Trotz voller Berufstätigkeit: Unterhaltspflichtigen bleibt immer öfter nicht mehr als Bürgergeldempfängern
„Arbeit lohnt sich immer“, heißt eine fast amtliche Botschaft. Unter der Rubrik „Singles“ fehlen „Singles“, die Unterhalt leisten. Auf unsere Rückfrage, warum Unterhaltspflichtige nicht berücksichtigt sind, kam die Antwort: „Single mit Unterhaltsverpflichtungen sind ein Sonderfall.“- Nein, kein Sonderfall, sondern das betrifft hunderttausende Väter und Mütter.
Erhöhung des Bürgergeldes führt zu „Motivationsdefiziten“ bei Unterhaltspflichtigen
Bei den „Singles mit Unterhaltsverpflichtungen“ handelt es sich um Eltern. Den Eltern muss ein notwendiger Eigenbedarf bleiben – der „Selbstbehalt“, also der Betrag, den unterhaltspflichtige Eltern von ihrem Lohn behalten dürfen, um leben und arbeiten zu können. In den „Eckpunkten“ von Justizminister Buschmann werden wichtige Korrekturen zum Selbstbehalt angesprochen: Regelung des Selbstbehalts durch Verordnung, Hervorhebung, dass der Selbstbehalt nicht unterschritten werden darf, Regionalisierung der Wohnkosten. „Wir begrüßen diese dringend notwendigen Korrekturen, aber das ist zu wenig. Der Selbstbehalt von 1370 EURO muss auf 1600 EURO erhöht werden, so dass unterhaltspflichtigen Eltern erheblich mehr bleibt als Bürgergeldempfängern“, fordert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.
Ulbrich hebt hervor, dass die Erhöhung des Bürgergeldes um 12 Prozent zu „Motivationsdefiziten“ bei Unterhaltspflichtigen führt. In der Mail eines ISUV-Mitglieds heißt es: „Mein Lohn steigt nicht um 12 Prozent, der Selbstbehalt sowieso nicht, aber immer der Kindesunterhalt. Mir bleibt nicht viel mehr als Bürgergeld. Kann mir jemand erklären, warum ich noch arbeiten soll?“ Der Verband verweist darauf, dass Unterhaltsschuldner Steuern und Sozialabgaben zahlen, für Kinder Unterhalt und vielfach Betreuung leisten. „Da muss einfach mehr beim Unterhaltsschuldner hängenbleiben, ebenso mehr Respekt rüberkommen“, sagt Ulbrich.
Einseitiger Ausgangspunkt der Düsseldorfer Tabelle
Bei ISUV herrscht die Meinung vor, das Kindesunterhaltsrecht krankt an einem grundsätzlichen Strukturfehler, der im Zuge der Reform angegangen werden muss. Die Düsseldorfer Tabelle fordert einseitig einen nicht näher begründeten Bedarf des Kindes ein, den der Unterhaltsschuldner zu leisten hat.
Unberücksichtigt bleibt dabei der angemessene Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners. „Der Bedarf des Kindes und der des Schuldners sind gleichberechtigt. Beide Bedarfe sind von einem Einkommen zu befriedigen. Das Einkommen ist also angemessen zwischen Kind und unterhaltspflichtigen Elternteil aufzuteilen. Grundsätzlich müssen jedem Unterhaltspflichtigen 50 Prozent seines Nettoeinkommens bleiben“, fordert Ulbrich und fährt fort: „Hier muss auf jeden Fall nachgebessert und klargestellt werden.“
Eckpunkte: Parallelität von Mindestunterhalt und Selbstbehalt
Von gerechter Aufteilung des Einkommens kann schon allein deswegen nicht die Rede sein, weil zwar jedes Jahr der Kindesunterhalt erhöht wird, der Selbstbehalt teilweise drei Jahre unverändert blieb. Die Festsetzung des Existenzminimums von Kindern wurde durch Mindestunterhaltsverordnung des Justizministeriums geregelt, die Regelung des Existenzminimums des Unterhaltsschuldners aber Richtern der Oberlandesgerichte überlassen.
Forderung von ISUV war und ist, dass Mindestunterhalt und Selbstbehalt parallel und durch die Politik festgelegt werden. Vorherige Regierungen hatten das in Aussicht gestellt, passiert ist nichts. Buschmann möchte das jetzt umsetzen Mindestunterhalt und Selbstbehalt sollen parallel durch das Justizministerium festgelegt werden.
Ergänzend dazu ist die Ankündigung wichtig, dass dem Unterhaltspflichtigen zumindest „der notwendige Selbstbehalt verbleiben muss“. Hintergrund ist, bisher wurde teilweise mit fragwürdigen Argumenten von Gerichten sogar der Selbstbehalt unterschritten.
Eckpunkte: Regionalisierung der Wohnkosten
Für die Wohnkosten muss eine realistische und angemessene Regelung gefunden werden, war und ist eine zentrale ISUV-Forderung. Im notwendigen Selbstbehalt sind 530 EURO für ein warme Wohnung vorgesehen. Dass dies nicht annähernd reicht, ist seit Jahren klar. Aber geändert wurde nichts. „Wir haben mehrfach als Lösung eine Regionalisierung der Wohnkosten vorgeschlagen. Erfreulicherweise wird das jetzt in den Eckpunkten aufgegriffen“, stellt Ulbrich fest. Die Wohnkosten beim Selbstbehalt sollen sich künftig am Wohngeldgesetz und dem regionalen Mietspiegel orientieren. Es wird also keinen bundesweit einheitlichen Selbstbehalt mehr geben. Der Selbstbehalt wird in Metropolen höher sein als in ländlichen Regionen.
„Angemessene Betreuung“ & „Angemessene Wohnung“
Offen ist die Frage, was eine angemessene Wohnung für einen Elternteil ist, der die Kinder 22, 29, 40 Prozent betreut. Steht den Kindern in jedem Fall unabhängig vom Betreuungsanteil eine angemessene Wohnung zu? Kann man sich bezüglich Größe am Sozialrecht orientieren? Für eine Einzelperson gilt eine Einzimmerwohnung als angemessen. Findet regelmäßig Umgang mit Kindern statt, gilt entsprechend dem Sozialhilferecht eine 2 - oder 3-Zimmer-Wohnung als angemessen. „Das ist in der Praxis wichtig und sollte grundsätzlich geklärt werden. Die Erfahrung zeigt, dass der Umgang mit den Kindern langfristig nur bei entsprechender Größe der Wohnung gesichert ist“, stellt Ulbrich fest.
Unterhaltspflichtige, denen nicht viel mehr als Bürgergeldempfängern bleibt, verweisen immer auf den Anspruch einer angemessenen warmen Wohnung. „Bei den hohen Mietkosten und Energiekosten ist das sehr viel wert, wenn der Staat eine warme Wohnung zur Verfügung stellt. Ich suche seit einem halben Jahr nach einer Zwei- oder Dreizimmerwohnung und finde nichts Bezahlbares. Da fragt man sich schon, ob sich Arbeit noch lohnt“, schreibt ein ISUV-Mitglied.
Deshalb fordert die ISUV-Vorsitzende: „Unterhaltspflichtige Trennungseltern dürfen nicht schlechtergestellt werden. Sie haben ebenso Anspruch auf eine angemessene Wohnung wie Bürgergeldempfänger. Wenn das Einkommen nicht reicht, dann müssen sie auf Wohngeld
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