beruf an. Der Vater hielt den Anspruch für nicht gegeben, da seiner Meinung nach während des FSJ kein Anspruch auf Kindesunterhalt bestehe.

Anspruch auf Ausbildunterhalt während Freiwilligen Sozialen Jahrs

Das Amtsgericht Waldshut-Tiengen entschied zu Gunsten der Tochter. Ihr stehe nach § 1605 BGB der Auskunftsanspruch zu, da ihr während des Freiwilligen Sozialen Jahrs ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt zustehe. Einem Kind werde nach Schulabschluss eine gewisse Orientierungsphase zugestanden, in der es Anspruch auf Ausbildungsunterhalt habe. Zu einer solchen Orientierungsphase gehöre das Freiwillige Soziale Jahr. Es sei dabei unerheblich, ob es als Zugangsvoraussetzung für eine bestimmte weitergehende Ausbildung oder ein Studium gefordert wird oder ob dies wünschenswert ist.

Fehlende gefestigte Persönlichkeitsbildung nach achtjährigem Gymnasium

Das Amtsgericht vertrat die Ansicht, dass durch die Verkürzung der Schuldurchlaufzeit auf acht Jahre die Persönlichkeitsbildung des Gymnasiasten noch nicht in dem Maße gefestigt und abgeschlossen sei, wie das früher der Fall gewesen sei. Den Schülern werde es erschwert neben der Schule zum Beispiel durch soziales Engagement einen Horizont und eine Perspektive für die Zeit nach der Schule zu finden. Finde daher die Orientierungsphase vermehrt nach dem Abgang von der Schule statt, könne dies unterhaltsrechtlich nicht zum Nachteil der Kinder gehen.

Ob diese Rechtsprechung Bestand hat, bzw. ein anderes Gericht dies anders sieht, ist offen. Auch die Vergütung während des Freiwilligen Sozialen Jahres dürfte eine Rolle spielen. – die Argumentation ist schon sehr eigen und neu: Weil nach acht Jahren das Gymnasium endet, haben Schüler jetzt ein Jahr Zeit um sich zu orientieren – bzw. auf Kosten der Eltern zu gammeln anstatt gleich mit der Ausbildung oder dem Studium zu beginnen.

Quelle: Refrago    |    Redigiert Josef Linsler