Bedarfskontrollbetrag konsequent umsetzen: Mehr Gerechtigkeit für Unterhaltspflichtige
„Ich verdiene gut, ich kann mich nicht beklagen. Ich zahle für meine drei Kinder im Alter von 10, 14 und 15 Jahren 1466 € Unterhalt, obwohl die Kinder jedes zweite Wochenende und die Hälfte der Ferien bei mir sind. Mir bleibt weniger als der angemessene Selbstbehalt von 1750 €. Das reicht für mich und die Kinder nicht“, schreibt ISUV-Mitglied Michael K.
Nach den Erhöhungen der Unterhaltsbeträge in der Düsseldorfer Tabelle 2024 (DTB) in den letzten drei Jahren bleibt Unterhaltsschuldnern/Innen immer weniger vom Nettoverdienst für den eigenen Bedarf, oftmals nicht einmal die Hälfte ihres Nettoeinkommens. Das betrifft insbesondere Unterhaltspflichtige der Mittelschicht, die gut verdienen aber durch Trennung und Scheidung einen sozialen Absturz erleben, wenn für zwei und mehr Kinder Unterhalt oder auch noch Trennungsunterhalt zu zahlen ist. „Den Kindern steht ein angemessener Unterhalt zu. Aber auch Unterhaltspflichtigen muss genügend vom Netto verbleiben, damit sie einen angemessenen eigenen Lebensstandard erhalten können“, fordert die ISUV-Bundesvorsitzende Melanie Ulbrich.
Juristische Grundlagen
Nach dem Gesetz schulden Eltern ihren Kindern einen „angemessenen Unterhalt“. Die Höhe des Kindesunterhalts hängt danach von den elterlichen Einkünften ab. In der Praxis wird zur näheren Bestimmung der Höhe des geschuldeten Unterhalts schematisch auf die Düsseldorfer Tabelle zurückgegriffen. Das hat dazu geführt, dass man die Höhe des Unterhalts „automatisch“ aus der Düsseldorfer Tabelle abliest.
Dabei wird ausgeklammert und in Kauf genommen, dass dies zu ungerechter Aufteilung des Einkommens führt. Bei Anfragen und beim Coaching von Mitgliedern sieht ISUV, vielen Unterhaltspflichtigen bleibt zu wenig vom Nettoeinkommen. Wird dann noch Trennungsunterhalt fällig, verbleibt Unterhaltspflichtigen oft nicht einmal die Hälfte des Nettoeinkommens.
Verdient ein Unterhaltspflichtiger z.B. netto 4.000.- € monatlich und schuldet zwei Kindern im Alter von acht und zehn Jahren Unterhalt, so verbleiben ihm, wenn seine Expartnerin nicht selbst über ausreichende Einkünfte verfügt und Trennungsunterhalt anfällt, nur 1.560.- €, damit weniger als die Hälfte vom Netto. „In diesen Fällen hören wir öfter die Aussage, wenn ich nicht arbeite, habe ich fast genauso viel“, hebt Melanie Ulbrich hervor.
Ausweg aus Sackgasse
Dabei bietet die Düsseldorfer Tabelle selbst eine kleine Lösung. Die Düsseldorfer Tabelle enthält eine Spalte mit Bedarfskontrollbeträgen (BKB), die zu einer gerechten Verteilung der in der Trennungsfamilie vorhandenen Mittel führen. Die BKB sind in der Düsseldorfer Tabelle für jede Einkommensgruppe ausgewiesen, stehen jedem Schuldner zu, sollen gemäß Anmerkung Nr. 6 der DTB vom 1.1.2024 am Ende einer Unterhaltsberechnung für eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflichtigen und den Unterhaltsberechtigten sorgen. Die dort ausgewiesenen Beträge liegen bei ca. 50% des Nettoeinkommens Unterhaltspflichtiger.
In der Praxis werden die BKB bisher kaum beachtet. Dies mag daran liegen, dass DTB-Anmerkung Nr. 6 zu den BKB nur als Sollvorschrift formuliert ist. Die Düsseldorfer Tabelle selbst setzt für Unterhaltspflichtige lediglich einen statischen Betrag von 1.750.- € als „angemessener Selbstbehalt“ an. Dieser soll auch bei höheren Einkommensgruppen ausreichen.
Auswirkungen der Bedarfskontrollbeträge
Welche Auswirkungen ergäben sich konkret, wenn die BKB von den Gerichten konsequent umgesetzt werden würden? Übertragen auf das obige Beispiel, wo dem Schuldner von 4.000.- € netto bisher nur 1.560.- € verblieben, liegt der BKB bei 2.150.- €. Dem Schuldner stünden also fast 600.- € monatlich mehr zur Verfügung als heute üblich. Er würde sogar über etwas mehr als die Hälfte seiner Einkünfte verfügen.
Auch unter Gleichheitsaspekten sind die BKB wichtig. Wie erwähnt ist man sich einig, dass die Unterhaltsansprüche der Kinder dynamisch anwachsen, wenn die Einkünfte der Eltern sich erhöhen. Im Gegensatz dazu behandelt man Unterhaltspflichtige statisch, man billigt ihnen „höchstens“ den angemessenen Selbstbehalt zu. Der Schuldner soll 1.750.- € behalten dürfen, ganz gleich, ob er 2.000.- oder 4.000.- € monatlich verdient. Dies ist keine „angemessene“ und „verhältnismäßige“ Einkommensaufteilung.
ISUV-Forderung: Bedarfskontrollbeträge umsetzen
„Es ist Zeit, sich auf das Gesetz zu beziehen. Die Bedarfskontrollbeträge müssen zur notwendigen Entlastung von Unterhaltspflichtigen von den Gerichten in der täglichen Entscheidungspraxis angewandt werden“, fordert Ulbrich.
Die Grundanforderungen aus dem Gesetz – angemessene und verhältnismäßige Aufteilung des Einkommens zwischen Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigten - können mit Hilfe der BKB erfüllt werden. Werden diese, wie es sich aus der Düsseldorfer Tabelle selbst schon heute ergibt, künftig in der Rechtspraxis tatsächlich beachtet, erhalten nicht nur die Kinder den ihnen zustehenden angemessenen Kindesunterhalt, sondern auch Unterhaltspflichtigen verbleibt stets ca. die Hälfte ihres Nettoeinkommens.
„Diese Verteilung wäre spürbar gerechter. Gesetzesänderungen wären hierfür nicht erforderlich. Es müsste lediglich die Anmerkung Nr. 6 in der Düsseldorfer Tabelle neu als verbindlich formuliert werden“, stellt die ISUV-Vorsitzende klar.