Coronakrise: Bewährungsprobe für Trennungseltern

Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) stellt auf Grund einer Flut von Anfragen in den letzten 10 Tagen fest: Mehrfach wird die Coronakrise dazu benutzt um den Umgang eigenmächtig zu bestimmen, auszusetzen oder ganz offensichtlich auch zu verweigern.  „In der gegenwärtigen Krise muss die Gesundheit des Kindes und die beider Eltern im Mittelpunkt stehen. Umgangskontakte müssen nur dann entfallen, wenn krankheitsbedingte Gründe dem entgegenstehen. Das Familienrecht geht davon aus - ob in der Krise oder im ganz normalen Alltag - jeder Umgangskontakt mit einem Elternteil steht im Interesse des Kindswohls.  Gerade in der Krise ist der Umgang mit Mutter und Vater vorrangig“, hebt der ISUV-Vorsitzende Klaus Zimmer hervor.  

„Jetzt in der Krise ist es wichtig, dass wir die Bedeutung des Umgangsrechts hochhalten“, betont Zimmer. Der primäre Zweck des Umgangs besteht gemäß langjähriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darin, dass der umgangsberechtigte Elternteil sich von den körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich überzeugen kann, die Beziehungen zum Kind aufrechterhalten und einer Entfremdung vorbeugen kann. Zudem ist dem gegenseitigen Liebesbedürfnis von Kind und Umgangselternteil Rechnung zu tragen.  „Gerade jetzt in der Krise, in der Zeit von Kontaktsperre, wo viele Umgangselternteile auf die Wohnung, nicht selten allein, eingegrenzt sind, tut jede Umgangseinschränkung richtig weh“, berichtet ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.  

Juristisch hat der Umgangselternteil eine starke Position, die allerdings oft nur auf dem Papier steht. Laut Zimmer gilt gegenwärtig familienrechtlich bei gemeinsamer elterlicher Sorge daran zu erinnern: „Der Umgangselternteil kann sein krankes Kind ebenso versorgen und pflegen wie der Obhutselternteil. Umgang ist nur ausgeschlossen bei Transport-Unfähigkeit des Kindes.“

Zu berücksichtigen ist aber speziell beim Coronavirus, dass er leicht übertragbar ist, zu schweren Erkrankungen führt und es noch keine Arzneimittel dagegen gibt. „Dies gilt es insbesondere gegenüber den Großeltern zu berücksichtigen, die durch Coronainfektion besonders gefährdet sind. Sie fallen daher für die Betreuung aus. Umso mehr ist gerade jetzt der Umgangselternteil gefordert“, hebt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler hervor.

Kitas, Kindergärten, Schulen, Betreuungseinrichtungen sind geschlossen. Durch die Coronakrise ergibt sich ein zusätzlicher Betreuungsbedarf, der schnell gedeckt werden muss. Daher ist es naheliegend und praktisch, dass der Umgangselternteil entsprechend in die zusätzliche Betreuung eingebunden wird. „Erfreulicherweise machen das jetzt mehrfach Trennungseltern aus rein pragmatischen Gründen. So wird in der Krise vielfach notgedrungen ´Getrennt, aber gemeinsam Erziehen´ praktiziert, was wir als Normalfall fordern“, kommentiert Linsler.

Homeoffice von beiden Elternteilen funktioniert nur effektiv, wenn beide sich bei der Betreuung abwechseln. Gehört ein Elternteil zu den „Helden des Corona-Alltags“ und muss arbeiten, der andere dagegen muss zu Hause bleiben, weil die Firma wegen Corona geschlossen ist, so ist es praktisch naheliegend, dass er die Betreuung übernimmt.

Problematisch ist in der Krise jetzt, wenn der Obhutselternteil das Kind einseitig von sich aus in häusliche Quarantäne stellen will. „Diese Restriktion ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge kann dies nicht ein Elternteil allein entscheiden. Wird dies dennoch von einem Elternteil gemacht, so ist das rechtlich nicht abgesichert“, stellt Fachanwalt für Familienrecht Klaus Zimmer klar. Voraussetzung für eine derart einschneidende Maßnahme, müssten nachweisbare schwerwiegende Gründe sein, wie beispielsweise der begründete Verdacht einer Infektion des Kindes nach dem Besuch eines Kindergartens, der von kranken Kindern zuvor besucht wurde oder die Rückkehr aus einem Corona-Krisengebiet. Problematisch sei, wenn sich ein Elternteil in freiwillige Selbstquarantäne begebe. „Dies kann zwar Ausdruck einer besonderen Verantwortung sein, aber es ist auch denkbar, dass dadurch Umgang vereitelt werden soll.“ (Zimmer)

Was aber tun, wenn der Umgang ausgesetzt oder vereitelt wird?- Einheitlich lehnen mehrere ISUV-Kontaktanwälte Gerichtsverfahren jetzt zum Erstreiten des Umgangs ab. Es bestehe zwar ein Beschleunigungsgebot, d. h. derartige Anträge müssen schnell behandelt werden. Unter den gegebenen Voraussetzungen sei dies aber unrealistisch, weil die Gerichte im Krisenmodus arbeiten. „Wir raten betroffenen Eltern einen Ersatztermin zu vereinbaren, möglicherweise mit Unterstützung des Jugendamtes. Telefonieren, Skypen, eine Videobotschaft senden ist immer möglich, wenn man will. Wenn der Obhutselternteil jegliche Kontakte jetzt vereitelt, den Umgang unterbindet, so schadet er sich damit auch selbst, denn er demonstriert mit diesem Handeln seine Erziehungsunfähigkeit“, betont Pressesprecher Josef Linsler.