Bundestagswahl – Themencheck: Familienrecht & Familienpolitik – Positionen DIE LINKE: „armutsfeste Kindergrundsicherung“ –– „Sofortmaßnahme erhöhtes Kindergeld“ – Kindesunterhalt und Unterhaltsvorschuss wie gehabt

Was DIE Linke verspricht, muss „getrenntlebenden Eltern im Hartz-IV-Bezug“ wie Weihnachten vorkommen. An der Struktur „Unterhaltsverpflichtungen wie auch am Unterhaltsvorschuss“ möchte die Partei nichts ändern, allerdings wird der Unterhalt wie bisher immer entsprechend angehoben. DIE LINKE sorgt sich primär um „getrenntlebende Eltern im Hartz-IV-Bezug“, hier sieht die Partei offensichtlich viele Wähler. – In Sachen gemeinsame elterliche Betreuung kommt die Partei sehr konservativ hausbacken daher. Der Status quo soll nicht geändert werden. Gängige Rechtsprechung ist: Wenn ein Elternteil nicht kommuniziert, kann es kein Wechselmodell geben. Das rechtfertigt die Partei so: „Die Interessen der Eltern dürfen nicht zu Lasten der Kinder verlaufen.“ – „Übertragen auf die raue Realität von Trennung und Scheidung heißt das, wenn der sich jeglicher Kommunikation verweigernde Elternteil schließlich das Kind zugesprochen bekommt, dann geht das nicht zu Lasten des Kindes, sondern der Elternteil mit mangelnder Bindungstoleranz vertritt die Interessen des Kindes. Diese vertrackte Dialektik mag verstehen wer will, wir als Praktiker jedoch nicht“, stellt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler fest. ISUV begrüßt die Forderung der Partei, einen „Rechtsanspruch auf Mediation“ einzuführen, „um möglichst viele Trennungen bereits im Vorfeld von familiengerichtlichen Entscheidungen zu einer guten Einigung zu verhelfen.“ – „Das ist eine wichtige, richtige und zentrale Forderung von ISUV, um hochstreitige Scheidungen, um den Kampf ums Kind zu vermeiden.“ (Linsler)  

Fragen - Antwort

Zentrale politische Forderung der Partei ist die Kindergrundsicherung. Wie hoch soll nach den Vorstellungen der Partei der Betrag sein, der den Eltern beziehungsweise nach Trennung und Scheidung einem Elternteil jedes Kindes zusteht?  

DIE LINKE setzt sich seit Jahren für eine Kindergrundsicherung ein, um Kinderarmut zu überwinden. Dafür sollen die bestehenden kindbezogenen Leistungen zusammengelegt werden. Unterhaltsverpflichtungen wie auch Unterhaltsvorschuss bleiben unangetastet. Bei getrenntlebenden Eltern im Hartz-IV-Bezug sollen beiden Elternteilen Unterkunftskosten für das Kind erhalten. Der Elternteil im SGB-II-Leistungsbezug, bei dem sich das Kind vorwiegend aufhält, soll den vollen Regelsatz für das Kind erhalten und dem anderen Elternteil im SGB-II-Leistungsbezug steht ein pauschaler Umgangsmehrbedarf in Höhe des hälftigen Regelbedarfs zu. Entsprechend wollen wir als LINKE in der Kindergrundsicherung verfahren.  

Welche Auswirkungen hat die Einführung einer Kindergrundsicherung für Unterhaltspflichtige, wird sich der Unterhalt erhöhen?  

Kinderarmut ist immer Einkommensarmut der Eltern. Eine gute soziale Infrastruktur, gute Löhne und soziale Garantien sind wichtige Bestandteile im Kampf gegen Kinderarmut. Dazu kommen eine starke Kinder- und Jugendhilfe und eine armutsfeste Kindergrundsicherung. Gemeinsam mit Sozialverbänden, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Akteuren fordern wir eine eigenständige Kindergrundsicherung. Sie muss leicht verständlich, transparent und gerecht sein. Bei der Ausgestaltung orientieren wir uns am Modell des Bündnisses Kindergrundsicherung. Die Höhe fällt abgestuft aus. Beginnend bei 630 Euro für die ärmsten Kinder wird sie je nach Einkommenssituation bis auf 328 Euro abgeschmolzen. Das entspricht dem erhöhten Kindergeld, das wir für alle Kinder als Sofortmaßnahme fordern. Es wird einkommensunabhängig an alle Familien monatlich gezahlt. Die Kindergrundsicherung gilt für alle Kinder und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und für junge Volljährige bis zur Vollendung ihrer ersten Schulausbildung (inkl. Abitur). Mit unserer Kindergrundsicherung ersetzen wir die bestehenden bürokratischen, restriktiven und intransparenten sozialen Sicherungssysteme für Kinder einkommensarmer Familien.  

Der Selbstbehalt für Unterhaltspflichtige beträgt 1160 EURO, das muss reichen für Miete, Wohnkosten, Nahrung, Kleidung und für Umgang mit den Kindern. In der Regel reicht das nicht. Wie hoch sollte der Selbstbehalt sein, den DIE LINKE für angemessen hält?  

Der Selbstbehalt wurde zuletzt 2020 auf 1160 Euro angehoben, dies gilt beim Mindestunterhalt, wenn mehr als der Mindestunterhalt gezahlt wird, steigt auch der Selbstbehalt. Zum Beispiel in der zweiten Unterhaltsstufe beträgt dieser schon 1400 Euro. DIE LINKE. fordert eine bedingungslose Mindestsicherung von derzeit 1200 Euro. Der Selbstbehalt muss dementsprechend angepasst werden. Sollte die Mindestsicherung in Zukunft erhöht werden, muss sich das auch auf den Selbstbehalt auswirken.  

Wir setzen uns für gelebte gemeinsame Elternschaft nach Trennung und Scheidung ein. Dies sollte Leitgedanke einer Reform des Scheidungsrechts sein. Davon ist im Wahlprogramm der Partei DIE LINKE nicht die Rede. Vielmehr favorisiert die Partei "Alleinerziehen". Brauchen Kinder nicht Mutter und Vater?  

Bei der Kindeserziehung muss immer das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen. Daher unterstützt DIE LINKE. jede Familienform, egal ob zum Beispiel Paar-Familien, Alleinerziehende oder Regenbogenfamilien. Jede Trennung oder Scheidung ist ein individueller Einzelfall und muss dementsprechend behandelt werden. Kinder sollten idealerweise zu beiden Elternteilen Kontakt haben, sollte dies aber dem Kindeswohl entgegenlaufen zum Beispiel auf Grund von Gewalt in der Familie, muss das Kind geschützt werden.  

Das Wechselmodell kann auch gegen den Willen eines Elternteils vom Familiengericht angeordnet werden. Warum möchte die Partei DIE LINKE das verbieten?  

Wir, DIE LINKE., begrüßen es, wenn getrennte Eltern weiterhin für ihre Kinder Verantwortung übernehmen. Dabei muss aber das Kindeswohl immer im Mittelpunkt stehen, daher sehen wir es kritisch einen Umgang zwischen Elternteil und Kind zu erzwingen, da dieses auf Dauer dem Kindeswohl nicht förderlich sein wird. Wenn ein Elternteil keinerlei Interesse zeigt, den Kontakt zu seinem Kind aufrecht zu erhalten, so wird sich dieses auch in einem erzwungenen Umgang niederschlagen. Das, von Ihnen genannte, Wechselmodell kann für viele Familien nach einer Trennung das richtige Modell sein, wenn sie sich gemeinsam darauf verständigen. Ein Erfolg des Wechselmodells, gerade aus dem Blickwinkel des Kindeswohls, hängt jedoch von zahlreichen Faktoren ab. Voraussetzung ist beispielsweise, dass die Eltern nach der Trennung miteinander kommunizieren und kooperieren. Ist dies nicht der Fall, geht das Wechselmodell häufig zu Lasten des Kindes. Ebenso entscheidend ist die sichere Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen. Psychologische Studien zeigen, dass nicht die Häufigkeit des Kontaktes zum Elternteil, sondern vor allem die Qualität des Kontaktes entscheidend ist. War das Verhältnis zu einem Elternteil vor der Trennung schlecht, wird es sich durch das Umgangsmodell wahrscheinlich nicht verbessern. Darüber hinaus hängt der Erfolg des Wechselmodells von vielen weiteren Faktoren ab. Nicht zuletzt ist der geäußerte Kindeswille von entscheidender Bedeutung. Aber auch das Alter des Kindes oder die räumliche Nähe der Elternhaushalte sind wichtige Kriterien. Aufgrund der Vielzahl der Faktoren, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Wechselmodell grundsätzlich dem Kindeswohl am ehesten gerecht wird. Wir sprechen uns aus diesen Gründen gegen eine Festschreibung des Wechselmodells als Regelfall aus. Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sollte stets die umfängliche Analyse des Einzelfalles sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Abwägung von Kindesinteressen und Interessen der Eltern nicht zu Lasten der Kinder verläuft.  

Unterhaltspflichtige Väter und Mütter werden wie Menschen ohne Kinder besteuert, nach Steuerklasse I. Möchte die Partei DIE LINKE das ändern, welche Vorstellungen gibt es?  

Die Aussage stimmt so nicht. Steuerklassen sind lediglich für die Erhebung der Lohnsteuer relevant. Die Lohnsteuer stellt aber nur ein Verfahren zur Vorab-Erhebung der Einkommensteuer dar. Für viele Steuerpflichtige bildet die Lohnsteuer nicht die tatsächliche Steuerbelastung ab. Diese ergibt sich erst nach Abgabe einer Einkommensteuererklärung und den daraus folgenden Steuererstattungen oder Steuernachzahlungen. Das trifft u. a. auch für viele Steuerpflichtige mit Kindern zu. Denn die Lohnsteuer berücksichtigt, abgesehen von zwei Ausnahmen, nicht das Vorhandensein von Kindern. Eine Ausnahme betrifft den Solidaritätszuschlag ("Soli"). Er verringert sich auch im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens, wenn Kinder vorhanden sind. Dies erfolgt unabhängig von der Steuerklasse. D. h., auch unterhaltspflichtige Väter und Mütter mit Steuerklasse I werden beim Soli anders behandelt als Menschen ohne Kinder. Die andere Ausnahme betrifft die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende durch die Steuerklasse II. Im Rahmen von Steuerklasse II wird allerdings nur ein Kind erfasst. Sofern Alleinerziehende mehrere Kinder haben, erfordert deren Berücksichtigung die Abgabe einer Einkommensteuererklärung. Die Entlastung, die sich durch den Kinderfreibetrag ergibt, wird nicht bei der Lohnsteuer, sondern primär durch das Kindergeld erfasst. Lediglich bei höheren Einkommen kann der Kinderfreibetrag zu einer das Kindergeld übersteigenden Entlastung führen, was durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung angerechnet werden kann. Kindergeld und Kinderfreibetrag werden auch bei unterhaltspflichtigen Vätern und Müttern berücksichtigt: Die Hälfte des Kindergelds wird mit dem Unterhalt verrechnet und der dem Elternteil zustehende Kinderfreibetrag kann mittels Abgabe einer Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Für DIE LINKE wirkt das derzeitige, auf steuerlichen Maßnahmen basierende System der Entlastung von Familien ungerecht, da es Familien mit höheren stärker als solche mit niedrigerem Einkommen entlastet. Wir fordern daher die Einführung einer armutsfesten Kindergrundsicherung. Die Höhe fällt abgestuft aus. Beginnend bei 630 Euro pro Monat und Kind für die ärmsten Kinder wird sie je nach Einkommenssituation bis auf 328 Euro abgeschmolzen. Das entspricht dem erhöhten Kindergeld, das wir für alle Kinder als Sofortmaßnahme fordern. Die Kindergrundsicherung wird weder beim Bezug von Sozialleistungen noch innerhalb des Steuerrechts als Haushaltseinkommen angerechnet.  

Befürwortet die Partei das bedingungslose Grundeinkommen? Es soll 1200 EURO betragen, der Selbstbehalt beträgt 1160 EURO. Unterhaltspflichtige arbeiten dafür den ganzen Monat, zahlen Steuern, Sozialbeiträge und leisten die Kindergrundsicherung. Ist das gerecht, muss es nicht ein Lohnabstandsgebot von mindestens 300 EURO geben, so dass sich Leistung lohnt?  

DIE LINKE will alle Menschen vor Armut und Ausgrenzung schützen. Dafür wollen wir Hartz IV und die Sozialhilfe durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von 1.200 Euro monatlich (plus Zuschuss bei lokal hohen Mieten) ersetzen. Diese Höhe orientiert sich an der Armutsgrenze der EU-Statistik. Die Mindestsicherung soll nur für Personen ohne hinreichendes Einkommen und Vermögen gelten. Damit sich Erwerbsarbeit immer lohnt, gibt es bei der Einkommensprüfung Freibeträge für Erwerbseinkommen. Wenn jemand z.B. 1.200 Euro verdient, würde dies nicht komplett angerechnet. Der Betreffende könnte seinen Lohn um mehr als 100 Euro "aufstocken". Ein generelles Lohnabstandsgebot würde das Grundrecht auf ein sozio-kulturelle Existenzminimum verletzen, weil Löhne nicht immer existenzsichernd sind. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ohne Einkommens- und Vermögensprüfung befürworten viele in der LINKEN; viele andere halten es für ungeeignet. 2022 führen wir einen Mitgliederentscheid dazu durch.  

Eine Reform des Scheidungsrechts ist notwendig aufgrund der sozialen Veränderungen der Lebens- und Familienverhältnisse. Wo sieht die Partei DIE LINKE die Schwerpunkte der Reform?

Scheidungen oder Trennungen sind immer Einzelfälle, daher muss sich dieses auch im Recht und in der Handhabung wieder finden. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Mediation einführen, um möglichst viele Trennungen bereits im Vorfeld von familiengerichtlichen Entscheidungen zu einer guten Einigung zu verhelfen. Des Weiteren spricht sich DIE LINKE. dafür aus, dass ein langfristiges Programm zur Schulung und Sensibilisierung von Richterinnen und Richtern, Gerichtspflegerinnen und Gerichtspflegern sowie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendämter im Hinblick auf eine kindgerechte Gestaltung des Gerichtsverfahrens, den Umgang mit und die Befragung von Kindern insbesondere in Trennungssituationen aufgelegt wird sowie entsprechende Fachkenntnisse als Voraussetzung für die Tätigkeit als Familienrichterin oder Familienrichter gesetzlich festzuschreiben.