Familie im Wandel - Familienrecht im Wandel?

Es gibt sie nicht mehr, die Familie des BGB. Ebenso ist der Bund fürs Leben immer mehr ein Bündnis auf Zeit. An die Stelle der idealtypischen Familienform - Eltern und zwei Kinder - ist eine Vielfalt von Lebensformen mit sehr unterschiedlicher "Lebensdauer" getreten: Halbfamilien, Stieffamilien, Zweitfamilien, nichteheliche (auch gleichgeschlechtliche) Lebensgemeinschaften. All diese Lebensformen haben wiederum sehr individuelle Binnen- und Autoritätsstrukturen. Juristisch ist diese Pluralisierung und Individualisierung der Lebensformen jedoch nicht existent - ins Familien-, Steuer- und Sozialrecht ist dieser soziale Wandel noch nicht eingearbeitet.
Nicht nur nach Auffassung des Verbandes Unterhalt und Familienrecht (ISUV) besteht hier ein juristisches "Lag". ISUV möchte durch eine Reihe von Forumsveranstaltungen mit namhaften Juristen, Psychologen und Soziologen Impulse für eine Reform des Familienrechts geben.
Der ISUV-Vorsitzende Michael Salchow nennt eine Reihe von familienrechtlichen Aspekten, die nach Verbands-Auffassung den gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst werden sollten:
"Steuerrechtlich muss ein Realsplitting geschaffen werden, das sich an der Erziehung und den realen Ausgaben für Kinder orientiert. Nicht etwa der Ehering, sondern die Kosten für Kinder müssen subventioniert werden. Das Familienrecht muss endlich zu Kenntnis nehmen, dass Kinder zu versorgen sind, und zwar unabhängig davon, ob ein Unterhaltspflichtiger nun geschieden oder verheiratet ist. Es ist einfach ein Unding, einen geschiedenen Unterhaltspflichtigen wie einen Ledigen zu besteuern "
Bezüglich des Unterhaltsrechts hob Salchow hervor: " Der gesellschaftliche Trend der Individualisierung macht Partnerschaften zunehmend instabil. Es kann nicht sein, dass das Ende einer Ehe eine lebenslange Unterhaltsverpflichtung nach sich zieht. Eine prinzipielle zeitliche Begrenzung des Unterhalts ist erforderlich, wenn nicht Zweitehen gefährdet werden sollen. Alle wohlfahrtsstaatlichen Elemente haben im Unterhaltsrecht nichts zu suchen. Eine Scheidung muss auch Chance zum Neuanfang sein, gefragt ist also die Eigeninitiative beider Ehe-maliger."
Wichtig ist für Salchow: "Der konventionelle Familienbegriff muss ersetzt werden. Familie ist überall dort, wo Kinder sind, wo man familiär miteinander umgeht, wo man füreinander da ist, materiell und immateriell. Das kann mit und ohne Ehering sein, das tun in der Regel auch geschiedene Eltern oder nichteheliche Lebensgemeinschaften. Eine offene Gesellschaft darf nicht nur eine Lebensform favorisieren." JL Wünschen Sie die Statements der Forumsteilnehmer ? Sie finden sie demnächst hier auf unserer Homepage unter dem Link "Aktuell".
Teilnehmer des Forums sind :
· Frau Professor Dr. Agnes Holling, Gesellschaft für systemische Psychologie
· Herr Professor Jost von Maydell, Familiensoziologe
· Herr Eckhard Rehme, Vorsitzender Richter am 11. Senat des Oberlandesgerichts Oldenburg
· Moderation:
ISUV-Bundesvorsitzender Michael Salchow