Trennung: Wenn das Geld nicht mehr reicht - Selbstbehalt - Sozialleistungen: Wohngeld, Bürgergeld
Laut statistischem Bundesamt vom 11.6. liegt die Inflationsrate bei 6,1 Prozent. Unterhaltspflichtige und Bürgergeldempfänger müssen rechnen – und immer wird vergleichen: Wer hat, wem bleibt mehr zum Leben? Ein wichtiger Posten sind die Wohnkosten.
Kinderarmut ist seit Jahren ein politischer Dauerbrenner. Kinderarmut „bekämpfen“, das klingt gut, ist ein Narrativ. Betrachtet man nüchtern die Zahlen und die soziale Lage von Familien, insbesondere Trennungsfamilien, stellt man fest, Kinderarmut ist Elternarmut.
Dies zeigt sich unmittelbar nach der Trennung. Was tun, wenn das Geld für zwei Wohnung und doppelte Haushaltsführung einfach nicht reicht? „In keinem Fall sich in Unterhaltsprozessen zerfleischen, kühlen Kopf behalten, den Kindesunterhalt berechnen lassen, bezahlen. Wenn dann zu wenig zum Leben bleibt, Sozialleistungen wie Bürgergeld oder Wohngeld beantragen“, rät die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.
Hintergrund
Hat vor der Trennung das Haushaltseinkommen für ein „sicheres Leben“ gereicht, so ändert sich dies danach grundlegend für Unterhaltspflichtige und Unterhaltsberechtigte. Vor drei Jahren waren nur die Einkommensgruppen 1 bis 2 – bis 2300 Euro - der Düsseldorfer Tabelle als „Mangelfälle“ betroffen, d. h. das Einkommen reichte nicht, der notwendige Eigenbedarf konnte nicht mehr eigenständig finanziert werden, wenn Kinder, wenn mehrere Kinder mit eingeschlossen waren.
Seit zwei Jahren betrifft dies auch die Einkommensgruppen 3 bis 5, also bis 3500 EURO. Ursachen sind die überdimensional angestiegenen Lebenshaltungs- und Wohnkosten. „Eltern sind davon viel mehr betroffen als Singles, Kinderlose, Trennungseltern aber am meisten“, hebt Melanie Ulbrich hervor.
Unzufriedenheit von Trennungseltern
„Vorher konnte eine Waschmaschine aus dem laufenden Einkommen bezahlt werden, jetzt gerate ich immer in Panik, wenn eine Reparatur anfällt oder ein Gerät ersetzt, neu angeschafft werden muss. Nur Ratenzahlung geht so einigermaßen. Urlaub mit den beiden Kindern geht nur, wenn ich einen Kredit aufnehme“, umschreibt ein ISUV-Mitglied die Situation.
„Ich höre massive Kritik, Unzufriedenheit, man fühlt sich nicht respektiert. Berechtigte Existenzängste haben zugenommen“, stellt Melanie Ulbrich bei Mitgliedern fest. Ursachen der Unzufriedenheit sind laut Ulbrich, die hohe Anhebung der Unterhaltsbeträge am 1.1.2023, in der Spitze waren das bis zu 17 Prozent, die unzureichende Berücksichtigung der Wohnkosten, Anrechnung von fiktivem Einkommen, Pflicht zum Zweitjob, um Mindestunterhalt zu sichern, mangelnde Aufklärung über sozialrechtliche Ansprüche.
Laut Ulbrich fällt auf: „Seit Einführung des Bürgergeldes wird die eigene soziale Situation verstärkt mit der von Bürgergeldempfängern verglichen. Es geht auch ohne Arbeit meinen manche. Noch ist das meist nur ein Gedankenspiel.“
Finanzieller Nachteil Unterhaltspflichtiger
Die Wohnkosten sind aus dem Ruder gelaufen, ein Ende ist nicht in Sicht. Das trifft Unterhaltspflichtige der ersten fünf Einkommensgruppen hart. Einer Einzelperson stehen beim Selbstbehalt 520 EURO zu. Das muss für eine warme Wohnung reichen. Problem dabei ist, dass sich die Wohnkostenpauschale des Selbstbehalts nicht jährlich den steigenden Wohnkosten anpasst. Eine Neufestsetzung findet in unregelmäßigen Abständen zwischen drei und fünf Jahren statt. „Das wird von den Unterhaltspflichtigen seit Jahren heftig kritisiert. Eine Lösung wird seit Jahren aufgeschoben“, hebt die ISUV-Vorsitzende hervor.
Das Bürgergeld dagegen sichert einer Einzelperson Leistungen von € 684,00 für Wohnkosten zu. Hinzu kommt, die Wohnkosten werden jährlich angepasst. Dies führt dazu, dass es zwischen den „familienrechtlichen“ und den „sozialrechtlichen“ Wohnkosten eine erhebliche Differenz gibt: 520 zu 684 Euro, eine Differenz von 164 EURO. Das Ungleichgewicht hat sich inzwischen vergrößert. Sozialrechtsanwalt Manfred Hanesch rechnet für Darmstadt vor: „Die übernahmefähigen Wohnkosten sind inzwischen auf 810 EURO angestiegen. So entstand eine Differenz von bis zu 290 EURO im Vergleich zum Selbstbehalt.“
Die Leistungen des Bürgergeldes sind flexibler, weil sie sich an den örtlichen Miettabellen orientiert. Das bedeutet, wenn die örtlichen Wohnkosten höher sind, werden auch die Leistungen entsprechend angepasst. Beim Selbstbehalt gibt es die Pauschale von 520 EURO, wer mehr braucht, muss die Anpassung bei Gericht erstreiten.
„Das ist mit Unsicherheit und Kosten verbunden, Einzelrechtsprechung, Ende offen“, kritisiert Hanesch. „Ohne eine Regionalisierung der Wohnkosten ist der Unterhaltsverpflichtete gegenüber einem Empfänger von Bürgergeld im Nachteil“, stellt Hanesch fest. Dieser Nachteil betrifft die Unterhaltspflichtigen der ersten fünf Stufen der Düsseldorfer Tabelle. „Das Problem ist bekannt, es kann nicht länger verdrängt und aufgeschoben werden. Jetzt müssen die Weichen auf Regionalisierung der Wohnkosten gestellt werden“, fordert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.
Unterstützung von ISUV
Da in immer mehr Fällen das Geld nicht reicht, stellt ISUV ein Sozialrechts-Team bereit, das mit Betroffenen auslotet, ob sich ein Antrag auf Wohngeld oder Bürgergeld lohnt. Ist dies der Fall, kann bei Antragstellung unterstützt werden.
Betroffene können sich per Mail hilfesozialrecht(at)isuv(dot)de an den Verband wenden, Sozialrechtscoach Gordon Vett kann direkt kontaktiert werden: 0177/4743661, Mo. bis Do. 9.00 – 16.00 Uhr. Zum ISUV-Sozialrechtsteam gehört auch Rechtsanwalt Manfred Hanesch, Fachanwalt für Familienrecht und Sozialrecht.
Für die ISUV-Vorsitzende ist es ein zentrales Anliegen: „Gemeinsame Betreuung darf nicht am Geld scheitern. Es geht darum, unterhaltspflichtige Mütter und Väter, die vollerwerbstätig sind, Kinder mitbetreuen, darin zu bestärken, sozialrechtliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, die sie sich verdient haben.“