Corona-Krise: Familienrecht krisenfest machen

Die Corona-Krise ist eine bislang noch nicht dagewesene Herausforderung – auch für die Umsetzung familienrechtlicher Regelungen. Betroffene Getrenntlebende und Geschiedene wollen wissen, kann Umgang von einem Elternteil wegen der Krise einfach abgesagt werden, auch wenn es eine festgelegte gemeinsame Umgangsregelung gibt. Die Bundesregierung und die Länderregierungen haben zögerlich und wenig öffentlichkeitswirksam klargestellt, dass Umgangsregelungen zwischen getrenntlebenden Elternteilen auch in der Krise gelten. Dennoch stellt der Vorsitzende von ISUV, des Verbandes für Unterhalt und Familienrecht, fest: „Nicht selten wurde und wird weiterhin die Corona-Krise dazu benutzt, die Umgangsregelung nicht einzuhalten. Der Fall von Manuel* ist ein typisches Beispiel für einseitige Aufkündigung von Umgang in Zeiten von Corona.“  

„Nimm bitte Rücksicht!“

Alle zwei Wochen freut sich Manuel* schon eine ganze Woche darauf mit seiner Tochter ein Wochenende verbringen zu können. Vater und Tochter würden sich gerne öfter sehen. Manuel weiß und nimmt zähneknirschend hin, dass dies nicht möglich ist, schließlich hatte er fast drei Jahre um regelmäßigen zweiwöchigen Umgang mit der Tochter vor Gericht streiten müssen.  Die Mutter hat bis heute gemeinsame Elternschaft nie wirklich akzeptiert, geschweige denn gefördert.

Während der Woche hatte die Bundesregierung appelliert: Abstand halten! Er hatte ein ungutes Gefühl, als er freitags seine Tochter abholen wollte, berichtet der Vater. Als er ankam, stand die Mutter statt der Tochter in der Türe. Als er ausstieg, kam die Mutter auf ihn zu mit den Worten: „Den Umgang lassen wir heute ausfallen. Ich möchte nicht, dass sich Eva* bei dir ansteckt. Nimm bitte Rücksicht!“

Der Vater versucht mehrfach die Mutter anzurufen, mit ihr zu reden, ihr die Rechtslage zu erklären, aber wie schon so oft, sie geht nicht ans Telefon. „Bis heute, nach vier Wochen konnte ich nicht mit Eva telefonieren. Ich weiß von nichts, schon zweimal ist der Umgang ausgefallen, wann wird er wieder aufgenommen“, fragt  Manuel*.

Der Vater schrieb der Mutter mehrfach per Whatsapp und versicherte, die Tochter alleine auf dem kürzesten Weg zu seiner Wohnung zu bringen, sie dort alleine ohne Kontakt zu einer anderen Person zu betreuen, nicht zu einer Risikogruppe zu gehören. Die Mutter antwortete ebenfalls per Whatsapp: „Nimm halt Rücksicht, das Infektionsrisiko ist zu groß.“

Der Vater fühlt sich diskriminiert: „Eva* hat Kontakt zu den Nachbarskindern, sie ist oft bei den Großeltern, an Wochenenden kommen Verwandte und deren Kinder.“  Manuel lebt alleine in der Nähe von Schweinfurt, er arbeitet seit Beginn der Corona-Krise im Home-Office, er hat also genügend und flexibel Zeit für seine Tochter. „Das Familienrecht geht davon aus - ob in der Krise oder im ganz normalen Alltag - jeder Umgangskontakt mit einem Elternteil steht im Interesse des Kindswohls.  Gerade in der Krise ist der Umgang mit Mutter und Vater vorrangig“, meint Josef Linsler von der ISUV Kontaktstelle in Würzburg.

Konsequenzen aus Krisenerfahrungen

Der Fall ist kein Einzelfall, betroffen sind tausende Kinder und Jugendliche in der ganzen Bundesrepublik, die ihre Väter oder Mütter auf unbestimmte Zeit nicht sehen können.

Nach fünf Wochen „Abstand halten“ zeigt sich: Getrenntlebende Eltern sind in der Corona-Krise ganz besonderen Belastungen ausgesetzt. Arbeiten Vater und Mutter im Interesse des Kindeswohls gut zusammen, lässt sich diese Last auf mehrere Schultern verteilen. „Insbesondere für die gemeinsamen Kinder ist es hilfreich, wenn Eltern beim Online-Learning unterstützen können. Oft ist die Unterstützung beider Eltern notwendig, wenn nämlich ein Elternteil in Mathe besser drauf ist, der andere in Sprachen“, berichtet Kontaktstellenleiter Josef Linsler.

„Es hat sich gezeigt und zeigt sich, dass in Krisenzeiten der Umgang mit den Kindern für Eltern noch einmal viel wichtiger ist als im „normalen“ Alltag. Aus der Krise lernen heißt für uns das Familienrecht krisenfest machen. Es hat sich gezeigt und zeigt sich weiterhin, Eltern, die trotz Trennung und Scheidung gemeinsam erziehen, kommen am besten durch die Krise. Daher werden wir das noch nachdrücklicher einfordern“, hebt ISUV-Vorsitzender Zimmer hervor.