Kinderrechte ins Grundgesetz: Statt Verfassungsänderung Kinderrechte konkret in Familienrecht und Familienpolitik umsetzen

Für GRÜNE, LINKE und große Teile der SPD ist der Koalitionskompromiss zu weitläufig, für große Teile der CDU/CSU-Fraktion geht er zu weit. Der kleinste gemeinsame Nenner der Regierungskoalition lautet: „Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.“ Mit diesem Zusatz  soll nach dem Willen der Regierungskoalition Artikel 6 ergänzt werden. „Kinderrechte sind in den Grundrechten enthalten. Eigentlich bedarf es keiner Aufnahme in die Verfassung. Wer das für notwendig hält, sollte konkreter werden und damit familienrechtliche Defizite beseitigen“, fordert der ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwalt Klaus Zimmer.

Die Formulierung klingt im ersten Moment unverfänglich, ja fast überflüssig, „die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder“ sollen geachtet und geschützt werden, eigentlich selbstverständlich, wenn es in der Verfassung steht. „Als Jurist weiß ich, dass mit der Aufnahme einer unverfänglich erscheinenden Formulierung eine veränderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgen könnte“, gibt Zimmer zu bedenken. „Kinderrechte im Grundgesetz dürfen nicht die Legitimation für mehr Bevormundung der Familien durch den Staat, für mehr fragwürdige Inobhutnahmen der Kinder liefern. Familie ist das Private, die Privatsphäre, die der Staat unbedingt zu achten hat“, fordert Zimmer und hebt hervor: „Kinderrechte sollen, so will es Artikel 18 der UN-Konvention, das familiale System im Interesse der Kinder auch nach Trennung und Scheidung stärken.“

Kinderrechte ins Grundgesetz ist zu einem Narrativ geworden, das bei jeder Gelegenheit von Justizministerin Lambrecht und den vielen „Kinderschützern“ gebetsmühlenartig wiederholt wird. „Wir fordern eine konkrete, konsequente Umsetzung der UN-Kinderrechte in Familienpolitik und Familienrecht. Da gibt es konkrete Defizite“, stellt Pressesprecher Josef Linsler fest.

Defizite sieht ISUV in Bezug auf:

Gleichheit aller Kinder: Gleiche Stellung und Rechte von ehelichen und nichtehelichen Kindern, was im Eckpunkte-Papier zur Reform des Sorgerechts von Experten gefordert wird, über das sich Justizministerin Lambrecht einfach hinwegsetzt.

Anspruch aller Kinder – unabhängig, ob die Eltern verheiratet sind oder geschieden – auf Pflege und Erziehung durch beide Eltern.

Anspruch aller Kinder ihre Ieiblichen Eltern zu kennen. Konkret heißt das, die Mutter muss dem Kind sagen, wenn der rechtliche Vater nicht der natürliche Vater ist.

Anspruch aller Kinder auf Erziehung und Pflege durch die leiblichen Eltern als die natürlichen Eltern, daher individuelle Förderung und Stärkung der leiblichen Eltern, um ihrer Erziehungsaufgabe gerecht zu werden.

Artikel 8 – Anspruch des Kindes auf seine Identität: „Der Anspruch jedes Kindes auf seine individuelle Identität ist eine Forderung, die im Familienrecht ausgeklammert wird. Was gehört zur Identität eines Kindes ganz besonders? Diese Diskussion ist nicht nur im Zuge technischer Zeugungsmethoden wichtig, sondern auch nach jeder Trennung und Scheidung.“(Linsler)

Der Verband schlägt folgende Ergänzungen (kursiv) vor:

Artikel 6 GG künftig

1. Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Die Kinderrechte gemäß UN-Kinderrechtskonvention werden berücksichtigt.  

2. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Dabei orientieren sich die Eltern an den Standards der Kinderrechte. Der Staat respektiert die Privatsphäre und Autonomie der Familie.

3. Der Staat greift nur dann ein, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden.

4. Jede Mutter, jeder Vater, jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz, die Förderung und die Fürsorge der Gemeinschaft.

5. Eheliche und nichteheliche Kinder sind gleichgestellt.