Unterhaltspflichtige Mütter & Väter werden unangemessen geschröpft

Laut statistischem Bundesamt sind die Löhne in Deutschland zwar gestiegen, aber die Preise umso mehr. Das bedeutet, die Arbeitnehmer bekommen weniger fürs Geld, die Kaufkraft ist zurückgegangen. Das trifft Unterhaltszahlerinnen und Unterhaltszahler besonders hart.

 

 

Doppelbelastung Unterhaltspflichtiger

Das Statistische Bundesamt verzeichnet einen Rückgang der Reallöhne um durchschnittlich 4,1 Prozent im Vergleich 2021. Schon seit zwei Jahren wird eine negative Lohnentwicklung festgestellt. Im Gegensatz zur realen Lohnentwicklung wurde der Kindesunterhalt im gleichen Zeitraum um 21,8 Prozent angehoben, allein am 1.1.2023 stieg er um 10 Prozent.

Die Düsseldorfer Tabelle 2023 lässt wie schon in den Jahren zuvor, den Kaufkraftverlust völlig außeracht. Der Unterhalt wird schematisch entsprechend der Inflationsrate angehoben. In diesem Jahr mit 10 Prozent viel zu hoch. Die durchschnittliche Inflationsrate beträgt 7,4 Prozent. Derartige überproportionale Anhebungen gehen einseitig zu Lasten der Unterhaltspflichtigen und sind so nicht mehr hinnehmbar“, kritisiert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.

Viele ISUV-Mitglieder kritisieren laut Ulbrich eine weitere Ungerechtigkeit, die meist gar nicht beachtet wird.

 

 

„Berufstätige Unterhaltspflichtige müssen bluten.“

„Ich verdiene heute monatlich 1989 EURO, im Jahr zuvor waren es 1894 EURO. Ich rutsche also in der Düsseldorfer Tabelle 2023 eine Stufe höher. Vorher zahlte ich 345,50 EURO monatlich, jetzt muss ich laut Berechnung des Jugendamts 403 EURO zahlen. Das ist ein satter Aufschlag von 58 EURO. Von der Lohnerhöhung von 95 EURO bleiben mir noch 37 EURO. Wenn ich das richtig verstehe, hat sich meine Unterhaltszahlung nicht um 10 Prozent erhöht, sondern um 18 Prozent. Mir bleiben also noch 1586 EURO, ich komme dem Selbstbehalt von 1370 EURO immer näher.

Die unterhaltsberechtigte Mutter hat mit Halbtagsarbeit, Kindergeld, Kindesunterhalt ein Haushaltseinkommen von 2260 EURO. Mit Freibetrag und Steuerklasse II dürfte es mehr sein. Im Vergleich dazu zahle ich Steuern wie ein Kinderloser. Unsere Tochter betreue ich die Hälfte der Ferienzeit und an jedem zweiten Wochenende, was nicht unterhaltsrelevant ist. Berufstätige Unterhaltspflichtige müssen bluten.

 

 

ISUV-Forderungen

Bei Unterhaltsfestsetzung muss der Reallohn der entscheidende Parameter sein, nicht irgendwelche weit dehnbaren sozialen Wünsche, wie „soziale Teilhabe“, mit denen sich dann immer Bedarf generieren lässt.

„Es ist unsozial, wenn - wie im Beispiel – von 95 EURO nur noch 37 EURO beim voll berufstätigen Unterhaltspflichtigen bleiben. Arbeit muss sich lohnen, das muss sich ganz besonders bei den unteren vier Einkommensgruppen zeigen“, fordert Ulbrich.

Der Verband ISUV e.V. fordert eine umfassende Reform des Kindesunterhaltsrechts. Diese ist notwendig, denn die Düsseldorfer Tabelle 2023 ist in Schieflage.Kindesunterhalt muss sich an realen wirtschaftlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten und nicht an beliebig ausweitbaren sozialen Bedarfen orientieren. Das gilt für jede „normale“ Familie, erst recht für eine Trennungsfamilie“ ergänzt Pressesprecher Josef Linsler.

 

 

Gesetzgeber ist gefordert

Weder Bundestag oder Bundesrat noch die Bundesregierung sind an der Erstellung der Düsseldorfer Tabelle beteiligt. Immer heißt es in den „Anmerkungen“, die Düsseldorfer Tabelle 2023 „beruht auf Koordinierungsgesprächen, die unter Beteiligung aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. stattgefunden haben“.

ISUV-Pressesprecher Linsler meint: „Dies ist zumindest bedenklich, weil es sich um eine wichtige sozialpolitische Frage handelt, die von der Justiz geregelt und dann quasi auch von der Justiz umgesetzt wird. Bedenken wurden schon immer geäußert.“

So stellt Prof. Dr. Isabell Götz, Vors. Richterin am OLG, Mitherausgeberin der FamRZ und Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages im Newsletter 11/2022 der FamRZ kritisch fest und fordert gleichzeitig:
„Die neue Rechtsprechung des BGH mag gesellschaftliche Entwicklungen aufgreifen. Trotzdem bleibt eine stringente, gut handhabbare Neuregelung im Unterhalts- wie im Kindschaftsrecht eine Aufgabe für den Gesetzgeber. In der vergangenen Wahlperiode haben weder die zunächst angekündigte grundlegende Reform des Kindesunterhalts- und Kindschaftsrechts, noch die abgespeckte Teilreform (dazu BT-Drucks. 19/21489) das Licht der Welt erblickt. Aber vielleicht entbindet ja die vom derzeitigen Justizminister für diese Legislaturperiode angekündigte „große Reform“ im Familienrecht den BGH endlich von seiner Rolle als Ersatzgesetzgeber. - Nicht nur die betroffenen Familien würden aufatmen.“

„Treffender lässt sich das nicht sagen, auch der ISUV und seine Mitglieder würden aufatmen“, fügt Pressesprecher Linsler hinzu.