Wenn sich das Jugendamt des Kindeswohls bemächtigt…
Im Jahr 2021 haben die Jugendämter in Deutschland 47 500 Kinder und Jugendliche in ihre „Obhut“ genommen. Das sind 5 Prozent oder 2100 Fälle mehr als im vorangegangenen Jahr. Dies geht aus den heute veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Erfreulicherweise ist jede zweite Inobhutnahme spätestens nach zwei Wochen beendet. In den anderen Fällen erfolgt eine Fremdunterbringung in der Regel in Heimen oder bei Pflegeeltern. Manchmal ist mit der Inobhutnahme auch der Sorgerechtsentzug verbunden. ISUV betreut und berät Eltern, denen das widerfahren ist. Auf Grund dieser Erfahrung stellt die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich fest: „Wir begrüßen es, dass das Jugendamt genauer hinschaut, wenn für Kinder Gefahr in Verzug ist. Allerdings ist es bedenklich, wenn Eltern, die zum Jugendamt gehen und um Hilfe bitten, die Kinder weggenommen werden.“ Ulbrich fordert „mehr Transparenz bei Inobhutnahmen, Intensivierung der Beratung von Eltern, keine Einzelentscheidungen von Sozialarbeiterinnen, keine Entfremdung der Kinder“.
Als Anlass für Inobhutnahmen werden genannt die „Überforderung der Eltern“, „Vernachlässigung“, „psychische Misshandlung“, „körperliche Misshandlung“. Jedes achte Kind und fast jeder dritte Jugendliche war vor der Inobhutnahme von Zuhause weggelaufen.
Wenn Kinder weglaufen, weil sie einer kriminellen Umgebung entfliehen wollen, wenn Kindern Gewalt angetan wird, so ist die Inobhutnahme notwendig. „Wenn aber mit der Inobhutnahme Geschwistertrennung verbunden ist, wenn die Kinder von Pflegeeltern zu Pflegeeltern weitergereicht werden, wenn die Eltern überfordert, aber dennoch empathisch waren, wenn Verwandte einspringen und helfen können, wenn Pflegeltern den Umgang mit den leiblichen Eltern verweigern, wenn Pflege von Kindern Geschäftsmodell ist, sind Inobhutnahmen anders zu bewerten“, gibt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler zu bedenken und verweist auf Beispiele unter ISUV-Mitgliedern.
Besonders die Trennungs- und Scheidungssituation überfordert oft einen Elternteil. Unter den Inobhutnahmen sind überproportional viele Kinder von Alleinerziehenden. „In dieser Situation ist es wichtig, dass seitens des Jugendamtes auf die Betreuung durch beide Eltern gedrängt wird. Intensivere Hilfe und konkrete verständnisvolle nachhaltige Beratung der Eltern hilft mehr als der schnelle und sehr kostenintensive Cut durch eine Inobhutnahme“, fordert Ulbrich.
Die schnelle Rückführung der Kinder in die – nicht kriminelle - Ursprungsfamilie hat angeblich oberste Priorität. „Wir halten das für richtig und wichtig, auch wenn die Bedeutung der leiblichen Eltern gegenwärtig in Frage gestellt wird, sie sind wichtig für die Identitätsfindung.“, hebt ISUV-Pressesprecher Josef Linsler hervor.
Der Verband mahnt deswegen die Einhaltung des Artikels 8 der UN-Kinderrechtskonvention an: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, das Recht des Kindes zu achten, seine Identität, einschließlich seiner Staatsangehörigkeit, seines Namens und seiner gesetzlich anerkannten Familienbeziehungen, ohne rechtswidrige Eingriffe zu behalten. Werden einem Kind widerrechtlich einige oder alle Bestandteile seiner Identität genommen, so gewähren die Vertragsstaaten ihm angemessenen Beistand und Schutz mit dem Ziel, seine Identität so schnell wie möglich wiederherzustellen.“
ISUV fordert, dass der Kontakt zu den natürlichen – nicht kriminellen - Eltern aktiv gefördert, jedenfalls nicht unterbrochen oder gar völlig unterbunden wird. „Die stillschweigend durch viele Jugendämter gedeckte massive Umgangsverweigerung mancher Pflegeeltern, muss aufhören“, fordert Linsler.