ISUV fordert Kompensationen für alle mitbetreuenden Elternteile
„Väter, die für ihre Kinder da sein wollen, gehören finanziell entlastet. Väter, die kein Interesse an ihren Kindern haben, sollen zahlen“, schreibt eine Userin auf der ISUV-Facebook-Seite. Dieser Auffassung ist auch Justizminister Marco Buschmann.
Die Reform des Kindesunterhaltsrechts fokussiert sich auf das „asymmetrische Wechselmodell“. Das bisherige „Residenzmodell“ – einer betreut, einer bezahlt – sowie das „symmetrische Wechselmodell“ bleiben unverändert. Wo aber fängt das asymmetrische Wechselmodell an?
Laut Eckpunkte sollen Elternteile, die mehr als 29 Prozent der Betreuung leisten, entlastet werden. „Es ist eine alte ISUV-Forderung, 40% Betreuung und 100% Unterhalt zahlen, ist ungerecht, das muss sich ändern. Es ist grundsätzlich gut, dass der Justizminister diese Ungerechtigkeit beseitigen oder zumindest mildern will. Unsere Mitglieder kritisieren, dass die Belohnung erst bei 30% Betreuung beginnen soll“, hat ISUV-Bundesvorsitzende Melanie Ulbrich festgestellt. Sie fordert für alle unterhaltspflichtigen mitbetreuenden Elternteile „Kompensationen“, die beispielsweise aus „Steuerfreibeträgen“, konkreten Entlastungen für hälftige Betreuung in den Ferien bestehen können.
Hintergründe
Der Vorschlag spricht von einer „Betreuung im asymmetrischen Wechselmodell“, die dann vorliegen soll, wenn der Betreuungsanteil des mitbetreuenden Elternteils mehr als 29% beträgt, aber unter 50% bleibt. Das asymmetrische Modell schiebt sich also als Mittelweg zwischen die beiden bisher möglichen Optionen: das Residenzmodell und das symmetrische Wechselmodell. Berechnet werden soll der Betreuungsanteil anhand der Anzahl der Übernachtungen des Kinds beim jeweiligen Elternteil pro Jahr.
Bisher konnte laut Bundesgerichtshof in solchen Fällen der Mitbetreuung der Unterhalt nur um eine bis zwei Stufen der Düsseldorfer Tabelle reduziert werden. „Das sind oft weniger als 10 EURO im Monat, das ist nicht der Rede wert, so sehen das Unterhaltspflichtige“, sagt Ulbrich. Aber sogar auf diesen minimalen Betrag konnten sich Unterhaltsschuldner nicht verlassen. Es ist daher sinnvoll, wenn Buschmann Mitbetreuung gesetzlich regelt.
Mütter oder Väter, die das Kind im Jahresdurchschnitt mindestens an zwei Tagen oder natürlich an mehr Tagen betreuen, erreichen die in den Eckpunkten geforderten „mehr als 29 Prozent“. Bisher werden diese Elternteile, den Müttern und Vätern gleichgestellt, die im klassischen Residenzmodell betreuen, d. h. jedes zweite Wochenende, halbe Sommerferien, Ostern und Weihnachten. Damit erreicht man immerhin schon 23 Prozent der Betreuung. Das reicht aber noch nicht für eine finanzielle Anerkennung.
ISUV-Forderungen – Nachfragen – offene Fragen
Genau das kritisiert ISUV. So wird nicht berücksichtigt, dass beim üblichen „Umgang“ auch Kosten anfallen, Fahrtkosten, Kosten für Lebensmittel und gesellschaftliche Teilhabe. Unterhaltspflichtige ISUV-Mitglieder weisen oft darauf hin, dass teilweise der unterhaltsberechtigte Elternteil mehrmals in Urlaub fährt, sie selbst sich keinen Urlaub leisten können. „In den Sommerferien sollte der Kindesunterhalt entsprechend der Betreuungszeit reduziert werden, ein Ferienbonus für betreuende Unterhaltspflichtige. Auch die laufenden Fahrtkosten müssen zumindest steuerlich geltend gemacht werden können“, fordert die ISUV-Vorsitzende.
Etwas außergewöhnlich, Mitbetreuung soll über das Jahr hinweg gerechnet werden. Ist das nicht sehr aufwendig? Warum keinen Betreuungsplan erstellen und danach richtet sich der monatliche Unterhalt? „Die richtige und wichtige Idee des Ministeriums darf nicht an peniblen bürokratischen Regelungen scheitern“, fordert Ulbrich und meint: „Es sind einvernehmliche Regelungen nötig. Wir wissen auf Grund des ISUV-Coachings von Betroffenen-Paaren, dass das sehr wohl mit entsprechendem Engagement möglich ist.“
In den Eckpunkten werden lediglich bis zu 100 EURO weniger Unterhalt ausgelobt, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil beispielsweise 40 Prozent der Betreuung übernimmt. Objektiv gesehen ist das wenig, wenn man 100 EURO in Relation zu beispielsweise 400 Euro Unterhalt setzt. Dann kommen bekanntlich noch 250 EURO Kindergeld dazu. Objektiv ist das viel Geld, wenn man bedenkt, dass vielen Unterhaltspflichtigen nur der Selbstbehalt – 1370 EURO - oder ein wenig mehr für den gesamten monatlichen Lebensunterhalt bleibt. Für 40 Prozent Betreuung und dafür 100 EURO weniger Unterhalt im Monat lohnt es sich nicht vor Gericht zu ziehen, ansonsten ist die Anwaltsrechnung höher als der Betrag, der erstritten wird. Da muss noch nachgeschärft werden, z.B. durch eine sachgerechte Verteilung des Kindergeldes, die ebenso auf die 40 Prozent der Betreuung Rücksicht nehmen sollte.
Eine weitere wichtige Frage: Soll die Düsseldorfer Tabelle einfach übernommen, nicht kritisch hinterfragt werden? Die Eckpunkte nehmen zumindest unkritisch Bezug auf die Düsseldorfer Tabelle, um die Höhe des Unterhaltsanspruchs zu bestimmen. Die jetzt beginnende Reform sollte genutzt werden, um hier zu realistischeren Annahmen zu kommen. Statt nach einer Tabelle sollte sich die Unterhaltshöhe nach dem Gesetz richten. Entsprechende Vorschläge, Hinweise fehlen noch in den Eckpunkten.
Eine weitere Frage ist, wird es einen Kampf um die 30 Prozent Betreuung geben? Die reflexartige Abwehrhaltung von manchen Seiten gegen die Eckpunkte, ohne sich mit Ihnen auseinandergesetzt zu haben, zeigt, die Reform kann nur erfolgreich sein, wenn auf Einvernehmen der Elternteile gesetzt wird. „Niederschwelliges Coaching, wie wir es bei ISUV anbieten, ist gefragt, kann Gerichtsverfahren vermeiden und die Eltern in Kommunikation halten“, betont Ulbrich.
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