ISUV-Report 166 – Noch nie war die Unzufriedenheit größer: Einbahnstraße Unterhalt - Soziale Schieflage – Benachteiligung Unterhaltspflichtiger

Das verbleibende Einkommen reduzierte und reduziert sich bei immer mehr Unterhaltspflichtigen auf den Selbstbehalt – und der wird manchmal unterschritten. Das führte und führt zu mehr wirtschaftlicher Verarmung der Unterhaltspflichtigen in den ersten drei Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle - obwohl Unterhaltspflichtige voll berufstätig sind. Kräftig zugelangt wird in allen Einkommensgruppen. Ja, der BGH hat jüngst weitere Möglichkeiten geöffnet um mehr Geld von Unterhaltspflichtigen einzuklagen.

Anhand von Mitglieder-Zuschriften und Beiträgen in unserem Facebook-Forum veranschaulichen wir die unterschiedlichen sozialen Lagen von Unterhaltspflichtigen. In allen Berichten wird deutlich, das Unterhaltsrecht ist in vielfacher Hinsicht in einer Einbahnstraße. Am augenfälligsten wird das: Jährlich werden einseitig die Unterhaltsbeträge angehoben unabhängig von der ökonomischen und sozialen Lage.

So merkt ein User im ISUV-Forum an: „Ich lese hier immer, wo und was man nicht alles sparen kann. Allerdings Kindesunterhalt steigt jährlich, unabhängig davon, ob man als Unterhaltspflichtiger in Kurzarbeit ist oder weniger verdient. Lebt man getrennt oder ist geschieden, hat zwei Kinder sind das dieses Jahr 834 EURO Mehrausgaben. Wie machen das verheiratete Familien, wenn ein Elternteil oder gar beide in Kurzarbeit sind, bekommen die trotzdem mehr Geld wie Alleinerziehende oder müssen die sparen?“

Ein Unterhaltspflichtiger aus der Mittelschicht führt aus: „Wenn sparen nicht mehr hilft.“ Alle Unterhaltspflichtige stimmen darin überein: „Die Beträge der Düsseldorfer Tabelle erhöhen sich jährlich, aber mein Gehalt bleibt gleich. Nicht wenige Mitglieder fragen sich: „Lohnt es sich noch für mich zu arbeiten?“ Dabei wird das Einkommen von Unterhaltspflichtigen in den unteren Einkommensgruppen mit dem Einkommen von Hartz IV-Empfängern verglichen.

Der Bericht eines Unterhaltspflichtigen veranschaulicht, dass es soziale Lagen gibt, in denen Menschen mit Hartz IV-Leistungen besser dastehen. Trotzdem schlagen sie sich mit Arbeit durch. „Ausgerechnet solchen Menschen werden von mancher rechtspositivistischer Jugendamtsbürokratie Knüppel zwischen die Beine geworfen“, kritisiert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.

Anhand mehrerer Beispiele veranschaulichen wir, wie die Wohnkosten bei Unterhaltspflichtigen zu Buche schlagen. In keinem anderen Bereich sind die Kosten in den letzten 10 Jahren derart gestiegen wie im Bereich Wohnen – Mieten, Heizkosten, Strom, Wasser, Nebenkosten. Diese Verschiebung wurde bei Unterhaltspflichtigen nicht angemessen berücksichtigt.

Auch das ist eine soziale Lage von Unterhaltspflichtigen: Zahlen und sonst nichts. Nichts bedrückt, empört Unterhaltspflichtige mehr als die Situation, Kindesunterhalt zu zahlen, aber keinen Umgang mit dem Kind zu haben.

Mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.09.2020 (Az. XII ZB 499/19 – §§ 1605, 1606 Abs. 3, 1610 BGB) wurden weitere Geldquellen geöffnet: Die Unterhaltsbeträge wurden nach „Oben“ geöffnet, mit Bedarf hat das wenig zu tun. Ab jetzt kann mehr als 160 Prozent des Mindestunterhalts gefordert werden. Ab 2022 wird die Düsseldorfer Tabelle bis zu einem Einkommen von 11.000 € fortgeschrieben werden

Ein Fazit lautet, darin stimmen alle Betroffene – unabhängig von der Einkommensgruppe – überein: „Das Problem ist nicht Unterhalt zu zahlen. Das Problem ist, dass die Beträge nach oben hin offen sind. Das Problem ist, dass die Höhe weit weg von der Realität ist und dass Trennungskinder in solchen Situationen bessergestellt sind als Kinder in einer intakten Familie.“

Weitere Themen im ISUV-Report 166:

„Umgang: Was ist das eigentlich?“ fragt Fachanwältin für Familienrecht Maren Waruschewski. Selbstredend skizziert sie einführend: „Das Recht auf Umgang ist grundrechtlich geschützt (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). Es entspringt der Elternverantwortung gegenüber ihrem Kind. Das bedeutet auch, dass Eltern im Verhältnis zueinander den Umgang mit dem Kind respektieren und ggf. ermöglichen müssen. Denn Umgang bedeutet letztlich nichts anderes als Kontakt, Zusammensein, ein Teil des Lebens gemeinsam miteinander zu verbringen, gemeinsam miteinander älter zu werden, Erfahrungen weiterzugeben oder zu erlernen, gemeinsame Erinnerungen zu sammeln – es geht um Bindung, Sozialgefüge in einer Gemeinschaft, Liebesbedürfnis, Kontinuität und Stabilität (z.B. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 07.03.2018, Az. 6 UF 116/17). Heute, in einer Gesellschaft, in der oft beide Elternteile arbeiten, wissen sowohl Eltern als auch Kinder, dass es nicht mehr „nur“ um ein Spaßwochenende beim Vater oder die Ferien geht. Es geht vor Allem um den Alltag. Aktuell ist der für alle Beteiligten schwierig. Es gibt seit fast einem Jahr kaum noch Präsenzunterricht in den Schulen, kaum noch Verabredungen oder Vereinstätigkeit. Stattdessen Onlineunterricht, Videokonferenzen, beschränkt auf den Kontakt zu Hause. Jeder Familienbeteiligte ist gefordert. Aber eben solche Zeiten verbinden.“

Ein Artikel geht auf die Voraussetzungen für die Umsetzung eines Wechselmodells ein. Zum gleichen Thema ein Buchtipp: „Umgang im Wechselmodell“. Aktuelle familienrechtliche Fragen werden aufgegriffen: „Vaterschaftsanfechtung“ und Kinderbonus, ebenso aktuelle familienpolitische Fragen: „Erzieherische Hilfen“ und „Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern“. In der Urteilsbank werden von Simon Heinzel, Fachanwalt für Familienrecht „aktuelle höchstrichterliche Entscheidungen“ besprochen. Des Weiteren finden sich im Report viele Informationen zu Neuerungen im Steuerrecht sowie aktuelle Rechtstipps.