Update des Familienrechts – Hearing der FDP: Quo vadis Kindesunterhaltsrecht?

Bild: In der Mitte Katrin Helling-Plahr, rechtspolitische Sprecherin der FDP, organisierte und moderierte den Familienrechtstag. Über viele Jahre engagiert sie sich für die Reform des Familienrechts und für die Rechte von Trennungsfamilien. Links im Bild die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich, rechts Pressesprecher Josef Linsler.

Am 13. März hatte die FDP zu einer Familienrechts-Konferenz Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden und Parteien geladen. Initiatorin und Impuls Geberin war die rechtspolitische-Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr. Ziel war ein Agenda Setting von Ideen und Vorstellungen der Verbände zur anstehenden Reform des Kindesunterhaltsrechts.

Der ISUV war bei der FDP-Familienrechtskonferenz vertreten durch die Verbandsvorsitzende Melanie Ulbrich und den Pressesprecher Josef Linsler, die den Reformbedarf anteaserten und praktische Reformvorschläge ansprachen.

Kindesunterhaltsrecht und Kindergrundsicherung

Die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich hob hervor: Aufgrund der aktuellen Diskussion über die Kindergundsicherung und deren Finanzierung hat die Reform des Kindesunterhaltsrechts erheblich an Schub gewonnen. Denn es gibt Schnittstellen zwischen Unterhaltsrecht und Sozialrecht, die bisher zu wenig beachtet wurden, die aber bei der Reform des Unterhaltsrechts berücksichtigt werden müssen.

Diesem Umstand wurde insofern Rechnung getragen, dass neben der Moderatorin Katrin Helling-Plahr auch der sozialpolitische Sprecher der FDP, Martin Gassner-Herz, anwesend war und in die Diskussion eingriff. Katrin Helling-Plahr gilt unser besonderer Dank. Sie hat in den letzten Jahren immer wieder unseren Forderungen aufgegriffen und auf die Agenda gebracht.

Diese Schnittstellen haben wir in der Vergangenheit immer wieder – beispielsweise bei der Klausurtagung – Thema „Kindergrundsicherung“, siehe auch Report 171, S. 12 ff. – hervorgehoben. Die Kostenexplosion in nahezu allen existentiellen Bereichen hat dazu geführt und wird weiter dazu führen, dass immer weniger Eltern die Kindergrundsicherung vollständig werden leisten können und daher auf Sozialleistungen zurückgreifen müssen. Auch darauf haben wir uns vorbereitet:

Reform jetzt – Hintergrund

Seit einigen Jahrzehnten wird die Höhe des Kindesunterhalts schematisch nach der Düsseldorfer Tabelle festgelegt. Von kritischen Beteiligten wurde mehrfach auf die „Schieflage“ hingewiesen und Reformbedarf angemahnt. Auch mehrere unserer Mitglieder haben uns immer wieder darauf hingewiesen. In der Tabelle wurden und werden weiterhin Beträge gefordert, die nicht zahlbar sind, ohne dass der Selbstbehalt unterschritten wird. Die DTB produziert Mangelfälle.

Trotz mehrfacher Ankündigungen: Passiert ist aber nichts. Die Erhöhung des Kindesunterhalts in diesem Jahr brachte das Fass zum Überlaufen. Uns erreichten viele Beschwerden von Mitgliedern, die die Beträge nicht zahlen können.

Hintergrund ist die Inflation, die vorauseilend von den Machern der DTB gleich auf 10 Prozent angesetzt wurde. Dies geht immer wieder einseitig zu Lasten der Schuldner in einem doppelten Sinne - und erzeugt Spannungen in den Trennungsfamilien.

ISUV-Mitglieder wiesen uns mehrfach auf diese Situation hin: Verdiente ein Schuldner im vergangenen Jahr z.B. 2500.- € netto und verdient derselbe Schuldner in diesem Jahr 10 % mehr, also 2.750.- € netto im Monat, bleibt sein Lebensstandard wegen der Inflation gleich. Aber der Anspruch auf Kindesunterhalt nach der Tabelle steigt jedoch nicht nur um 10 %. Der Schuldner soll vielmehr statt zuvor 501.-€ jetzt 578.- € monatlich bezahlen, also gut 15 % mehr. Dies beruht darauf, dass er in der Düsseldorfer Tabelle in eine höhere Gehaltsstufe eingruppiert wurde, so als hätte er einen realen Einkommenszuwachs erfahren.

Sollte die Inflation weiter andauern, so würde, wenn sich nichts ändert, das Missverhältnis zwischen realem Einkommen und zu zahlendem Unterhalt immer größer. Für Unterhaltsschuldner aus der Mittelschicht ist das ein Problem. Es erzeugt massiven Druck und Verdruss und provoziert gerichtliche Streitigkeiten. „Das Bürgergeld rückt immer näher“, schreibt ein Mitglied.

Eckpunkte Reform des Kindesunterhaltsrechts

Leitgedanke des künftigen Kindesunterhaltsrechts muss sein, beide Elternteile betreuen, beide bezahlen. „Das ist in den meisten jüngeren Familien schon Wirklichkeit, nach Trennung ist es eine soziale und wirtschaftliche Notwendigkeit, das Recht hinkt hinterher", betonte die ISUV-Vorsitzende.

Grundsätzlich fordert ISUV eine Abkehr von der Düsseldorfer Tabelle, die schematisch Unterhaltsbeträge auf der Basis des Mindestunterhalts festlegt. Der Verband hält es für gerechter, wenn durch eine kleine Änderung im BGB der Unterhalt an die Lebensstellung der Eltern gebunden wird. Einem Kind der mittleren Altersstufe - 6 - 11 Jahren - stünden dann einfach 15% des Nettoeinkommens des Unterhaltsschuldners zu. Der Kindesunterhalt orientiert sich dann unmittelbar an der Lebensstellung der Eltern, wie es das Gesetz eben vorsieht. Die Festsetzungen der Düsseldorfer Tabelle mit starren Einkommensgruppen werden dann nicht länger gebraucht. Viele Trennungseltern könnten aufatmen und Unterhaltsprozesse vermieden werden, weil die Unterhaltsberechnung einfacher und transparenter wäre.

Für die Berechnung der Betreuungsanteile im Kindesunterhalt kann sich ISUV folgenden Ansatz vorstellen: Die Einkünfte beider Elternteile sollten zusammengerechnet werden und daraus der Unterhaltsanspruch der Kinder errechnet und entsprechend die Haftungsanteile beider Eltern berechnet werden. Sinnvoll könnte hier eine Pauschalierung sein, weil man so ständige Anpassungen und somit auch Streit vermeiden könnte.

Des Weiteren fordert ISUV eine gesetzliche Regelung des notwendigen Eigenbedarfs – „Selbstbehalts“. Mit dem Mindestunterhalt kann parallel der „Mindestselbstbehalt“ festgelegt werden. Richtlinie muss sein, dass Unterhaltsschuldner und Unterhaltsschuldnerinnen auch die Miete in Frankfurt, Hamburg, München, … bezahlen können.

Sozialrechtliche Leistungen auch für betreuende Unterhaltspflichtige

Mangelfälle nehmen in den letzten Jahren stark zu. ISUV fordert deswegen, Unterhaltspflichtige müssen ebenso auf sozialrechtliche Leistungen zurückgreifen können. Bisher ist der unterhaltspflichtige Elternteil vom Bezug des Wohngeldes Kindergeldes und Kinderzuschlages ausgeschlossen. Daher fordert ISUV eine Beteiligung Unterhaltspflichtiger an diesen sozialrechtlichen Leistungen. In Bezug auf ihren Status sind betreuende unterhaltspflichtige Elternteile auch Temporäre Bedarfsgemeinschaften. Deswegen sollte ihnen ohne Wenn und Aber möglich sein, entsprechende Sozialleistungen abzurufen.

„Gut handhabbare Neuregelung im Unterhalts- und im Kindschaftsrecht“

Der Gesetzgeber muss jetzt schnell die Initiative ergreifen und die aus dem Ruder gelaufene Rechtsprechung einfangen und mit einfachen Regelungen ausstatten. Diese Forderung wird von Prof. Dr. Isabell Götz, Vors. Richterin am OLG, Mitherausgeberin der FamRZ und Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages im Newsletter 11/2022 der FamRZ unterstützt: „Die neue Rechtsprechung des BGH mag gesellschaftliche Entwicklungen aufgreifen. Trotzdem bleibt eine stringente, gut handhabbare Neuregelung im Unterhalts- wie im Kindschaftsrecht eine Aufgabe für den Gesetzgeber. In der vergangenen Wahlperiode haben weder die zunächst angekündigte grundlegende Reform des Kindesunterhalts- und Kindschaftsrechts, noch die abgespeckte Teilreform (dazu BT-Drucks. 19/21489) das Licht der Welt erblickt. Aber vielleicht entbindet ja die vom derzeitigen Justizminister für diese Legislaturperiode angekündigte „große Reform“ im Familienrecht den BGH endlich von seiner Rolle als Ersatzgesetzgeber. - Nicht nur die betroffenen Familien würden aufatmen.“ –

Nachgefragt

Was halten Sie, unsere Mitglieder von diesen Forderungen? Was möchten Sie noch mehr herausgehoben wissen? Welche Forderung möchten Sie noch miteinbringen? Soll in Ihren Augen die Düsseldorfer Tabelle ersetzt oder beibehalten werden? Zur Reform des Kindesunterhaltsrechts werden noch weitere Hearings folgen. – ISUV, Ihr Verband, möchte Ihre Interessen sachlich und kompetent vorbringen. Schreiben Sie uns, Zuschriften: j.linsler(at)isuv(dot)de

ISUV – Kompetenz im Familienrecht seit über 45 Jahren

Der ISUV vertritt als größte deutsche und überparteiliche Solidargemeinschaft die Interessen von Bürgern, die von Trennung, Scheidung und den damit zusammenhängenden Fragen und Problemen - elterliche Sorge, gemeinsame Elternschaft trotz Trennung, Umgangsrecht, Kindesunterhalt, Unterhalt für ehemalige Ehegatten, Vermögensausgleich, Ausgleich der Rentenansprüche - betroffen sind.

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