Reform des Sorgerechts. Es wird sich nicht so viel verändern

Das Thesenpapier der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ wurde nun veröffentlicht. In 50 Thesen geben die Fachleute der Arbeitsgruppe einen Rahmen, in dem sich die künftige Reform des Sorgerechts nach Trennung und Scheidung bewegen soll. „Ein bisschen mehr Reformwille hatten wir schon erwartet. Was vorgeschlagen wird, bewegt sich weitgehend in eingefahrenen Gleisen. Mehr Mediation hätte schon sein müssen. Endlich geht eine zehn Jahre alte ISUV-Forderung in Erfüllung: Gemeinsame elterliche Sorge für alle Kinder ab Geburt und Feststehen der Vaterschaft, unabhängig ob die Eltern verheiratet sind oder nicht. Es bleibt nun abzuwarten, wie und wann die Thesen in einem Gesetzentwurf umgesetzt werden“, stellt der ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwalt Klaus Zimmer fest.  

Wichtige Thesen und Anmerkungen des Verbandes:  

Ein gesetzliches Leitbild eines bestimmten Betreuungsmodells soll nicht eingeführt werden.

„Aus unserer Sicht ist ein Leitbild unabdingbar, man muss doch wissen, wo es langgeht. Soll weiterhin Alleinerziehen gefördert werden oder Getrennt aber gemeinsam erziehen“. Für uns ist weniger wichtig das Modell als vielmehr das Leitbild Trennungseltern, das heißt Eltern bleiben trotz Trennung und Scheidung. Das ist eine Leitplanke, an der sich Beratung, Jugendamt, Familienrecht und Familienpolitik halten müssen“, hebt ISUV Pressesprecher Josef Linsler hervor.   

Sonderregelungen für die Betreuungsform des Wechselmodells sind nicht erforderlich, die geltenden Regelungen sind aber dahingehend anzupassen, dass sie auch für eine geteilte Betreuung des Kindes bis hin zu einer hälftigen Betreuung passen.

„Das ist eine Ankündigung, bei der man abwarten muss, wie sie dann umgesetzt wird. Wir haben mit unserer Agenda schon entsprechende Aspekte angesprochen, die es zu regeln gilt“, stellt Klaus Zimmer fest.  

Die Eltern haben die Pflicht, sich bei Wahrnehmung der elterlichen Sorge vom Wohl des Kindes leiten zu lassen und sich bei Meinungsverschiedenheiten zu einigen; dies soll als Leitprinzip materiell-rechtlich verankert werden.

„Es fehlt eine klare Aussage zur Mediationspflicht von Eltern, wie sie in anderen Rechtsordnungen üblich ist. Das hat nichts mit „Zwang“ zu tun, sondern mit der Pflicht von Vater und Mutter gegenüber Wohlergehen der Kinder“, fordert Linsler.  

Die Berücksichtigung des Kindeswillens soll als Programmsatz an den Anfang gestellt werden.

„Wir begrüßen diese Forderung, sehen aber auch die Ambivalenz im Scheidungskonflikt: Kindeswille ist manipulierbar. Das ist gegenwärtig ein Kernproblem, das von vielen unserer Mitglieder immer wieder angeprangert wird. Auch das in diesem Zusammenhang vorgesehene Antragsrecht des Kindes ist kritisch zu sehen. In keinem Fall darf sich ein weiteres Streit- und Kostenfeld auftun“, merkt Pressesprecher Josef Linsler kritisch an.  

Mit Etablierung der rechtlichen Elternschaft soll die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zustehen. Die Inhaberschaft der elterlichen Sorge als Teil der elterlichen Verantwortung nach Artikel 6 Absatz 2 GG soll nicht mehr davon abhängen, ob die Eltern bei Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind oder nicht.

„Es ist prima, dass dies jetzt umgesetzt werden soll, obwohl es dazu erhebliche Bedenken gab. In jedem Fall verbessert das die Situation von Vätern und Kindern, die nicht in der Ehe geboren wurden“, stellt Linsler fest.  

Im Übrigen sind die jeweils angegebenen Abstimmungsergebnisse zu den Thesen in der „Expertengruppe“ sehr aufschlussreich. Sobald es um Wechselmodell, Mediation, Leitbild, mehr kooperative Praxis geht, steht offensichtlich eine Expertin – oder ist es Experte? – den anderen Expertinnen und Experten alleine gegenüber. „Ein bisschen mehr Pluralismus und Offenheit darf man schon erwarten, gerade bei einem derart emotionalen Thema.“ (Linsler)

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