Scheidungsstatistik 2022: Kinder im Blick bei Kindergrundsicherung & Unterhaltsrechtsreform
„Wer heute noch heiratet und Kinder in die Welt setzt bei solchen Scheidungsgesetzen, dem kann man nicht helfen“, warnt ein ISUV-Mitglied. Die Warnung wird in den Wind geschlagen. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, man traut sich wieder.
Im Jahre 2022 gab es 5400 Scheidungen weniger. Das liegt im Trend, denn seit 2012 sanken die Scheidungen kontinuierlich. Schon seit Jahren ist dieser Trend ungebrochen. Im Durchschnitt halten es die Partner 15 Jahre zusammen aus, von Jahr zu Jahr immer ein wenig länger, auch der Trend ist ungebrochen. Weltweit betrachtet liegt die Scheidungsquote in Deutschland im Durchschnitt.
Die eigentliche Überraschung ist der kräftige Anstieg der Eheschließungen um 9,2 Prozent, in Zahlen 33 000 Paare sagten JA. „Leider ohne Ehevertrag, es wird mehr geheiratet, was hoffentlich in zehn Jahren nicht zu einer entsprechenden Zunahme von Trennungen führt. Was im Vordergrund stehen sollte, sind die 115.800 betroffenen minderjährigen Kinder. Ihnen muss Mutter und Vater erhalten bleiben. Das muss das primäre Ziel von Kindergrundsicherung und Unterhaltsreform sein“, hebt die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich hervor.
Gefragt: Evaluationsstudien
Der Verband fordert, dass Auswirkungen der Scheidung oder Trennung der Eltern auf die Kinder statistisch nachverfolgt werden sollten. Vor allem folgende Fragen sollten statistisch solide beantwortet werden:
- Wie viele Kinder verlieren nach einem, nach zwei oder drei Jahren einen Elternteil?
- Wie alt sind die Kinder?
- Wie viele Eltern bleiben weiterhin gemeinsam Eltern – Trennungsfamilie?
- Welches Modell setzt sich nach einem Jahr durch, das Residenzmodell, das asymmetrische oder das symmetrische Wechselmodell?
- Welches Modell wird fünf Jahre später praktiziert?
„Es werden in diesem Zusammenhang sehr viele und sehr unterschiedliche Zahlen genannt, je nach Standpunkt des jeweiligen Betroffenen. Die Reformvorhaben Kindergrundsicherung und Reform des Unterhaltsrechts sollten entsprechende solide quantitative und qualitative Evaluationsstudien nach sich ziehen, die entsprechende Zahlen liefern“, fordert Ulbrich.
Kind und Knete
Im wohlklingenden Narrativ geht es immer ums Kindeswohl. Faktisch geht es aber immer beiden Seiten auch um die Knete, den Kindesunterhalt. Der ist hoch und bessert das Haushaltseinkommen erheblich auf. Das zeigt sich, wenn man die Haushaltseinkommen beider Elternteile vergleicht.
Wer das Kind mehr als 50 Prozent der Betreuungszeit hat, hat Anspruch auf Kindesunterhalt. „Wir hoffen, dass die von Justizminister Buschmann angestoßene Reform Leitplanken zieht, die Kindern und beiden Elternteilen hilft, sich einvernehmlich zu trennen, Trennungsfamilie zu bleiben.“ (Ulbrich)
Der Kampf ums Kind löst im Einzelfall verschiedene Verfahren aus. Es geht um das Aufenthaltsbestimmungsrecht, den Umgang, um elterliche Sorge, um gelebte gemeinsame Elternschaft, um getrennt, aber gemeinsam erziehen. „Die Zunahme dieser Verfahren hat viel mit dem Wandel der Vaterrolle zu tun, rührige Väter wollen sich nicht mehr einfach entsorgen lassen, nur Zahlväter sein. Damit tun sich manchmal noch Mütter schwer, die Kindererziehung, das soll ihre Domäne bleiben“, sagt Ulbrich.
Vereinbarungen statt „Beschlüsse“
Können oder wollen sich Eltern nicht einigen, dann entscheidet über Umgang, elterliche Sorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht das Familiengericht, das sich in der Regel daran hält, was Gutachter, Verfahrenspfleger, Jugendamt eruiert haben. „Es handelt sich um eine fremdbestimmte Regelung. Wir unterstützen unsere Mitglieder gemeinsam selbstbestimmt eine Lösung im Sinne des Kindeswohls zu finden. Tatsächlich sind es überraschend viele Eltern, die dazu nach gutem respektvollem Zureden bereit sind. Entscheiden die Experten übers Kindeswohl, dann bleiben nicht selten verbitterte Scheidungsopfer – ein Elternteil und die Kinder – zurück“, meint Ulbrich.
Nichteheliche Lebensgemeinschaften
In der Statistik werden die Trennungen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht erfasst. „Hohes Konfliktpotential haben diese Trennungen, wenn kleine Kinder involviert sind, dem Vater der Umgang verweigert wird und die Mutter zum Kindesunterhalt noch Betreuungsunterhalt fordert. Dieses Konfliktfeld hat erheblich zugenommen entsprechend der Zunahme von nichtehelichen Lebensgemeinschaften“, stellt Ulbrich schon seit Jahren fest. Väter nicht in der Ehe geborener Kinder haben da schlechte Karten, wenn die Mutter nicht will. „Allerdings drängen manche Jugendämter inzwischen auch da Umgang und möglichst auch Betreuung zuzulassen“, sagt Ulbrich.
Der Verband sieht Reformbedarf, nicht nur der Betreuungsunterhalt der Mütter – was ja die Reform Buschmanns vorsieht - darf aufgebessert werden, sondern auch das Sorgerecht der Väter muss reformiert werden. Der Verband fordert für nichtverheiratete Väter und ihre Kinder gemeinsame elterliche Sorge ab Geburt und Feststehen der Vaterschaft.