Bundestagswahl – Themencheck: Familienrecht & Familienpolitik – Positionen der SPD im „Zukunftsprogramm für Deutschland“: „neues Kindergeld“ – „Kindergrundsicherung“ – „Modernisierung des Unterhaltsrechts“

Die SPD stellt die Umverteilung in den Mittelpunkt des Familienrechts und der Familienpolitik. Dies gilt für Kindesunterhalt, Steuern, Kindergeld.  Grundsätzlich wird versprochen: „Die SPD setzt sich für eine Modernisierung des Unterhaltsrechts ein.“ Warum diese „Modernisierung“ nicht erfolgte, obwohl die SPD acht Jahre das Familien- und Justizministerium innehatte, diese Frage stellen sich viele ISUV-Mitglieder und viele Betroffene in den Sozialen Netzwerken. „Die angesprochene Reform des Familienrechts, die von der Union angeblich blockiert wurde, war keine Reform, die diesen Namen verdient. Vielmehr hätte sich die Union einer Reform des Kindesunterhaltsrechts nicht verschlossen, wenn nur ein entsprechender Vorschlag vorgelegt worden wäre. Zurecht verweist die Partei auf eine akzeptable familienpolitische Bilanz“, kommentiert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler. „Wir prüfen, inwieweit Unterhaltsbedarf und Selbstbehalt verbindlich geregelt werden könnten“, stand im Koalitionsvertrag. Geregelt, d.h. erhöht, wurde nur der Unterhaltsbedarf. Daran will die SPD künftig auch nichts ändern. „Die Regelung des notwendigen Eigenbedarfs von Unterhaltspflichtigen ist eine grundlegende sozialpolitische Frage und muss daher vom Parlament nicht von Richtern entschieden werden“, fordert Linsler  

Reform des Familienrechts: Warum in den 8 Jahren, in denen die SPD beide Ministerien – Familien- und Justizministerium – innehatte, keine Initiative zu einer Reform des Familienrechts mit dem Leitziel „getrennt, aber gemeinsam erziehen“ initiiert wurde, obwohl Expertengruppen dies angemahnt haben?  

Eine Gesetzesinitiative für eine Reform des Familienrechts wurde 2020 vom SPD- geführten Justizministerium vorgestellt. Ziel war die Anpassung der derzeit äußerst  unbefriedigenden Rechtslage an die Lebensrealität vieler Familien im 21. Jahrhundert durch eine moderne Familienrechtsreform. Darin enthalten waren diverse Verbesserungen für getrennt erziehende Eltern, u.a. im Umgangs- und Unterhaltsrecht. Leider wurde dieses Gesetzesvorhaben von der CDU/CSU blockiert. Wir haben die Belange alleinerziehender Eltern jedoch weiterhin fest im Blick und hoffen, dass nach der Wahl wieder moderne Familienpolitik mit progressiven Mehrheiten möglich ist.

Dennoch können wir auch in dieser Legislaturperiode selbstbewusst auf unsere  familienpolitische Bilanz verweisen: So haben das Gute-KiTa- und das Starke- Familien-Gesetz maßgeblich zur Verbesserung der Position von Allein- und Getrennterziehenden in unserem Land beigetragen. Allein- und Getrennterziehende profitieren aber auch unmittelbar vom Ausbau des Kinderzuschlags oder der Ausweitung des Anspruchs auf Kinderkrankentage.  

Reform des Kindesunterhaltsrechts: Warum haben von SPD geführte Familienministerium und Justizministerium in acht Jahren keine Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, um das Kindesunterhaltsrecht den sozialen Verhältnissen anzupassen?  

Wir Sozialdemokrat:innen stimmen Ihnen zu: Die heutige Rechtslage passt nicht mehr  zu der Lebensrealität vieler Familien im 21. Jahrhundert. Deshalb hat das SPD-geführte Justizministerium 2020 einen Referentenentwurf für eine moderne Familienrechtsreform veröffentlicht. Leider    wurde dieses Gesetzesvorhaben von der Union blockiert. Wir hoffen deshalb auf die Möglichkeit zu moderner Familienpolitik nach der Wahl und haben die Belange allein- und getrennterziehender Eltern dabei weiterhin fest im Blick. Wir wollen das Unterhaltsrecht insgesamt modernisieren.  

Unterstützung von Trennungseltern: Warum ist im SPD-Programm an keiner Stelle von Trennungseltern die Rede, warum werden sie nicht ebenso  unterstützt wie Alleinerziehende?  

Familie ist für uns dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Entsprechend haben wir immer auch die Belange von Trennungsfamilien im Blick. Um Familien zu unterstützen, setzen wir auf einen Dreiklang aus Zeit, Infrastruktur und Geld. Von unserer sozialdemokratischen Kindergrundsicherung und dem Vier- Säulen-Modell für mehr Familienzeit profitieren alle Familien. Mit letzterem setzen wir uns unter anderem für mehr Partnerschaftlichkeit in der Betreuung von Kindern ein.  

Kindergrundsicherung: Die SPD möchte wie GRÜNE und LINKE eine Kindergrundsicherung einführen. Von 614 EURO monatlich ist die Rede, die die Eltern pro Kind erhalten sollen. Wie kommt man auf diesen Betrag, woraus setzt er sich zusammen?  

Die sozialdemokratische Kindergrundsicherung sieht vor, dass alle Familien einen Basisbetrag von circa 250 Euro pro Kind und Monat erhalten. Abhängig vom Einkommen der Familien wächst dieser Beitrag an. Die Höchstbeträge für Familien mit geringen Einkommen müssen für die Kinder existenzsichernd sein und ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Das  derzeitige Verfahren zur Ermittlung des Existenzminimums von Kindern und damit auch zur Festlegung der Kinderleistungen im Rahmen des Arbeitslosengeld II ist seit langem umstritten, weil es das Ausgabeverhalten von Familien in den untersten Einkommensbereichen zum Maßstab macht und insbesondere die Bildungs- und Teilhabebedarfe von Kindern nicht hinreichend abbildet. Der Höchstbetrag in unserem neuen Kindergeld wird sich daher an den Ausgaben von Familien mit mittleren Einkommen für Bildung und Teilhabe orientieren und mindestens doppelt so hoch sein wie der Basisbetrag. Das neue Kindergeld ersetzt dabei den Kinderfreibetrag und bündelt bisherige Leistungen.  

Kindergrundsicherung – Auswirkung auf Kindesunterhalt: Die Höhe der Kindergrundsicherung soll sich an die Einkommen der gesellschaftlichen Mitte ausrichten. Was bedeutet das für unterhaltspflichtige Mütter und Väter, wird der Kindesunterhalt angehoben?  

Langfristig streben wir eine Harmonisierung des Sozial-, Unterhalts- und Steuersystems an. Wir wollen das Unterhaltsrecht insgesamt modernisieren.  

Eigeninitiative der Eltern fördern: Ist das nicht ein falscher sozialer Ansatz, statt die Eigeninitiative der Eltern zu fördern, sie mit hohen Geldzahlungen zufriedenzustellen? Können Eltern, die von staatlichen Leistungen leben, Vorbilder für Kinder  sein?  

Die sozialdemokratische Kindergrundsicherung ist zentrales Element eines modernen, begleitenden Sozialstaats, der Menschen nicht nur versorgt, sondern vor allem befähigt. Wir machen Politik aus der Perspektive der Kinder, ohne dabei aber  zu vergessen, dass sie immer auch Teil ihrer Familie sind und wir diese nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Mit unserer Kindergrundsicherung wollen wir den tatsächlichen Bedarf von Kindern und Jugendlichen absichern. Das „neue Kindergeld“ soll insbesondere Familien unterstützen, die auch mehr Unterstützung brauchen. Gleichzeitig wollen wir Familien in der gesellschaftlichen Mitte stärken. Arbeit muss sich immer lohnen, deshalb wollen wir das neue Kindergeld langsam vom Höchst- auf den Basisbetrag absenken, wenn Eltern mehr Einkommen erwirtschaften, als sie für ihren eigenen Lebensunterhalt benötigen. Für 100 Euro, die Eltern zusätzlich mehr verdienen, soll sich der Auszahlungsbetrag des neuen Kindergeldes nur um 35 Euro verringern.  

Angemessene Wohnung für Unterhaltspflichtige: Die Wohnkostenpauschale im Selbstbehalt - 430 EURO - geht an der  sozialen Wirklichkeit vorbei. Warum wurde der Selbstbehalt - wie im Koalitionsvertrag angekündigt - nicht  entsprechend angehoben, so dass Trennungseltern Kinder angemessen betreuen können?  

Die SPD setzt sich für eine Modernisierung des Unterhaltsrechts ein - wo Väter benachteiligt werden, muss das überwunden werden. Den Selbstbehalt beim Kindesunterhalt regelt die Düsseldorfer Tabelle. Diese gibt Auskunft darüber, wie hoch der Unterhalt für Kinder nach einer Scheidung oder Trennung ausfällt, wenn die Kinder dann nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt leben. Zwar stellt sie lediglich eine Empfehlung dar, um die Berechnung des Kindesunterhalts zu vereinfachen. Sie wird allerdings regelmäßig bei Unterhaltsfällen bei Gericht angewendet.

Die Düsseldorfer Tabelle wird im Rahmen von Koordinierungsgesprächen zwischen Richtern von Familiensenaten verschiedener Oberlandesgerichte unter Beteiligung der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstags e.V. erarbeitet und wird unter Berücksichtigung  aktueller Entwicklungen regelmäßig angepasst. Wir setzen uns dafür ein, dass diese Empfehlungen kontinuierlich der Lebensrealität entsprechen und somit die Betreuung der Kinder gesichert ist.

Besteuerung von unterhaltspflichtigen Müttern und Vätern: Will die SPD das Steuerrecht für Trennungseltern gerechter gestalten oder sollen unterhaltspflichtige Väter und Mütter weiterhin wie Menschen ohne Kinder nach Steuerklasse I besteuert werden?   

Unterhaltspflichtige Eltern dürfen gegenüber Kinderlosen nicht schlechter gestellt werden. Dies wird allerdings nicht durch die Steuerklasse, sondern durch den Familienleistungsausgleich sichergestellt. In   diesem Familienleistungsausgleich werden die Unterhaltspflichten gegenüber Kindern unabhängig vom Familienstand berücksichtigt. Trennungseltern steht deshalb der hälftige Kinderfreitag zu. Außerdem kann der unterhaltspflichtige Elternteil seine Unterhaltsleistungen um  das hälftige Kindergeld kürzen. 

Der geltende Familienleistungsausgleich begünstigt allerdings am stärksten Eltern mit hohen Einkommen. Das hat zur Folge, dass die Unterstützung oft dort nicht ankommt, wo sie besonders gebraucht wird. Wir wollen deshalb ein neues existenzsicherndes, automatisch ausgezahltes Kindergeld einführen. Dieses Kindergeld soll nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt sein – je höher der Unterstützungsbedarf, desto höher das Kindergeld. Das neue Kindergeld soll den Kinderfreibetrag ersetzen.