Justizministerin Lambrecht verweigert sich einstimmigem Votum der Expertenkommission

Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) fordert die gemeinsame Sorge der Eltern für ihre außerehelich geborenen Kinder ab Geburt und nach Feststehen der Vaterschaft. Justizministerin Christine Lambrecht, selbst alleinerziehende Mutter, wehrt sich dagegen. Sie stellt sich gegen das Votum einer Expertenkommission, die sich in einem Thesenpapier 2019 einstimmig dafür ausgesprochen hat: „Die Inhaberschaft der elterlichen Sorge als Teil der elterlichen Verantwortung nach Artikel 6 Absatz 2 GG soll nicht mehr davon abhängen, ob die Eltern bei Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind oder nicht.“ Der ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwalt Klaus Zimmer kritisiert: „Warum wird eine Expertenkommission eingesetzt, wenn dann die Empfehlung erfahrener Juristinnen und Juristen übergangen wird? Statt an der Alleinsorge der Mutter festzuhalten und ständig nur ineffiziente Korrekturmöglichkeiten zu diskutieren, geht es um ein verfassungsgemäßes gemeinsames Sorgerecht für alle Kinder, bei dem Korrekturen nur noch in Fällen der Kindeswohlgefährdung nötig sind. Unser Ziel ist klar, ob verheiratet oder nicht, wir möchten nach Trennung und Scheidung Elternschaft erhalten und fördern, Trennungseltern nicht Alleinerziehen fördern.“

„Gute Gründe“ für Ablehnung?

Alleinerziehende und entsprechend die Justizministerin führen „gute Gründe“ an, warum sie eine Gleichstellung nichtehelicher Kinder und deren Vätern ab Geburt ablehnen. Immer wieder genannt werden: Alkohol, Gewalt, eine „hoch strittige“ Trennung – wozu bekanntlich zwei Elternteile gehören. „Im Ergebnis fordern die Alleinerziehenden, der Vater soll zahlen, die Mutter bestimmt, ob er sein Kind sieht oder nicht. Er ist rechtlos gegenüber dem eigenen Kind“, kritisiert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler. Als weiterer Ablehnungsgrund wird von Alleinerziehenden genannt, wenn Eltern sich wenig oder nur kurz kennen. „Sollte nicht gerade da im Sinne des Kindeswohls gemeinsame Elternschaft durch ein gemeinsames Sorgerecht gefördert werden? Gefördert wird faktisch jetzt, Mutti kann sich verweigern, Betreuungs- und Kindesunterhalt fließt in jedem Fall. Sie kann das Kind symbiotisch an sich binden, ständig den Wohnort wechseln, bis der Vater oder das Kind resigniert. Wir kennen genügend solche Beispiele“, kritisiert Linsler. Ja, dann gibt es noch die „guten Gründe aus der Schmuddelecke“: Vergewaltigung und Gefahr von sexuellem Missbrauch. „Das ist unakzeptabel, damit werden Väter nichtehelicher Kinder unter Generalverdacht gestellt. Damit lassen sich schnell und leicht Verfahren anzetteln, denn Familiengerichte reagieren da zu Recht sehr schnell. Allerdings sind Familiengerichte heute besser disponiert als in den achtziger Jahren Missbrauch mit dem Missbrauch zu erkennen“, stellt Linsler fest.

Weiterhin Defizite nach der Teilreform von 2013

Seit der halbherzigen Reform des Sorgerechts für nichteheliche Kinder 2013 haben Väter theoretisch bessere Chancen als vorher das gemeinsame Sorgerecht zu erhalten. Allerdings müssen sie es beantragen und die Mutter muss damit einverstanden sein. „Ist die Beziehung intakt, wird oft versäumt einen entsprechenden Antrag zu stellen. Es gilt das Motto, es läuft auch ohne Antrag, warum den Amtsschimmel reiten und damit eine möglicherweise unangenehme Diskussion mit der Mutter anzetteln. Vielen Vätern wird das Versäumnis erst bei der Trennung bewusst“, stellt ISUV-Vorsitzender und Rechtsanwalt Klaus Zimmer fest.

Die Reform von 2013 war zwar ein Fortschritt zum Status davor, wo nichteheliche Väter gleichsam rechtlos gegenüber den eigenen Kindern gestellt waren. Dennoch sind weiterhin Verheiratete und nicht verheiratete Väter und deren Kinder nicht gleichgestellt. Artikel 6 des Grundgesetzes verlangt für eheliche und nichteheliche Kinder die gleichen Bedingungen. Ein Rechtsvergleich mit anderen EU-Staaten zeigt, dass dort eheliche und nichteheliche Kinder gleichgestellt sind. So ist beispielsweise im französischen Recht grundsätzlich nur von „Eltern“ die Rede, verheiratet oder nicht verheiratet spielt keine Rolle.

Zimmer möchte auch die Frage geklärt wissen: „Was passiert, wenn die sorgeberechtigte Mutter ausfällt? Wir fordern, dass dann dem Vater das alleinige Sorgerecht übertragen wird, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Für diese Situation gilt es Vorsorge zu treffen durch Förderung der gemeinsamen Elternschaft trotz Trennung.“

In der Praxis hat sich nach der Teilreform gezeigt, auch wenn nichteheliche Väter mitbetreuen, ein enges Verhältnis zum Kind haben, sträuben sich nicht wenige Mütter dagegen, dass der Vater auch entsprechend die gemeinsame elterliche Sorge bekommt. Die Motive für dieses Verhalten sind teilweise die Angst Macht mit dem Vater teilen zu müssen, nicht mehr allein alles bestimmen zu können. Massiv unterstützt werden sie dabei von manchen Jugendämtern.

Dominant sind aber materielle Motive. Im 1992 herausgegebenen „Rechtsratgeber“ – „Handbuch allein erziehen“ heißt es auf Seite 132: „Das einzige Faustpfand der Frauen sind die Kinder, wenn sie für deren Erziehung auch Unterhalt vom Mann für sich fordern wollen.“ – „Daran hat sich nichts geändert. Zwar werden Verband und radikale Grüppchen Alleinerziehender das heute nicht mehr so zynisch offen sagen, aber die Zielsetzung ist die gleiche. Bedingungslos unterstützt werden sie von GRÜNEN und großen Teilen der Linksparteien. Das steht im Widerspruch zu unserem Konzept von Trennungseltern“, kritisiert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.  

ISUV-Forderung

Zentrale ISUV-Forderung seit Verbandsgründung vor 44 Jahren war und ist die Einführung der gemeinsamen elterlichen Sorge für eheliche und nichteheliche Kinder, die völlige Gleichstellung von Kindern und ihren Eltern. Dies hat die halbherzige Reform von 2013 nicht bewirkt. Gleichstellung aller Kinder und deren Eltern ist ein übergeordneter verfassungsgemäßer Aspekt, der keine Kosten nach sich zieht, konfliktvermeidend wirkt, den Anspruch des Kindes auf beide Eltern umsetzt, dem Kindeswohl entspricht. „Es wird nun sehr spannend sein, ob die Fraktionen der Regierungskoalition dem Gezänk der alleinerziehenden Verbände folgen und den Vorschlag der Justizministerin abnicken oder den Vorschlag der Expertenkommission umsetzen“, stellt Linsler fest.