Staat will Kinder und Eltern besser schützen und stützen

Mit dem Gesetz strebt die Koalition eine Reform der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch der Hilfe für kranke und überforderte Eltern an. Kinder, Jugendliche und Eltern in belastenden Lebenssituationen sollen unterstützt werden, indem Pflegeeltern, Betreuungseinrichtungen, Jugendämter und nicht zuletzt wohl auch die Eltern strenger und nachhaltiger kontrolliert, aber auch beraten werden. „Diese Reform ist überfällig, es verwundert, dass sie jetzt erst kommt. Der Gesetzentwurf enthält mehrere begrüßenswerte Ansätze und Absichten. Wir fordern, dass über Kinder und Eltern nicht einfach entschieden wird, sondern sie lösungsorientiert beraten werden. Kinder und Eltern dürfen nicht Objekte der Behörde Jugendamt sein, sondern Partner mit denen Lösungen erarbeitet, Entscheidungen kommuniziert werden“, fordert der ISUV-Vorsitzende, Rechtsanwalt Klaus Zimmer.

Begrüßenswert ist in jedem Fall, dass die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden, den Familien- und Jugendgerichten verbessert werden soll. Wenn jemand das Jugendamt über mögliche Gefährdung des Kindeswohls informiert, soll er künftig eine Rückmeldung erhalten, was bisher nicht selbstverständlich ist. Der Kinderwille soll stärkere Berücksichtigung finden, indem eine unabhängige Beratung – „Ombudsstellen“ in den Bundesländern – aufgebaut wird. Sehr begrüßenswert auch der Rechtsanspruch der Eltern auf Beratung und Förderung der Beziehung zum Kind, auch wenn dieses in einer Pflegefamilie oder einem Heim untergebracht ist. Wichtig und richtig auch, Geschwister sollen nach einer Inobhutnahme zusammenbleiben, ihre Beziehung soll gefördert werden.

Misstrauen bleibt allerdings angebracht. Handelt es sich nur um rhetorisch-euphemistische Nebelkerzen, die problemlos, weil belanglos die parlamentarischen Hürden passieren? - Wie soll man folgenden Satz verstehen: „Es wird klargestellt, dass Eltern unabhängig von der elterlichen Sorge regelmäßig in dem Maße an der Hilfeplanung zu beteiligen sind, in welchem ihre Mitwirkung erforderlich ist, wenn dadurch der Hilfeprozess nicht in Frage gestellt wird.“ Eltern sollen also des Weiteren nur soweit eingeplant werden, soweit ihre „Mitwirkung“ erforderlich ist? Wer entscheidet darüber, wann das Erfordernis besteht? Wer entscheidet darüber, wann Eltern den Hilfeprozess behindern? Wenn die leiblichen Eltern mehr Umgang zu ihrem Kind wünschen, behindern sie dann den Hilfeprozess? Wenn die Pflegeeltern den Umgang mit den leiblichen Eltern verhindern, nicht kommunikationsbereit, nicht bindungstolerant sind, behindern sie dann den Hilfeprozess für das Kind? Wie und von wem werden die Kinder in ihrem Willen gestärkt? „Das neue Gesetz muss diese praktischen Fragen transparenter, mit mehr Empathie angehen und beantworten. Der Familienausschuss und der Rechtsausschuss und nicht zuletzt die Fachausschüsse in den Ländern sind gefordert“, hebt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler hervor.

Auch die Stellung des Pflegeeltern soll gestärkt werden, zum „Schutz gewachsener  Bindungen und Beziehungen“. Sollen mittels dieser wohlklingenden Formulierung die leiblichen Eltern aus dem Leben der Kinder gedrängt werden? „Die leiblichen Eltern sind wichtig für die Identitätsfindung des Kindes. Es muss daher ein Anliegen sein,  strafrechtlich unbescholtenen leiblichen Eltern Betreuungsmöglichkeiten  einzuräumen. Das Ziel Rückführung zu den leiblichen Eltern ist verfassungsrechtlich geboten. Es geht um Bindungstoleranz von Pflegeeltern und Pflegeheimen“, fordert Linsler.