Trennung – Scheidung: Vorsicht mit losem Mundwerk vor Gericht

Im Rahmen von familienrechtlichen Prozessen konzentriert sich die Unzufriedenheit immer auf Richter und Anwalt. Dabei ist der Richter , das wird oft übersehen, ans Gesetz gebunden. Trotz allem Frust – vielleicht sogar berechtigt – sollte man sich nicht gehen lassen und den Richter angehen. Dies zeigt der folgende Fall.

Ein Arzt im Ruhestand war mit einem Urteil eines Gerichts nicht einverstanden, genau gesagt nur mit der Kostenentscheidung des Gerichts.  Viele ISUV-Mitglieder kennen das. Wie sich also verhalten? Der verrentete Arzt versuchte es mit Dienstaufsichtsbeschwerde und Verbalattacke. - Daraufhin wurde er wegen Beleidigung (§ 185 StGB) eines Richters vom Bayerische Obersten Landesgericht (BayObLG) zu Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro verurteilt (Beschl. v. 04.07.2022, Az. 202 StRR 61/22).

Anfangs lief alles gut für den Mediziner: Er hatte zunächst erfolgreich in einem Zivilprozess vor dem Amtsgericht (AG) auf Räumung seiner Eigentumswohnung geklagt. Der damals zuständige Richter traf danach aber eine übliche Kostenentscheidung. Nach Abschluss des Verfahrens hatte das Gericht den Mediziner als Zweitschuldner für die Gerichtskosten in Anspruch genommen, die er sich dann von der unterlegenen Gegenseite hätte wieder holen können. Das ist  übliche Praxis.

Mit der Tatsache, dass er sich den ausstehenden Betrag aber selbst aktiv von der Gegenseite wieder holen musste, war zu viel für ihn. Trotz mehrfacher Erklärungsversuche des Amtsrichters, dass eine Gerichtskostenentscheidung wie diese absolut üblich sei, übersandte der Mediziner eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Präsidenten des Landgerichts. In dem Schreiben führte er wörtlich aus: "Wegen Entnahme von Geld aus einem Guthaben von mir (monatelang (!) ohne mich zu benachrichtigen!!?), um - ohne Not - die Schuld eines Dritten (!!?) zu begleichen!!? § 266 StGB (Untreue)."

In einer beigefügten Anlage zu der Dienstaufsichtsbeschwerde bezeichnete der Mediziner den Richter als "ekelig parteiischen Amtsrichter" und wertete das Verhalten als "schikanöse Schandtat".

Es folgte ein Strafverfahren gegen den Mediziner. Das Amtsgericht Bayreuth verurteilte ihn wegen übler Nachrede (186 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro. Einmal in der Prozessspirale machte er weiter, legte Berufung ein. Die  Geldstrafe wurde auf insgesamt 1.500 Euro erhöht.

Schlussendlich entschied auch das BayObLG gegen den Mediziner und verwarf dessen Revision als unbegründet. Es hielt zwar nicht den Tatbestand der Üblen Nachrede für erfüllt, wohl aber den der Beleidigung.

Der unbegründete Vorwurf der strafbaren Untreue stelle bereits für sich genommen einen Angriff auf den Achtungsanspruch dar, der dem Richteramt innewohne, so das BayObLG. Verstärkt werde dieser Angriff noch durch die Bezeichnung des Richters als "ekelig parteiischen Amtsrichter" und die Abwertung seines dienstlichen, rechtskonformen Wirkens als "schikanöse Schandtat".

Insbesondere sei die Tat auch nicht nach § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) gerechtfertigt, so das BayObLG. Da es sich bei den Äußerungen des Angeklagten aber auch nicht um Schmähkritik handle, sei eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Mannes und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Richters vorzunehmen.

In die Abwägung dieser beiden Werte hob das Gericht hervor, dem Mediziner wäre es bei seiner Vorbildung ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, sich anderweitig über die Rechtslage zu informieren, wenn er dem Richter schon nicht glauben wollte. Den Achtungsanspruch des Richters habe er sodann trotzdem mit seinen "völlig abwegigen Vorwürfen" attackiert. Bei der Gegenüberstellung aller Argumente müsse die Meinungsfreiheit des Mannes daher hinter dem Persönlichkeitsrecht des Richters zurückzutreten.

Weil die Strafrahmen von Übler Nachrede und Beleidigung identisch sind, änderte sich für den Mediziner im Strafausspruch letztlich nichts.

Quelle; LTO