Anhebung des Selbstbehalts: Mangelfälle – Existenzängste in Trennungsfamilien

Veränderungen des Kindesunterhalts im Rahmen der Düsseldorfer Tabelle(DTB)  ließen sich in den vergangenen Jahren vielfach ohne juristisches Gezerre und Gezeter regeln. Oft waren beide Seiten gesprächsbereit, weil die Veränderungen überschaubar  – und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stabil waren. Diesmal ist das grundlegend anders: Kostenexplosion in allen existentiellen Lebensbereichen, überdimensionale Anhebung des Unterhalts, Anhebung des Selbstbehalts nach drei Jahren von 1160 auf 1370 EURO. Sehr viele Trennungsfamilien haben Existenzangst, zurecht. In den untersten Einkommensgruppen gibt es immer mehr Mangelfälle, insbesondere wenn mehrere Kinder Anspruch auf Unterhalt haben. Die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich rät daher: „Es hat wenig Sinn Unterhalt einzuklagen, wenn das zur Verfügung stehende Einkommen zu gering ist, um den Mindestunterhalt aufzubringen. Vielmehr sollten sich Trennungseltern absprechen und Bürgergeld, Wohngeld, Unterhaltsvorschuss beantragen.“

Zunahme von Mangelfällen – illusorische Forderungen der DTB

Von der Anhebung des notwendigen Eigenbedarfs – Selbstbehalts - profitieren die unteren Einkommensgruppen. Beim Unterhaltspflichtigen wird der Selbstbehalt also 1370 EURO vom unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen abgezogen, die verbleibende „Verteilungsmasse“ wird dann auf die Unterhaltsberechtigten verteilt. Ein Einkommenspflichtiger mit einem Nettoeinkommen von 2050 EURO hat für 2 Kinder im Alter von 3 und 7 Jahren Unterhalt zu zahlen. Bisher hat sein Einkommen für den Kindesunterhalt – 675 EURO – gereicht. Mit der Anhebung des Selbstbehalts wird er zum Mangelfall: Es fehlen 57 EURO. „In der niedrigsten Einkommensgruppe – also bis 1900 EURO - reicht das zur Verteilung stehende Einkommen für ein Kind. Bei zwei Kindern sind Mangelfälle die Regel. Die Düsseldorfer Tabelle erhebt den Anspruch für zwei Kinder zu gelten, dies erweist sich in der Praxis immer häufiger als Illusion – und führt zu Konflikten in Trennungsfamilien“, stellt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler fest.

Höherer Selbstbehalt – einfach weniger zahlen?

„Der erste Schritt ist an den/die Unterhaltsberechtigten heranzutreten – schriftlich - und die Abänderung gemäß der ab 1.1.2023 gültigen Düsseldorfer Tabelle zu verlangen“, stellt Simon Heinzel, Fachanwalt für Familienrecht fest. Unterhaltspflichtige wollen meist sofort einfach kürzen. „Wenn keine Jugendamtsurkunde, kein Urteil, kein gerichtlicher Vergleich vorliegt, ist dies grundsätzlich möglich. Zu empfehlen ist jedoch die Mangelfallberechnung vorzulegen und auf den zukünftigen Zahlbetrag hinweisen“, rät Heinzel. Für seine Mitglieder führt der ISUV eine entsprechende Mangelfallberechnung durch.

Unterhaltsberechtigte – gleich klagen?

Heinzel rät: „Der Unterhaltsberechtigte sollte selbst eine Unterhaltsüberprüfung vornehmen und das Abänderungsbegehren prüfen. Wenn er zum gleichen Ergebnis kommt, sollte der neue Betrag akzeptiert werden. Wenn kein Unterhaltstitel vorliegt, kann gekürzt werden, das ist dann unproblematisch. Liegt ein Unterhaltstitel vor, bedarf es der schriftlichen Erklärung des Unterhaltsberechtigten, dass aufgrund der neuen Mangelfallberechnung der  
titulierte Unterhaltsbetrag nicht geschuldet wird.

Kindesunterhalt auf Grund Jugendamtsurkunde - Abänderungsklage

Immer öfter wird der Kindesunterhalt beim und vom Jugendamt mittels Urkunde geregelt. Wird nicht gezahlt, dann kann sehr schnell der Gerichtsvollzieher kommen und pfänden. Dies gilt es unbedingt zu vermeiden.

Auch in diesem Fall rät ISUV zu einem abgestuften Verhalten. Zuerst den Unterhaltsberechtigten außergerichtlich auffordern, das Abänderungsbegehren zu akzeptieren und eine entsprechende schriftliche Erklärung abzugeben. In diesem Zusammenhang rät Heinzel: „Rein vorsorglich höhere titulierte Beträge, die bezahlt werden als sogenanntes „unterhaltsersetzendes Darlehen“ anzubieten, damit bei evtl. späterer gerichtlicher Auseinandersetzung Rückforderungsmöglichkeiten von zu viel gezahltem Unterhalt erhalten bleiben.“

Wird das außergerichtliche Abänderungsbegehren nicht akzeptiert, bleibt schließlich nur der gerichtliche Weg, einreichen einer Abänderungsklage der Jugendamtsurkunde. „Manchmal schrecken Betroffene vor dem Klageweg zurück und lassen sich auf einvernehmliche Regelung ein wegen des Anwaltszwangs, der für eine gerichtliche Abänderungsklage gilt“, hat Pressesprecher Linsler festgestellt.