Trennungseltern auch auf Wohngeld / Bürgergeld / temporäre Bedarfsgemeinschaft hinweisen

Immer öfter geht es darum, Eltern aus der wirtschaftlichen Misere zu helfen, in die sie nicht nur auf Grund von Trennung und Scheidung, aber sehr oft dann geraten sind. Ausschlaggebend für die prekäre Lage sind inzwischen die hohen Wohnkosten: Mieten, Energie- und Nebenkosten. Wie können Sozialfälle vermieden werden?

Seit der Anhebung des Kindesunterhalts und des Selbstbehalts zu Beginn 2023 sind die Mangelfälle stark angestiegen, stellt ISUV-Verband Unterhalt und Familienrecht fest. Ist für zwei und mehr Kinder Unterhalt zu leisten, dann bedarf es schon eines Einkommens von 2400 EURO um die Unterhaltsansprüche gemäß Düsseldorfer Tabelle zu befriedigen.

„Wenn das Einkommen wegen Unterhalt nicht reicht, wenn das Einkommen trotz Unterhalt nicht reicht, wenn der Selbstbehalt unterschritten ist, wenn die Wohnungspauschale von 520 Euro nicht reicht, dann sollte man sich nicht scheuen einen Antrag auf Wohngeld und/oder Bürgergeld zu stellen“, rät die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.

Rahmenbedingungen

Wohngeld kann jeder Bundesbürger beantragen, der über genügend Einkommen – dazu zählen auch Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld - für die eigenen Lebenshaltungskosten verfügt, aber nicht ausreichend Einkommen erzielt, um auch seine Wohnkosten zu decken. Dabei können sowohl Mieter als auch Eigentümer einen Wohngeld Anspruch haben. Menschen ohne Einkommen müssen auf Leistungen des Bürgergeldes zurückgreifen und haben keinen gesonderten Anspruch auf Wohngeld.

Die monatliche Einkommensgrenze für den Bezug von Wohngeld liegt seit 2023 bei einem 1-Personen-Haushalt in Mietstufe I bei 1405 Euro. Handelt es sich um einen 2-Personen-Haushalt derselben Mietstufe, liegt die Grenze bei 1896 Euro. Die Grenzwerte steigen bei größerem Haushalt.

Gut zu wissen

Wenn man als unterhaltspflichtiger Elternteil durch die laufenden Unterhaltszahlungen finanziell nicht mehr klarkommet, kann man Wohngeld beantragen.

Unterhaltspflichtige Elternteile sollten wissen: Wem vom Gehalt nicht mehr bleibt als der Selbstbehalt, dem wird Wohngeld gewährt abzüglich der Wohnkostenpauschale in Höhe von 530 EURO. Wohngeld gibt es nur für eine angemessene Wohnung – angemessen in Bezug auf Größe und Standard.

Wohngeld wird nur auf Antrag gewährt und nur ab dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird. Zuständig ist die jeweilige Wohngeldstelle. Es gibt amtliche Vordrucke, die ausgefüllt werden müssen. Wohngeld wird in der Regel für 12 Monate gewährt. Wenn allerdings Unterhaltsansprüche noch nicht geklärt sind, kann Wohngeld auch nur für einen kürzeren Zeitraum gewährt werden.

Typische Situationen und Fragen von Trennungseltern

Im Folgenden stellen wir zwei strukturell typische Situationen dar, wobei jede Situation sich nochmals individuell unterscheidet. Beide ISUV-Mitglieder wurden zuvor nur auf die unterhaltsrechtlichen Regelungen verwiesen, jedoch nicht auf die sozialrechtlichen Möglichkeiten hingewiesen worden.

Frage eines Mitglieds: Energetische Sanierung – Mieterhöhung - Wohngeld

„Ich zahle für meine drei Kinder 1240 Euro Unterhalt, die jedes 2. WE und manchmal in der Woche bei mir sind. Meine 63 qm Wohnung wurde energetisch saniert und die Miete drastisch erhöht. Vorher zahlte ich 820 EURO Miete, jetzt soll ich 1090 EURO zahlen. Ich kann mir diese Wohnung nicht mehr leisten. Eine günstigere Wohnung in Stuttgart zu finden ist schwierig. Habe ich Anspruch auf Wohngeld, muss ich ausziehen, habe ich Anspruch auf eine Sozialwohnung? Ich verdiene 3240 EURO netto.“

Im Folgenden antwortet Manfred Hanesch, Fachanwalt für Sozialrecht:

Der Wohngeldanspruch ermittelt sich aus dem verfügbaren Einkommen, das nach Abzug der Miete und der Unterhaltsbelastung übrigbleibt. Diesem verfügbaren Einkommen wird die übernahmefähige Miete gegenübergestellt, die das Wohngeld abdeckt und nicht mit der Miete übereinstimmen muss. Das Wohngeld deckt nur den übernahmefähigen Anteil der Miete ab. Ist die Miete höher, so besteht kein Anspruch auf Wohngeld. Bei einem Einkommen von € 3.240,00 und einer Belastung von € 1.240,00 für den Unterhalt besteht in Stuttgart nur ein Wohngeldanspruch für eine Miete von € 720,60 auf Basis der Mietstufe VI.  Diese Miete setzt sich aus der Miete selbst mit € 610,20 und einem Zuschlag für die Heizkosten von € 110,40 zusammen. 

Demgegenüber steht dem Anspruchsteller das Bürgergeld offen, das ihm seinen Bedarf in Höhe von € 1.185,00 sichert. Unter Abzug der € 1.090,00 für die Miete und den Unterhalt von € 1.240,00 verbleiben ihm von seinem Einkommen von ausgangs € 3.240,00 weniger als der Bedarf nach dem SGB II in Höhe von mindestens € 1.185,00.

Frage eines Mitglieds: Trennung – zu große Wohnung - Wohngeld

„Ich will mich trennen von meinem Mann, er zieht aus, wir wohnen in einer 4 Zimmer Wohnung. Ich mochte gerne in diese Wohnung bleiben, bis ich eine kleinere Wohnung gefunden habe. Ich ziehe mit meinem Sohn um, suche eine kleinere Wohnung im gleichen Dorf. Das Problem ist, dass ich nicht so viel verdiene, dass ich die Wohnung zahlen kann. Ich verdiene nur 900 Euro. Die Miete kostet warm 700. Habe ich Anspruch auf Wohngeld? Mein Mann verdient 1780 EURO netto.“

Im Folgenden antwortet Manfred Hanesch, Fachanwalt für Sozialrecht:

Nehmen wir an, die Mutter lebt in einer Kleinstadt mit einer Mietstufe IV und verfügt über ein Gesamteinkommen von € 1.277,00 für ein Kind im Alter von bis zu 6 Jahren, so erhält sie € 172,00 an Wohngeld. Erhält sie aber € 463,00 an Kindesunterhalt, so erhält sie € 126,00 an Wohngeld. Sie sollte in jedem Fall einen Wohngeldantrag stellen.

ISUV rät: Alle sozialrechtlichen Möglichkeiten prüfen

ISUV-Sozialrechtscoach Gordon Vett empfiehlt: „Grundsätzlich sollten betroffene Trennungseltern immer gleichzeitig einen Antrag auf Wohngeld und Bürgergeld stellen. Dies sollte auch den jeweiligen Behörden mitgeteilt werden. Sie müssen dann mitteilen, mit welchem Antrag – Bürgergeld oder Wohngeld - den betroffenen Elternteilen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.“

Immer öfter geraten Eltern aus der Mittelschicht auf Grund von Trennung und Scheidung in Bedürftigkeit. „Das Einkommen reicht trotz Berufstätigkeit beider Elternteile nicht mehr, auch wenn gespart wird“, hat die ISUV-Vorsitzende Ulbrich festgestellt. Sie fordert deshalb: „Es ist wichtig und notwendig, dass schon bei Trennung auf die Möglichkeiten des Sozialrechts – Wohngeld, Bürgergeld, temporäre Bedarfsgemeinschaft – hingewiesen wird. Es ist unbefriedigend, wenn Trennungseltern nur einseitig auf die unterhaltsrechtlichen Regelungen verwiesen werden, obwohl ihnen Wohngeld oder gar Bürgergeld zusteht.“ 

Ulbrich verweist darauf, dass Mitglieder ihre sozialen Anliegen per Mail -  hilfesozialrecht(at)isuv(dot)de - mitteilen können und von einem Fachanwalt für Sozial- und Familienrecht sowie von einem erfahrenen Sozialrechts-Coach beraten werden.