OLG Hamm: Bestehende soziale Beziehungen wichtiger als Vaterschaftsanfechtung durch den vermutlichen leiblichen Vater

Ein biologischer Vater ist nur dann berechtigt, die (rechtliche) Vaterschaft des Ehemanns der Mutter oder eines anderen Mannes, der die Vaterschaft anerkannt hat, zu beseitigen, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht besteht. Dies hat der 12. Senat für Familiensachen mit Beschluss vom 12.11.2020 (Az. 12 WF 221/20) entschieden.

Der Antragsteller aus Münster will gerichtlich feststellen lassen, dass der Ehemann der Mutter eines im Juni 2020 geborenen Mädchens, der mit der Mutter seit 2013 verheiratet ist und mit ihr ebenfalls in Münster wohnt, nicht der Vater des Kindes ist, sondern er selbst.

Das Amtsgericht hat den dahingehenden Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Ehemann der Mutter des Kindes und dem Mädchen einer solchen Feststellung entgegenstehe.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen diese Entscheidung war nicht erfolgreich. Jedenfalls derzeit könne der Antragsteller – so der Senat – die Vaterschaft des Ehemanns der Mutter des Kindes nicht anfechten, weil zwischen diesem und dem Kind eine sozial-familiäre Bindung bestehe, die – nach § 1600 Abs. 2, 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) – eine Anfechtung durch den leiblichen Vater ausschließe. Von einer solchen Bindung könne dann ausgegangen werden, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächlich die Verantwortung trage. Dies sei hier zu vermuten, weil der Ehemann der Mutter mit dieser verheiratet sei. Dem könne der Antragsteller nicht entgegenhalten, dass er vor der Geburt des Kindes noch gelegentlichen Kontakt zur Mutter des Kindes und diese noch eine eigene Wohnung gehabt habe. Ebenso wenig sei es von Bedeutung, dass der Antragsteller mit Beginn der Schwangerschaft Verantwortung für das Kind habe übernehmen wollen. Entscheidend sei vielmehr, dass der Ehemann der Mutter des Kindes spätestens seit der Geburt mit ihr und dem Kind in einem Haushalt lebe und bereit sei, die Verantwortung für seine (rechtliche) Tochter zu tragen. Zu sehen sei zwar, dass der Antragsteller in dieser Konstellation überhaupt nicht die Möglichkeit habe, rechtlich gesehen die Vaterstellung für seine mutmaßliche leibliche Tochter einzunehmen. Dies sei jedoch eine Folge der in § 1600 BGB getroffenen und aktuell geltenden gesetzlichen Regelung, nach der ein bestehender Familienverband dem Interesse des leiblichen Vaters vorgehe.

Nicht anfechtbarer Beschluss des 12. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 06.11.2020 (Az. 12 WF 221/20, OLG Hamm)

Quelle: Pressestelle Justiz in NRW