Antwort: Call for Inputs – Custody cases, violence against women and violence against children
Wir begrüßen es, dass die Vereinten Nationen dieses für Kinder, aber auch für Eltern im Rahmen von Trennung und Scheidung wichtige Thema aufgreifen, international thematisieren und hoffentlich internationale Standards zum Wohle der Kinder nach Trennung der Eltern setzen. Wir haben uns auf vielfachen Impuls von Mitgliedern schon vor 25 Jahren mit „Parential Alienation Syndrom“ (PAS) befasst und 2002 den Band „Das elterliche Entfremdungssyndrom“ herausgegeben.
ISUV - Interessenverband Unterhalt und Familienrecht
Wir - ISUV e.V. - sind der größte Verband in Deutschland, der sich mit den Problemen von getrenntlebenden Eltern befasst. Der Verband wurde 1976 im Zuge der damaligen Trennungs und Scheidungsreform gegründet. Wir haben 5000 Mitglieder, davon 43% Frauen, 57% Männer. Dies hat zur Folge, dass wir nur unter Eltern- und nicht unter Gendergesichtspunkten informieren und beraten. Unser Ziel ist es den Kindern auch nach Trennung und Scheidung beide Elternteile, also Vater und Mutter zu erhalten. Wir streben nach Trennung und Scheidung den Erhalt familialer Beziehungen an, also Trennungsfamilie, Trennungseltern.
Wie sind wir bei PAS involviert? Wir beraten und coachen Mitglieder im Sinne des Kindeswohls unter der Maxime Kinder brauchen Vater und Mutter trotz und gerade wegen Trennung und Scheidung. Grundsätzlich versuchen wir beide Elternteile für ein gemeinsames Coaching zu gewinnen. Dies gelingt auch in 76% der Fälle. Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Eltern trotz aller gegenseitiger Ablehnung zu vermitteln, dass die Kinder in der Regel beide Elternteile lieben.
Im Durchschnitt führen wir jährlich 500 - 600 Coachings durch. Dabei hat sich in den letzten 30 Jahren herausgestellt: Wer Entfremdung verhindern will, muss beiden Elternteilen gegenseitige Bindungstoleranz vermitteln. Das wird nach unseren Erfahrungen dann erreicht, wenn sofort nach der Trennung ein Umgangsplan erarbeitet wird, in dessen Rahmen dann auch den Kindern die Trennung mitgeteilt wird. Kinder dürfen nicht in die Situation versetzt werden, sich zwischen einem Elternteil entscheiden zu müssen.
Schwierig wird die Durchsetzung gemeinsamer Elternschaft immer dann, wenn Elternteile von Rechtsanwälten vertreten werden, also nicht mehr miteinander sprechen, sondern nur noch über Anwälte. Elterliche Sorge und Umgang sind nur ein Teilaspekt der Interessenvertretung durch den Anwalt, der für seinen Mandanten oder seine Mandantin möglichst viele Vorteile – finanziell und ideell – erreichen möchte.
Bei unserer jahrzehntelangen Erfahrung im ISUV-Coaching hat sich gezeigt, dass der direkte Gesprächsfaden zwischen den Eltern nicht abreißen darf. Kein Partner darf sich hinter dem Rechtsanwalt oder der Rechtsanwältin verstecken können. Die Aussprache zwischen den Eltern, die Reflexion über die vergangene Ehezeit beziehungsweise Partnerschaft, die Frage von Schuld für das Scheitern der Beziehung, Vorwürfe zu den Fehlern jedes Partners, der Partnerin, auch Gewaltvorwürfe, Ohnmacht in der Beziehung, das sind wichtige Fragen, die beim ISUV-Coaching angesprochen werden. Diese Fragen werden jedoch beim juristischen Verfahren nicht oder kaum berücksichtigt. Sie stehen dennoch weiterhin konfrontativ unvermittelt im Raum, schweben gleichsam über dem Scheidungsverfahren – und belasten auch die Kinder.
1. Arten häuslicher Gewalt
Häusliche Gewalt spielt nach unseren langjährigen Erfahrungen bei Trennung und Scheidung eine weniger große Rolle als dies durch Medien vermittelt wird. Dabei ist zu unterscheiden zwischen psychischer Gewalt und physischer Gewalt, wobei letztere selten ist. Vielmehr setzen sich im Verlauf einer Beziehung auf Grund gegenseitiger Frustration Verhaltensmuster fest, die als „Gewalt“ erlebt werden. Betroffene bezeichnen diese Verhaltensstereotype als „demütigend“, „gefühllos“, „respektlos“, „bevormundend“, „autoritär“, … Auf Grund von derartigem Verhalten entstehen ständige Aggressionen, die schließlich zur Trennung führen.
Zu beobachten ist, dass diese Aggressionen vielfach nicht offen ausgetragen werden. Viele Paare halten bis zur Trennung die Aggressionen vor den Kindern geheim. Andere Paare tragen die Konflikte lautstark und sich gegenseitig beleidigend vor den Kindern aus. Dabei entwickeln die Kinder meist Sympathien für einen Elternteil, was bei der Trennung wichtig werden kann, wenn dann diese Sympathien vom Elternteil noch verstärkt werden.
Was physische Gewalt zwischen den Eheleuten anbelangt, gibt es dafür mehrere Auslöser. Wenn beispielsweise einer der Partner rhetorisch überlegen ist, fühlt sich der andere „unterdrückt“ und in die „Ecke gedrängt“ und reagiert mit Gewalt: „schubsen“, „stoßen“, „schlagen“, werfen mit Gegenständen. Weitere Ursachen von offenen und verdeckten Aggressionen sind Verschwendung, Alkoholmissbrauch und unerfüllte Sexualität.
Auf Grund unserer dreißigjährigen tausendfachen Coaching-Erfahrung stellen wir über die Jahre immer wieder fest, dass Gewaltanwendung - in welcher Form auch immer - keine Frage des Geschlechts, sondern der individuellen Disposition und der Erfahrungen im Elternhaus ist.
Kinder sind gar nicht so selten eine Ursache für Konflikte. Dringt ein Elternteil auf strikte und strenge Einhaltung von Regeln, während der andere nicht oder wenig darauf achtet, so ist dies Anlass zu permanentem Streit. Auseinandersetzungen gibt es oft wegen der Nutzung der Medien. Gewalt gegen die Kinder selbst besteht manchmal darin, die Kinder zu beleidigen, zu demütigen, indem ein Elternteil manchmal ausschließlich die Schwächen dem Kind verständnis- und empathielos vorhält. Bei der Trennung sehen die Kinder eine „Chance“, sich dieses Elternteils zu „entledigen“.
Physische Gewalt – einsperren, schlagen – spielt immer weniger eine Rolle. Wird der Vorwurf physischer Gewalt vorgetragen, so reagieren Jugendamt und Gerichte. Auf die Jahre betrachtet hat physische Gewalt gegenüber Kindern sehr stark abgenommen hat. Wenn sie stattfindet, betrifft sie nahezu ausschließlich Jungen, so gut wie keine Mädchen. Wird der Verdacht von sexuellem Missbrauch geäußert, so verweisen wir auf Beratungsstellen und Jugendamt.
2. Ursache für Vorwürfe zunehmender Entfremdung bei Sorgerechtsstreitigkeiten
Väter ( 85 %) sind von Entfremdung im Rahmen der Scheidung erheblich mehr betroffen als Mütter (15 %). Jahr für Jahr zeigt sich, dass nicht verheiratete Väter sehr oft von Entfremdung betroffen sind.
Ob die PAS-Vorwürfe im Zusammenhang von Trennung der Eltern zugenommen haben, kann nicht eindeutig beantwortet werden. Fakt ist, dass Fälle von Entfremdung in den Medien, insbesondere auch in der Boulevardpresse häufiger aufgegriffen und sensationell ausgeschlachtet werden. In den sozialen Medien können Betroffene selbst „Ihren“ Fall auf die öffentliche Agenda bringen und ihn dort auf der Agenda halten.
Des weitern haben sich Mütter- und Väterorganisationen, teils radikale Kleinstgrüppchen, gebildet, deren zentrales Thema Entfremdung ist. Die Mütterorganisationen vertuschen oder leugnen Entfremdung, während die Vätervereine vom Staat verlangen gegen Entfremdung vorzugehen, ja Entfremdung zu bestrafen.
In Deutschland werden die Mütterorganisationen vom Familienministerium massiv gefördert, während Väterverbände keine Unterstützung seitens des Staates erhalten. Daher können Mütterorganisationen ihre Standpunkte weit professioneller darstellen als Väter. Die Darstellung der Positionen hat an Schärfe zugenommen, weil von beiden Seiten die Elternebene mit der Genderebene – sprich Mann-Frau-Ebene - vermengt wird.
Die Instrumentalisierung von Kindern lohnt sich in Deutschland. Entfremdung hat zur Folge, dass auf Jahre gesichert weiterhin Kindesunterhalt gezahlt wird. Bei zwei Kindern im Alter zwischen 0 bis 5 Jahren stehen dem entfremdenden Elternteil 800 EURO plus 500 EURO Kindergeld monatlich zu. Der Betrag steigt ab 12 Jahren gar auf 1162 monatlich an. Während das Engagement der Jugendämter, Gerichte und Anwälte beim Eintreiben von Kindesunterhalt sehr engagiert ist, resigniert man bei Entfremdung. Der entfremdende Elternteil muss nur hartnäckig den Kontakt ablehnen und sich hinter seinem Anwalt verstecken.
Die Standardfloskel lautet: „Da kann man nichts machen, wenn das Kind nicht zum anderen Elternteil will.“ Die Hintergründe der Weigerung des Kindes werden, wenn überhaupt, dann nur sehr fragmentarisch zu analysieren versucht. Eine Veränderung der Situation stellen wir nur in Ausnahmefällen fest.
Hinter Entfremdung stehen, das stellen wir immer wieder fest, gleichzeitig auch Egoismen und Ängste. Ziel ist den anderen Elternteil aus dem eigenen Leben und dem der Kinder zu verdrängen. Ein weiter oft genanntes Motiv, die Angst, die Kinder können zum anderen Elternteil wechseln.
Eine Verbesserung der Situation sehen wir nur dann, wenn ein Bündel von Maßnahmen gleichzeitig ergriffen wird: Reform des Familienrechts, so dass Umgang – elterliche Sorge – Kindesunterhalt im Verbund verhandelt werden. Eine Trennung wird nicht mit Anwaltsschreiben, sondern mit Coaching der Eltern eingeleitet, wobei Coaching Pflicht ist für beide Elternteile. Trennung muss unter der emanzipatorischen Maximen stehen, beide Elternteile betreuen, beide bezahlen.
3. Unterschiedliches „Erleben“ von PAS
Unterschiedliches „Erleben“ von PAS auf Grund „überschneidender Elemente wie Alter, Geschlecht, Geschlecht, Rasse, ethnische Zugehörigkeit, legaler Wohnsitz, religiöse oder politische Überzeugung“.
Nach unseren Erfahrungen spielen diese Aspekte keine Rolle, Kinder der Unter-, Mittel- und Oberschicht, Mädchen und Jungen, Kinder ob Islamisch oder Katholisch werden entfremdet. Entscheidend ist die jeweilige individuelle Disposition auf Grund von Erfahrungen, Charakter, Psyche und existentiellen Ängsten. Der Prozess der Entfremdung verläuft immer nach einem Schema, an dessen Anfang Umgangsabsagen, Verbot von Telefonaten stehen. In einem ein- bis zweijährigen Prozess werden Kinder manipuliert, bis sie schließlich den anderen Elternteil ablehnen – allein um Ruhe zu haben. Dabei spielen Erfahrungen des Kindes während der Partnerschaft sowie sein Alter eine Rolle, ob der Prozess der Entfremdung „gelingt“.
Rolle von Fachleuten
Primär sind Familiengericht und Jugendamt bei Sorge- und Umgangsrechtsverfahren zuständig. In den letzten Jahren werden von Familiengerichten, wenn der Umgang nicht einvernehmlich geregelt werden kann, immer Verfahrensbeistände – „Anwalt des Kindes“ – hinzugezogen. Bei hochstreitigen Verfahren wird vom Gericht ein Gutachter*in bestellt.
Nicht selten wirken diese „Experten“ konfliktverschärfend. Dies liegt einerseits daran, dass das Verfahren der Begutachtung intransparent ist und andererseits an der mangelnden Kompetenz der Experten.
Wir stellen fest, dass nur in wenigen Fällen die „Experten“ den Elternteil, der das Kind entfremden möchte, davon abhalten kann. Nach unserer Erfahrung müssten Gutachter*innen ausschließlich lösungsorientiert arbeiten, d.h. den Gesprächsfaden zwischen den Eltern knüpfen, mediativ aufarbeitend wirken – und klar benennen, wer sich gelebter gemeinsamer Elternschaft verschließt.
Als Verband erleben wir, wenn Eltern sich für gemeinsames Coaching bereit erklären, wird immer Entfremdung verhindert. Andererseits ist es immer ein Signal, wenn ein Elternteil Coaching verweigert, nicht mit dem anderen Elternteil sprechen will und auf den Anwalt verweist.
5. „Missachtung der Vorgeschichte von häuslicher Gewalt, Missbrauch und Gewalt in der Partnerschaft“
Davon kann nicht die Rede sein, vielmehr wird jedem Gewaltvorwurf nachgegangen. Allerdings muss er, wie in einem Rechtsstaat üblich, nachweisbar sein. Es gehört leider zum „Standartrepertoire“ entfremdender Elternteile, dem anderen Gewalt zu unterstellen.
In den meisten Fällen stellt sich der Vorwurf als unbegründet heraus. Diese gezielten Beschuldigungen haben keine strafrechtlichen Folgen, obwohl es sich schließlich um Verleumdungen handelt. Sie stehen aber weiterhin in den Akten.
6. „Daten zur Gerichtspraxis in Sorgerechtsfällen“
Es gibt dazu keine Daten, obwohl wir das mehrfach angemahnt haben. Wir vermuten, wenn man die Gerichtspraxis systematisch statistisch aufarbeitet, würde ein familienrechtlicher Reformdruck sichtbar. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Sorgerechts-, Umgangsverfahren und sich daraus ergebenden PAS-Fällen.
7. „Berücksichtigung von häuslicher und familiärer Gewalt"
„Berücksichtigung von häuslicher und familiärer Gewalt, einschließlich Gewalt gegen Frauen durch Partner und Kindesmissbrauch bei der Bestimmung des Sorgerechts für Kinder“.
Grundsätzlich greifen Familiengerichte, Jugendämter häusliche Gewalt auf, wenn sie im Verfahren vorgetragen wird. Gerade was Gewalt gegen Kinder anbelangt, ist man durch Medien, aber auch in der Politik sensibilisiert. Der Kinderschutz besteht aus einem großen Netzwerk von Verbänden – am bedeutendsten der „Kinderschutzbund“ - und regionalen Gruppen.
Gewalt gegen Frauen wird von allen Parteien oft thematisiert. Es gibt ein „Gewaltschutzgesetz“ , das spezifisch auf Kinder und Frauen ausgerichtet ist. In nahezu jedem Landkreis gibt es „Runde Tische“ zum Thema „häusliche Gewalt“. Überall in Städten gibt es Frauenhäuser, wo Frauen im Falle von häuslicher Gewalt unterkommen. Derartige Einrichtungen gibt es für Männer nicht. Grundsätzlich wird Gewalt gegen Männer in Familien bei Gerichten, Jugendämtern, aber auch von der Polizei beschwichtigend abgetan. Im Übrigen siehe hierzu auch die Ausführungen unter 5.
8. „Empfehlungen zur Verhinderung unzureichender Berücksichtigung“
„Empfehlungen zur Verhinderung unzureichender Berücksichtigung … von häuslicher Gewalt und Missbrauch … in Sorgerechtsfällen“.
Von „unzureichender Berücksichtigung häuslicher Gewalt“ kann nach unseren langjährigen Erfahrungen in Deutschland nicht die Rede sein. Gewaltvorwürfen wird grundsätzlich juristisch nachgegangen. Was verbessert werden sollte, ist die Kooperation und Kommunikation zwischen den Experten, insbesondere die zwischen Juristen und Sozialpsychologen. Gerade in Bezug auf Entfremdung in Sorgerechtsverfahren besteht oft Hilflosigkeit auf Grund mangelnder Fachkenntnisse, die ständig in fachübergreifenden Fortbildungen nachgeholt, ergänzt und aktualisiert werden sollten.
9. Andere relevante Aspekte
Es fällt uns auf, dass die Sonderberichterstatterin immer nur auf „Frauen und Kinder“ verweist. Im Zusammenhang mit Entfremdung ist die Eltern- und nicht die Genderebene wichtig. Nach unserer Erfahrung entfremden nämlich nicht Frauen und Männer, sondern Mütter oder Väter jeweils Kinder. Kindesentfremdung ist also keine Frage des Geschlechts, sondern des Charakters eines Menschen. Wir halten die Entfremdungsproblematik von Kindern im Zusammenhang von Trennung und Scheidung sowie deren Aufarbeitung weltweit für richtig und notwendig.
Nach unserer sehr langen Erfahrung mit PAS wissen wir, Kinder werden dann nicht entfremdet, wenn die Eltern im Rahmen von Coaching miteinander sprechen und Bindungstoleranz lernen.
ISUV – Kompetenz im Familienrecht seit über 45 Jahren
Der ISUV vertritt als größte deutsche und überparteiliche Solidargemeinschaft die Interessen von Bürgern, die von Trennung, Scheidung und den damit zusammenhängenden Fragen und Problemen - elterliche Sorge, gemeinsame Elternschaft trotz Trennung, Umgangsrecht, Kindesunterhalt, Unterhalt für ehemalige Ehegatten, Vermögensausgleich, Ausgleich der Rentenansprüche - betroffen sind.
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