Reformvorschläge von Richtern: Modernisierung des Zivilrechts – Was betrifft auch familienrechtliche Verfahren?

Die Arbeitsgruppe "Mo­der­ni­sie­rung des Zi­vil­pro­zes­ses" – zusammengesetzt aus Prä­si­den­tin­nen und Prä­si­den­ten der Ober­lan­des­ge­rich­te, des Kam­mer­ge­richts, des Baye­ri­schen Obers­ten Lan­des­ge­richts und des Bun­des­ge­richts­hofs – hat einen Zwi­schen­be­richt vor­ge­legt, in dem sie weit­rei­chen­de Än­de­run­gen vor­schlägt. Ge­richts­ver­fah­ren sol­len bür­ger­freund­li­cher und ef­fi­zi­en­ter wer­den, au­ßer­dem soll auf tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen re­agiert wer­den. Im folgenden nun die wichtigsten Ergebnisse.

Di­gi­ta­ler Bür­ger­zu­gang zur Zi­vil­jus­tiz

Ein The­sen­pa­pier der Ar­beits­grup­pe unter Vor­sitz des Prä­si­den­ten des OLG Nürn­berg, Tho­mas Di­ckert, gibt einen Über­blick über die we­sent­li­chen In­hal­te der bis­he­ri­gen Über­le­gun­gen. Sie be­tref­fen zu­nächst einen er­leich­ter­ten elek­tro­ni­schen Zu­gang der Bür­ger zur Zi­vil­jus­tiz. Hier­zu soll nach dem Wil­len der Jus­tiz­ju­ris­ten ein bun­des­weit ein­heit­li­cher elek­tro­ni­scher Bür­ger­zu­gang in Form eines On­line-Por­tals ein­ge­rich­tet wer­den. Über die Platt­form sol­len An­trä­ge ge­stellt und be­stimm­te Ver­fah­ren ge­führt wer­den kön­nen. Er­läu­te­run­gen und Ab­fra­gen sol­len die Recht­su­chen­den dabei un­ter­stüt­zen. Mehr noch: Der Vor­schlag sieht "vir­tu­el­le Rechts­an­trag­stel­len" vor, die per Vi­deo­kon­fe­renz mit den Bür­gern kom­mu­ni­zie­ren.

Op­ti­mie­rung des elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehrs

Die Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­ge be­gin­nen die Rich­te­rin­nen und Rich­ter in­ter­es­san­ter­wei­se mit einer For­de­rung, die be­reits viel­fach aus der An­walt­schaft er­ho­ben wurde: Statt des bis­her aus­schlie­ß­lich per­so­nen­be­zo­ge­nen beA (be­son­de­res elek­tro­ni­sches An­walts­post­fach) soll ein Kanz­lei­post­fach ein­ge­führt wer­den.  Beim elek­tro­ni­schen Emp­fangs­be­kennt­nis plä­diert der Ar­beits­kreis hin­ge­gen für eine Re­form, mit der zu­sätz­li­cher Auf­wand bei den Ge­rich­ten ver­mie­den wer­den soll. Hier­zu kom­men aus Sicht der Ex­per­ten­grup­pe die Er­set­zung des elek­tro­ni­schen Emp­fangs­be­kennt­nis­ses durch eine au­to­ma­ti­sier­te Ein­gangs­be­stä­ti­gung sowie eine Zu­stel­lungs­fik­ti­on in Be­tracht. Das Te­le­fax soll als Über­mitt­lungs­weg abgeschafft werden. Bis­her dürf­te das aus Sicht der ganz herr­schen­den Mei­nung ge­ra­de­zu un­vor­stell­bar sein. Mehr­fach­ein­rei­chun­gen will der Ar­beits­kreis schon jetzt ver­mei­den, und zwar durch eine Aus­la­gen­pau­scha­le, die die Rechts­an­wäl­te zahlen müssen – und die dann letztendlich an die Mandanten weitergeben wird.

Ein­füh­rung eines elek­tro­ni­schen Nach­rich­ten­raums

Zu­sätz­lich will die Arbeitsgruppe den Rechts­rah­men für einen elek­tro­ni­schen Nach­rich­ten­raum schaf­fen - "für eine schnel­le­re und zeit­ge­mä­ße Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Ge­richt und von ihm ein­be­zo­ge­nen Prozessbe­tei­lig­ten", heißt es im The­sen­pa­pier. Der Nach­rich­ten­raum soll in ers­ter Linie dem form­lo­sen Austausch elek­tro­ni­scher Nach­rich­ten mit Rechts­an­wäl­ten und wei­te­ren Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten die­nen, etwa für Ter­min­ab­spra­chen und -ver­le­gun­gen oder den Aus­tausch von Ver­gleichs­vor­schlä­gen. Per­spek­ti­visch sol­len in ihm auch elek­tro­ni­sche Do­ku­men­te zu­ver­läs­sig und schnell zwi­schen Par­tei­en und Ge­richt aus­getauscht wer­den kön­nen.

Zen­tra­le On­line-Ge­rich­te mit be­schleu­nig­ten On­line-Ver­fah­ren

In einem wei­te­ren Punkt greift der Ar­beits­kreis ein Thema auf, das be­reits mehr­fach Ge­gen­stand rechts­poli­ti­scher Dis­kus­si­on war: Ein be­schleu­nig­tes On­line-Ver­fah­ren ein­ge­führt. Dabei han­delt es sich laut The­sen­pa­pier "um ein for­mu­lar­ba­sier­tes Ver­fah­ren, das in der Regel voll­stän­dig im Wege elek­tro­ni­scher Kom­mu­ni­ka­ti­on ge­führt wird." Die Ver­fah­ren sol­len bei be­stimm­ten Ge­rich­ten kon­zen­triert wer­den kön­nen, so dass es mög­lich ist, zen­tra­le On­line-Ge­rich­te ein­zu­rich­ten. Das Ver­fah­ren soll für die Klä­ger­sei­te frei­wil­lig sein und für Streit­wer­te bis 5.000 Euro in Be­tracht kom­men. Eine münd­li­che Ver­hand­lung soll nur aus­nahms­wei­se und dann als Video- bzw. Te­le­fon­kon­fe­renz statt­fin­den. Auch Be­wei­se sol­len im Rah­men einer Vi­deo­ver­hand­lung er­ho­ben wer­den. Es soll der Frei­be­weis gel­ten.