Trennung & Scheidung: "Muss nicht zum Rosenkrieg ausarten"

Melanie Ulbrich: Bundesvorsitzende des Interessenverbands Unterhalt und Familienrecht (ISUV) mit Sitz in Aschaffenburg im Interview

„Eine Trennung muss nicht unbedingt zum Rosenkrieg ausarten. Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht setzt sich mit den Beteiligten an einen Tisch.“

 

Ein Interview aus der Main-Echo Tageszeitung mit Redakteurin Eva-Maria Lill.

Trennung, Scheidung - und dann?

Vielen Menschen, sagt Melanie Ulbrich, fehle das Wissen, welche Schritte im Fall der Fälle sinnvoll sind. Die 50-Jährige ist seit 2021 Bundesvorsitzende des Interessenverbands Unterhalt und Familienrecht (ISUV), leitet seit etwa drei Jahren die Kontaktstelle des Verbands in Aschaffenburg (siehe „Hintergrund“).

Ende November 2022 richtete der Verband in Kooperation mit Anwälten für Familienrecht in den Räumen der Volkshochschule erstmals ein „Speeddating“ aus, bei dem Interessierte eine Viertelstunde lang einem Fachanwalt Fragen rund um die Themen Trennung, Scheidung, Unterhalt und Co. stellen konnten. Wir haben im Vorfeld mit Ulbrich gesprochen.

Erleben Sie es oft, dass Menschen nach einer Trennung oder Scheidung nicht weiterwissen?

Ja. Die meisten sind zunächst überfordert. Und in dieser Überforderung laufen viele direkt zum Anwalt, das kann teuer werden. Der ISUV kann helfen. Wir lichten den Dschungel des Familienrechts.

Inwiefern?

Wir sind eine bundesweite Organisation, ein Interessenverband und zugleich eine Art Selbsthilfeorganisation. Im Kern ist unsere Aufgabe, Menschen in Trennung und Scheidung zu unterstützen. Wir versuchen, sie durch diese Zeit zu leiten, ohne, dass sie sich zu sehr aufreiben müssen - sowohl nervlich als auch finanziell. Wir versuchen, klarzumachen, dass man nicht streiten muss. Es muss nicht zum Rosenkrieg ausarten. Auch informieren wir, indem wir Vorträge organisieren. Diese werden meist von Fachanwälten für Familienrecht gehalten. Es ist wichtig, bei Fragen rund um Trennung und Scheidung zu einem Anwalt zu gehen, der sich spezialisiert hat. Das Familienrecht ist sehr komplex.

Was sind die häufigsten Fragen?

Viele Menschen wissen zum Beispiel nicht, dass man ganz viel selbst regeln kann. Ich kann mich mit einem Partner an einen Tisch setzen, falls wir das noch schaffen, und vieles besprechen. Wir können ausmachen, wie viel Unterhalt ich bekomme, was die Kinder bekommen, wie oft jemand die Kinder sieht. Das alles können wir festlegen, es zu einem Anwalt bringen und unterschreiben. Dann muss man eigentlich nur einmal zu Gericht gehen und das Scheidungsurteil abwarten. So kann man sehr viel Geld sparen.

Ist Geld das Hauptthema?

Man kann schon sagen, dass die häufigsten Fragen zum Thema Unterhalt gestellt werden. Männer haben Angst, Ehegattenunterhalt zahlen zu müssen. Frauen haben Angst, ohne Unterhalt nicht zurechtzukommen. Aber auch Umgang spielt eine wichtige Rolle, sobald Kinder da sind. Es ist enorm wichtig, dass man Eltern bleiben kann, auch wenn man sich trennt. Das Kind darf nicht unter der Entscheidung der Eltern leiden. Leider beobachten wir oft, dass Kinder instrumentalisiert werden.

Gibt es Tipps zum Thema Unterhalt?

Man sollte gleich bei der Trennung eine Forderung nach Unterhalt stellen, weil man Unterhalt nur sehr bedingt rückwirkend geltend machen kann. Man sollte das schriftlich festhalten. Nach dem Motto: Ich trenne mich von dir, ich fordere Unterhalt und das Datum. Nicht einmal die Höhe des Unterhalts muss ich gleich wissen. Dieses Schreiben aufsetzen sollte der Partner, der weniger Gehalt bekommt. Oft ist dies noch immer die Frau. Uns fällt auf, dass viele Frauen gar nicht wissen, was ihr Partner verdient - das sollte nicht sein. Enorm wichtig ist auch ein genaues Trennungsdatum. Und zwar eines, mit dem beide Partner einverstanden sind.

Sind die Ängste nach einer Trennung noch immer derart geschlechterspezifisch?

Oft, ja. Es ist aber auch so, dass Männer, die Unterhalt zahlen müssen, oft sehr schlecht dastehen. Sie haben auch Existenzängste. Uns ist es extrem wichtig, dass wir integrativ sind, also beide Seiten sehen wollen und auch vermitteln. Unsere Spezialität ist ja, dass wir beide Seiten auf einmal beraten dürfen. Anwälte dürfen das zum Beispiel ja nicht. Auf beiden Seiten gibt es viel Bedarf, aber oft eine Hemmschwelle. Es gehört schon Mut dazu, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht, dass man gescheitert ist, dass man es nicht allein schafft. Die Partner sollten sich außerdem klar machen: Irgendwann einmal habe ich diesen Menschen geheiratet, wir waren uns nahe. Natürlich gibt es viele Verletzungen. Aber man sollte sich schon fragen, ob man sich so streiten muss. Ein Rosenkrieg ist auch für einen selbst sehr schlecht.

Hintergrund: Veranstaltungen und Kontakt

Der gemeinnützige Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) ist eine Selbsthilfeorganisation. Er informiert und berät seit über 40 Jahren zu den Themen Trennung, Scheidung und rechtliche Grundlagen. Er hat etwa 6000 Mitglieder, fast alle arbeiten ehrenamtlich, mit Ausnahme einiger Teilzeitkräfte im Nürnberger Hauptsitz. Auf der Homepage des Verbandes heißt es, er sei „aus der Erfahrung heraus gegründet, dass die Gesellschaft die Probleme der Getrenntlebenden und Geschiedenen, der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und die von deren Kindern häufig ignoriert“. Das führte dazu, dass das geltende Familien- und Unterhaltsrecht, das Kindschaftsrecht und die Rechtsprechung der Familiengerichte zahlreiche Mängel aufweisen.

In ganz Deutschland gibt es Kontaktstellen, an die sich Hilfesuchende wenden können - unter anderem in Aschaffenburg. Dort ist Melanie Ulbrich Ansprechpartnerin - zugleich Bundesvorsitzende des Verbands. Sie hat sich gemeinsam mit Aschaffenburger Anwälten ein neues Format überlegt: „Speeddating mit Fachanwalt“. 
Wer am Mittwoch, 30. November 2022, 19 Uhr, in die Volkshochschule Aschaffenburg, Luitpoldstraße 2, kam, hatte 15 Minuten Zeit, allein mit einem Fachanwalt für Familienrecht zu sprechen. Unter vier Augen und für individuelle Fragen.

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen finden sie hier.

ISUV – Kompetenz im Familienrecht seit über 45 Jahren

Der ISUV vertritt als größte deutsche und überparteiliche Solidargemeinschaft die Interessen von Bürgern, die von Trennung, Scheidung und den damit zusammenhängenden Fragen und Problemen - elterliche Sorge, gemeinsame Elternschaft trotz Trennung, Umgangsrecht, Kindesunterhalt, Unterhalt für ehemalige Ehegatten, Vermögensausgleich, Ausgleich der Rentenansprüche - betroffen sind.

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