Familienrechtsreform: Wann kommt angekündigter Gesetzentwurf?
„Soll ich noch warten und stillhalten?“ Im Koalitionsvertrag wird angekündigt: „Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser berücksichtigen. Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen Bedingungen schaffen.“ Wann folgt die Umsetzung?
„Soll ich noch stillhalten, bis die Reform des Kindesunterhalts geregelt ist?“
„Wann passiert denn jetzt etwas? Ist doch schon lange angekündigt.“
„Ich sehe meine Kinder nicht. Was ändert sich durch die Reform?“
Solche Fragen und „Hilferufe“ erreichen ISUV (Interessenverband Unterhalt und Familienrecht) täglich. „Wir können leider nur vertrösten. Angekündigt ist der Gesetzentwurf schon seit einem halben Jahr“, stellt die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich fest und meint: „Wenn der Gesetzentwurf nicht vor der Sommerpause dem Kabinett vorliegt, dort gebilligt und dem Parlament weitergeleitet wird, dürfte die Verabschiedung der Reform in dieser Legislaturperiode nur schwer gelingen.“ Feststeht für den Verband: Scheitert die Reform, dann wird sich dies auch im Stimmverhalten der Betroffenen ausdrücken.
Hintergrund
Justizminister Buschmann hat mit seinen „Eckpunkten“ für die Reform des Kindesunterhaltsrechts und Kindschaftsrechts vor einem Jahr Hoffnungen auf eine kurz bevorstehende Reform geweckt. ISUV begrüßte die Eckpunkte, forderte aber gleichzeitig erhebliche Nachbesserung, die seinem über viele Jahre entwickelten Konzept von Getrennterziehen in der Trennungsfamilie entsprechen.
„Trennungsfamilie“ lautet entsprechend der Titel des Bandes 8 der ISUV–Schriftenreihe. Der Band vereint die Stimmen von Betroffenen und Experten, um ein ganzheitliches Bild der Herausforderungen und Lösungen im Familienrecht zu zeichnen. Der strukturelle Aufbau besteht darin, dass die Agenda die Meinungen, Kritiken und Forderungen der ISUV-Mitglieder darstellt.
Experten des Familienrechts greifen diese Äußerungen im zweiten Teil auf, bewerten sie, erläutern ihre Sichtweisen, weisen bestimmte Punkte zurück und machen Reformvorschläge.
Es handelt sich um eine Agenda des Verbandes zur Reform des Familienrechts. ISUV zeigt mit dieser 110-seitigen Agenda Maximen für eine Reform auf: Getrennt, aber gemeinsam erziehen, Beide betreuen, Beide bezahlen, Eltern bleiben trotz Trennung und Scheidung.
„Diese Maximen müssen im Gesetzentwurf konsequent umgesetzt werden, so dass sich mit entsprechender mediativer Unterstützung eine Trennungsfamilie bildet“, fordert Ulbrich. Die zentrale Frage für ISUV war und ist: Werden im Gesetz Regelungen und Maßnahmen vorgeschlagen, dass Kinder nach einer Trennung keinen Elternteil verlieren.
ISUV-Forderungen
Grundsätzlich fordert der ISUV, dass die Interaktion von Unterhaltsrecht und Betreuungsrecht herausgestellt werden, denn sie gehören zusammen, bedingen sich gegenseitig. Der Leitgedanke der Reform – Beide betreuen, Beide bezahlen – basiert auf der Interaktion beider Rechtsbereiche. ISUV fordert eine konsequente Umsetzung des Grundsatzes, eine „Verbundlösung zwischen Unterhaltsrecht und Kindschaftsrecht“.
„Die Eckpunkte Unterhaltsrecht und Kindschaftsrecht müssen in engem Zusammenhang gesehen werden. Betroffene Eltern sehen und erleben das so. Wer regelmäßig Unterhalt zahlt, hat Anspruch auf Umgang. Wer regelmäßig betreut, hat Anspruch auf Entlastung beim Kindesunterhalt. Grundsätze, Forderungen des Unterhalts- und des Betreuungsrechts müssen für beide Trennungseltern gelten“, betont Ulbrich.
Diese Verknüpfung von Unterhaltsrecht und Betreuungsrecht lässt sich nach Auffassung von ISUV durch Änderung eines Paragrafen erreichen. Der Verband schlägt eine Änderung des §1671 BGB vor. „Trennungseltern dienen dem Kindeswohl nach Trennung und Scheidung, indem sie gemeinsam betreuen und gemeinsam für den Kindesunterhalt aufkommen. Entscheidungen der alltäglichen Betreuung (§ 1687 Abs. 1 S. 4 BGB) soll der Elternteil treffen, bei dem das Kind gerade wohnt.“
Im Gesetzentwurf muss die Trennungssituation im Fokus stehen. „Dies Phase ist entscheidend, dass die Transformation der „Paarfamilie“ zur „Trennungsfamilie“ gelingt, die beiden Ehe-Maligen sich nicht verbittert zurückziehen und über Anwälte bekriegen“, betont Ulbrich.
In den Eckpunkten heißt es dazu: „Zur frühzeitigen Vermeidung von Hochkonfliktfällen soll das Familiengericht eine Umgangspflegschaft künftig anordnen, wenn die Eltern dies übereinstimmend wollen.“ – „Das ist zu beliebig, denn die Übereinstimmung wird oft nicht gegeben sein, kann von einem Elternteil torpediert werden, insbesondere wenn er sich durch die ausschließlich anwaltliche Vertretung Vorteile erhofft“, weiß Ulbrich auf Grund ihrer Erfahrung.
Der Verband fordert, dass im Gesetz ein „Pflichtcoaching“ aufgenommen wird. „Der Gesprächsfaden zwischen den Eltern darf nicht reißen, Eigenverantwortlichkeit darf nicht einfach an Anwälte abgeschoben werden“, sagt Melanie Ulbrich.
Staatliche und nichtstaatliche Stellen wie beispielsweise ISUV können insbesondere durch Erfahrung empathische Beratung und Coaching die Transformation zur Trennungsfamilie fördern. „Dabei muss es zuerst einmal darum gehen, das Vertrauen der betroffenen Eltern zu gewinnen und ihr Selbstbewusstsein für eigenverantwortliche Lösungen zu stärken“, sagt Melanie Ulbrich. Im Zentrum des Coachings soll das Training von Bindungstoleranz beider Eltern stehen.
Mehr zu den Verbandsforderungen
- ISUV-Schriftenreihe, Band 8: „Trennungsfamilie - Agenda für das notwendige Update des Familienrechts jetzt“
- ISUV-Schriftenreihe Band 7: „Vom starren Residenzmodell zum individuellen Wechselmodell“
Journalistinnen und Journalisten können Band 7 und 8 der ISUV-Schriftenreihe für Rezensionszwecke von der Geschäftsstelle erhalten. Schriftliche Anfrage an info@isuv.de