Zweierlei Maß: Unterhaltspflichtige und „Bürgergeldempfänger“?

Ab 1.1.2023 ist Hartz IV Vergangenheit, das Bürgergeld bringt klare Verbesserungen für Leistungsempfänger. Sie bekommen einen „Vertrauensvorschuss“, d. h. keine Leistungskürzungen bei Pflichtverletzungen,  beschränkte Vermögensanrechnung und angemessene Erhöhung der Regelsätze, die in jedem Fall die Inflation ausgleichen sollen. Hubertus Heil, Bundessozialminister, betonte in der gestrigen Debatte: „Leistung muss sich lohnen.“ Genau das aber nehmen ihm Unterhaltspflichtige mit geringem und mittlerem Einkommen nicht ab. Es erreichten uns seit Bekanntwerden der Pläne zum Bürgergeld viele Zuschriften von Unterhaltspflichtigen. „Die Politikverdrossenheit hunderttausender unterhaltspflichtiger Mütter und Väter, die mit dem Selbstbehalt – 1160 EURO – klarkommen müssen, ist mit etwas Empathie mehr als verständlich. Seit drei Jahren wurde der Selbstbehalt trotz Inflation, Explosion der Miet- und Energiekosten nicht erhöht. Gleichzeitig stieg der Kindesunterhalt um fast 15 Prozent. Einseitig wurden Unterhaltspflichtige schlechter gestellt. Regierung und Parteien überlassen die Festlegung des notwendigen Eigenbedarfs den Oberlandesgerichten“, kritisiert die ISUV-Vorsitzende Melanie Ulbrich.

In der Debatte im Bundestag kamen Unterhaltspflichtige nicht vor. „Das ist respektlos, sie sind Leistungsträger, sind voll berufstätig, erziehen Kinder mit, kommen für den eigenen Unterhalt und den der Kinder auf, zahlen Steuern und das in Steuerklasse I“, kritisiert Ulbrich.

ISUV-Kritik und Forderungen

ISUV fordert eine Anhebung des notwendigen Eigenbedarfs für Unterhaltspflichtige inflationsbedingt von 1160 EURO auf 1450 EURO pro Monat ab 1. Januar 2023.   „Von einer angemessenen Erhöhung des notwendigen Eigenbedarfs der berufstätigen Unterhaltspflichtigen, den Sozialminister Heil den nicht erwerbstätigen Bürgergeldempfänger/Innen zusichert, kann nicht die Rede sein“, kritisiert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.

 Daher fordert ISUV, dass der notwendige Eigenbedarf Unterhaltspflichtiger gleichzeitig mit dem Mindestbedarf der Unterhaltsberechtigten von der Politik festgelegt wird. Diese Forderung wurde auch im Kaoalitionsvertrag von 2017 aufgegriffen:  „Wir prüfen, inwieweit Unterhaltsbedarf und Selbstbehalt verbindlich geregelt werden könnten.“ - Passiert ist nichts. „So wird eine sozialpolitisch wichtige Frage weiterhin Richtern von Oberlandesgerichten überlassen, deren sozialpolitische Sensibilität unterschiedlich ausgeprägt ist. Letztendlich entscheidet eine Tabelle, die Düsseldorfer Tabelle, darüber, was voll berufstätigen Kinder miterziehenden Unterhaltspflichtigen von ihrem Lohn bleibt“, kritisiert ISUV-Pressesprecher Josef Linsler.

Wie in der gestrigen Debatte zu sehen und zu hören, es standen Wohltätigkeits-Narrative auf der Agenda, wirtschaftliche Gesichtspunkte wurden jeweils mit „sozial kalt“ geframt. „Beim Unterhalt geht es um Zahlen, nicht um Narrative. Fakt ist, Mindestbedarf für Kinder und Unterhaltszahler/Innen werden mit ein und demselben Einkommen finanziert, das wird von den OLG-Richtern unter dem Druck der ständig sich arm rechnenden und mehr fordernden Lobby der Unterhaltsberechtigten einseitig unterstützt vom Familienministerium verdrängt. Dabei weiß jeder Bauer, man muss die Kuh auch füttern, wenn sie Milch geben soll“, hebt Linsler hervor.