Die Zweitfamilie - Wie alles begann ...

Bevor wir 1985 heirateten, hatten wir uns sehr ausgiebig von einem Anwalt über die möglichen Folgen für uns bzw. für mich als Zweitfrau beraten lassen. Nach der damaligen Gesetzgebung war die Zweitfamilie der ersten noch gleichgestellt. So wurde ich zur Zweitfrau, nicht ahnend, was das in der Zukunft noch für Folgen haben sollte. Eines war uns allerdings klar: ich konnte nie aufhören, zu arbeiten! Das Einkommen meines Mannes hätte - nach Abzug des Unterhalts an die Erstfamilie - für unser beider Lebensunterhalt nicht ausgereicht!
Aber die Unterhaltszahlung mußte irgendwann aufhören, so hofften wir jedenfalls: war doch im Scheidungsurteil der Unterhalt für die Exfrau nur mit der Kindesbetreuung begründet. Aber wir hatten nicht mit ihrem "Erfindergeist" gerechnet. So verhinderte sie vehement den Nachhilfeunterricht, obwohl der Junge sehr schlechte schulische Leistungen erbrachte. Aufgrund dieser schlechten Leistungen mußte er nach Abschluß der 5. Klasse die Privatschule verlassen, sollte eine Hauptschule besuchen. Dies wäre das Ende für die Zukunft des Jungen gewesen. Aber mein Mann hatte kein Sorgerecht, was also konnte er tun? Nichts, außer zusehen! Erst nachdem der Junge eine Klasse wiederholen mußte, wurde Nachhilfe herangezogen, aber sofort wieder abgesetzt, als die Erfolge - Verbesserung um zwei Noten in den Nachhilfefächern - "zu groß" wurden. Im Unterhaltsabänderungsverfahren wurde dann deutlich, warum: sie verlangte nach dem 16. Lebensjahr des Kindes weiterhin Ehegattenunterhalt , da das Kind aufgrund der enorm schlechten schulischen Leistungen auch weiterhin einer besonderen Betreuung bedürfe. Inzwischen ist der Junge volljährig und mein Mann zahlt immer noch. Die Abänderungsklage läuft in zweiter Instanz - die erste Instanz hat die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht anerkannt.
Die Betrügereien und Lügen seien hier nur am Rande erwähnt - ihr wurde sogar mehrmals vom Gericht mit Gefängnisstrafe gedroht. Trotz allem durfte mein Mann immer weiter Unterhalt zahlen~ auch die Gerichtskosten insgesamt, die man ihr als bedürftige Person ja nicht zumuten konnte. So ging unser mühsam Erspartes langsam aber sicher in den Besitz der Gerichte bzw. der Anwälte über. Sie brauchte sich vor der nächsten Klage nicht zu scheuen, kostete sie diese doch keinen Pfennig!!
Auch diese Situation würden wir irgendwann überstanden haben, so hofften wir jedenfalls. Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!
Es sollte noch viel, viel schlimmer kommen!
Zweitfamilie in Not - wer hilft? ODER
Der öffentliche Dienst und die Zuständigkeiten!!
Als Angestellte im öffentlichen Dienst brauchte ich mir keine Sorgen um meinen Arbeitsplatz zu machen und das war auch gut so, konnten wir doch unseren Lebensunterhalt nur mit diesem zusätzlichen Einkommen bestreiten. Das zur Theorie!
In der Praxis kam es leider zu einer ganz anderen Situation. Nach einem Chefwechsel war ich plötzlich Psychoterror am Arbeitsplatz (Mobbing) ausgesetzt. Die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle blieb erfolglos, hafteten mir doch etliche Jahre im öffentlichen Dienst an und keiner war gewillt zu glauben, daß man solch einen sicheren Arbeitsplatz freiwillig verließ. Nach ein paar Jahren setzten psychische Störungen ein, die sich langsam aber sicher organisch manifestierten. Von ärztlicher Seite wurde mir dringendst eine Verkürzung der Arbeitszeit angeraten. Was tun? Geld hin, Geld her, die Gesundheit war wichtiger~ also vereinbarte ich mit meinem Arbeitgeber eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit um 50% aus gesundheitlichen Gründen. Sicher ließ sich die Situation in nur vier Stunden am Arbeitsplatz viel besser bzw. leichter ertragen. Die finanziellen Einbußen waren erheblich, aber wir konnten immerhin noch davon leben. Und nicht nur einmal fragten wir uns: Wo bleibt eigentlich unsere Lebensstandardgarantie, die jedem Unterhaltsempfänger staatlich garantiert wird?
Die Situation verschlechterte sich dramatisch, der Gesundheitszustand auch. Häufige Krankschreibungen waren die Folge. Aber 70% Krankengeld reichten für den Lebensunterhalt nicht aus und so quälte man sich wohl oder übel immer wieder an den "krankmachenden" Arbeitsplatz zurück. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten wurden immer länger, die Abstände dazwischen immer kürzer, bis eine Erwerbsfähigkeit gar nicht mehr möglich war! Mein um 30% reduziertes Einkommen machte uns das Leben zusätzlich schwer. Hier hätte uns eine Abänderung der Steuerklassen geholfen, aber von dem dadurch erhöhten Nettoeinkommen meines Mannes hätte in erster Linie wieder einmal die Erstfamilie profitiert!! Und wir? Wieso mußte die Erstfamilie eigentlich immer nur an den Vorteilen beteiligt werden, nie aber an finanziellen Engpässen? Als "richtige" Familie hätte sie auftretende Nachteile ja auch mit tragen müssen - wir verstanden die Welt nicht mehr, wo blieb der im Grundgesetz verankerte Gleichheitsgrundsatz?
Aber das Ende der Fahnenstange war noch lange nicht erreicht. Nach 1 ‡ Jahren wurde ich von der Krankenkasse ausgesteuert, d.h. ich stand nunmehr ganz ohne jegliches Einkommen da. Jetzt stellte sich uns die Existenzfrage: wie sollten wir unsere laufenden Verpflichtungen (wie Miete, Strom, Telefon etc.) bezahlen? Aber das interessiert niemanden bei den Behörden! Das Arbeitsamt prüft seit einem halben Jahr, ob es für mich zuständig ist, verwies mich an das Sozialamt. Der Antrag auf Sozialhilfe wurde abgelehnt mit der Begründung, mein Mann verdiene ja ausreichend - allerdings wurde hier die Unterhaltsverpflichtung an die Erstfamilie bei der Berechnung nicht einbezogen. Wenn überhaupt, dann dürfe nur Unterhalt an minderjährige Kinder angerechnet werden. Begründung: "... es kann ja nicht angehen, daß ein Unterhaltszahler durch den Unterhalt in Not gerät und damit Anspruch auf Sozialhilfe hat ..."
Nachfolgend der Beweis, daß diese finanzielle Notlage aus der Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Erstfamilie resultiert:
Das Einkommen meines Mannes - ohne Abzug des Unterhalts an die Erstfamilie - würde für die Deckung unserer Lebenskosten völlig ausreichend sein.
Würde mein Mann ein von vornherein geringeres Einkommen erzielen - nämlich um den Teil des Unterhalts an die Erstfamilie reduziert - , wären wir sofort berechtigt, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen.
Ein Widerspruch? Nicht für die Gesetzgeber bzw. die Behörden!! Obwohl wir nach Abzug des Unterhalts nur noch soviel Geld zur Verfügung haben, daß wir unter "normalen" Umständen zum Sozialhilfeempfänger werden würden, sind wir als Zweitfamilie nicht berechtigt, Sozialhilfe zu empfangen! Und schon wieder stellen wir uns die Frage nach der im Grundgesetz verankerten Gleichberechtigung, warum gilt diese nie für uns als Zweitfamilie, die wir uns in einer unverschuldeten Notsituation befinden?
Aber es wird noch interessanter: beim weiteren Nachfragen auf dem Sozialamt erhielt ich plötzlich eine ganz andere Auskunft. Nun hieß es, man könne die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Erstfamilie reduzieren bzw. aussetzen. Dies müsse allerdings über einen Anwalt beim Gericht geltend gemacht und begründet werden. Erst wenn dieser Tatbestand erfüllt ist, kann man eine Bewilligung der Sozialhilfe erneut prüfen. Doch damit begann das nächste Desaster! Für diesen Antrag beim Gericht werden ärztliche Gutachten benötigt, welche in Mengen bei meinem behandelnden Arzt vorliegen - also gar kein Problem, so dachte ich jedenfalls! Der Gang zu meinem Arzt brachte die nächste Hürde ans Tageslicht: er dürfe mir die Unterlagen nicht aushändigen - Datenschutz!! Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, letzten Endes handelte es sich ja nicht um irgendwelche Unterlagen, sondern um die, die meine eigene Person betreffen. Wer sollte da vor wem geschützt werden? Ich verstand die Welt nicht mehr.
Eine Rücksprache mit der Krankenkasse machte die ganze Angelegenheit noch komplizierter und verrückter. Auch diese argumentierte mit Datenschutz, aber ... und jetzt kommt das verrückte ... ein Anwalt dürfe die Unterlagen anfordern und dem Gericht vorlegen. Wo bleibt da der Datenschutz? Immerhin sind sowohl der Anwalt als auch das Gericht völlig fremde Personen und diese dürfen meine Unterlagen / meine Krankengeschichte einsehen? Nun verstand ich die Welt noch weniger!!
Aber noch etwas ganz Wesentliches wurde hier übersehen: ein Anwalt kostet Geld, keine Rechtsschutzversicherung übernimmt die Bezahlung in solchen Fällen. Wo, um alles in der Welt, sollte ich das Geld für das Honorar hernehmen? Ich hatte keinerlei Einnahmen, hatte deswegen Antrag auf Sozialhilfe gestellt - offensichtlich war dies allen Beteiligten schon wieder entfallen!? Und Prozeßkostenhilfe konnte ich wohl auch nicht erwarten, würde doch hier wieder das komplette Gehalt meines Mannes herangezogen werden. Wir drehen uns im Kreis, es gibt einfach keinen Ausweg!
Die Zweitfamilie - Menschen ohne gesetzlichen Schutz?
Wie ich immer wieder feststellen mußte, resultiert diese ausweglose Situation allein daraus, weil ich einen geschiedenen, unterhaltspflichtigen Mann geheiratet habe. Ohne Existenz der Zweitfamilie hätte es in dieser Situation sofort Hilfe - in welcher Form auch immer - gegeben. Wie hat es mein Anwalt so schön formuliert: ëgesetzlich falle ich durch einen Rostí? Ich denke, das trifft den Nagel auf den Kopf!
Wie will ein Richter Recht sprechen, wenn es für solche Situationen keine Gesetze gibt? Wie kann er entscheiden, wann eine Notsituation existiert und wann nicht, wenn es hierfür keine Regelungen gibt? Wie kann eine Zweitfamilie ihr Recht fordern, wenn es für sie offensichtlich gar keines gibt? Ist die Zweitfamilie gesetzlos? Gilt der im Grundgesetz verankerte Gleichheitsgrundsatz für eine Zweitfamilie etwa nicht?
Beispiele für die Ungleichbehandlung fallen mir ad hoc reichlich ein:
Der Unterhaltszahler wird steuerlich so eingestuft, als ob es diese Belastung gar nicht gäbe. Zusätzlich zum Unterhalt streicht der Unterhaltsempfänger alle steuerlichen Vergünstigungen ein. Der Unterhaltszahler geht leer aus.
Beim Kindesunterhalt ist es ähnlich. Der Unterhaltszahler profitiert in keinster Weise von dem vorhandenen Kind, die Vorteile streicht immer der Empfänger ein (z.B. Haushaltsfreibetrag, Baukindergeld etc.). Der Kinderfreibetrag ist inzwischen ganz weggefallen. Aber auch von dem erhöhten Kindergeld profitiert nur der Empfänger, ist doch der Tabellenwert um genau den Betrag des nunmehr gültigen halben Kindergeldes erhöht worden.
Der im Unterhalt enthaltene Mietbeitrag belastet den Unterhaltszahler doppelt, muß er doch seine eigene Miete auch bezahlen. Beim Erwerb von z.B. einer Eigentumswohnung des Unterhaltsempfängers und dem dadurch reduzierten Mietanteil bleibt der Unterhaltszahler unbeteiligt. Erlangt der Unterhaltspflichtige aber mehr Einkommen, wird der Empfänger grundsätzlich daran beteiligt. Eine sehr einseitige Regelung!
Die Lebensstandardgarantie gilt auch nur einseitig immer für den Unterhaltsempfänger. Hat der Unterhaltszahler kein Anrecht auf einen gewissen Lebensstandard? Besteht sein einziges Recht darin, den anderen zu unterhalten?
Des weiteren verstößt die Lebensstandardgarantie gegen den Paragraphen, der besagt, daß jeder für seinen Unterhalt selbst verantwortlich ist. Der Unterhalt soll nur in Notlagen gewährt werden. Bedeutet ein abgesenkter Lebensstandard eine Notlage? Muß nicht jede "echte" Familie mit solchen Lebensstandardschwankungen leben?
Die bereits geschiedene Ehe gilt für die Zeit der Kindesbetreuung als noch bestehend. Dies ist ein Gesetzesverstoß bei einem Wiederverheirateten, ist doch Bigamie ist in unserem Land verboten!
Sogar die Zweitfrau muß indirekt für den Unterhalt der Erstfamilie sorgen. Wird z.B. die Steuerklasse geändert, profitiert in erster Linie die Erstfamilie vom erhöhten Nettoeinkommen: sie erhält einen höheren Unterhalt. Ist dieser Fall wirklich in der Ehe gelegt, wie immer so schön argumentiert wird? Und was ist mit den Kindern in einer Zweitehe und deren daraus resultierenden finanziellen Nachteilen?
und... und... und...

Zum Abschluß
Wann erhalten Zweitfamilien - neben den reichlich auferlegten Pflichten gegenüber der Erstfamilie - endlich auch Rechte?
Rechte, die auch ihren Lebensstandard sichern~ Rechte, damit auch sie sich ein Leben mit Zukunft aufbauen können~ Rechte, damit auch für sie die Garantie der Persönlichkeitsentfaltung wieder gewährleistet wird!
Interesse am Fall? Sie können Kontakt über uns mit A. S. aufnehmen