Abstammungsrecht | Abstammungsklärungsansprüche - BVerfG - 19.04.2016

 

Kein Anspruch auf isolierte Klärung der Abstammung außerhalb der rechtlichen Familie. Gegenüber dem mutmaßlichen leiblichen – nicht rechtlichen – Vater gebietet das Grundgesetz keinen Abstammungsklärungsanspruch gemäß § 1598 a BGB.

Beschluss:
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Datum: 19.04.2016
Aktenzeichen: 1 BvR 3309/13
Leitparagraph: BGB § 1598 a
Quelle: Pressemitteilung BVerfG Nr. 18/2016

Kommentierung:

Die Antragstellerin hat bereits kurz nach ihrer Geburt ihren mutmaßlichen Vater und jetzigen Antragsgegner nach damaligem Recht auf „Feststellung blutsmäßiger Abstammung“ in Anspruch genommen. Die damalige Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Jetzt verlangt die Antragstellerin die Durchführung eines DNA-Tests, um die Vaterschaft zu klären. Nachdem der mutmaßliche Vater dies abgelehnt hat, versucht die Antragstellerin unter Berufung auf § 1598 a BGB, die Einwilligung des mutmaßlichen Vaters gerichtlich zu erzwingen.

Sämtliche Instanzgerichte haben darauf verwiesen, dass § 1598 a BGB Abstammungsklärungsansprüche sowohl Vater, Mutter als auch dem Kind innerhalb einer rechtlichen Familie gewähren, nicht aber einem mutmaßlichen leiblichen Vater. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Antragstellerin die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, es liegt keine Verletzung von Grundrechten vor. Es verstößt insbesondere nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Kindes, dass es seine Abstammung gegen den Willen des mutmaßlichen Vaters grundsätzlich nur im Wege der Feststellung der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1600 d BGB klären kann. So sind auch die Rechte des mutmaßlichen Vaters auf Privat- und Intimsphäre zu beachten. Ebenso sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht auf Schutz seines Familienlebens. Berechtigterweise verweist das BVerfG auf die erhebliche Gefahr von Abstammungsuntersuchungen „ins Blaue“ hinein. Hier könnte sich eine erhebliche „Streubreite“ entfalten, es könnten wahllos irgendwelche mutmaßlichen Väter in Abstammungsuntersuchungen hineingezogen werden. § 1598 a BGB hat bewusst diese Möglichkeit nur innerhalb der rechtlichen Familie normiert. Dies hat der Gesetzgeber bewusst so gestaltet. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, zumal dem Kind ja die Möglichkeit auf Feststellung der Vaterschaft eröffnet ist (§ 1600 d BGB) und somit das Kind nicht rechtlos gestellt ist. Auch das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft hat gesetzliche Grenzen (z. B. 2-Jahres-Frist nach Kenntnis von Umständen, die eine Vaterschaft wahrscheinlich erscheinen lassen), dies ganz bewusst, da der Gesetzgeber hier mehr auf Rechtssicherheit setzt als auf tatsächliche Zuordnung der leiblichen Vaterschaft. Dass im Ausgangsfall bereits in den 50-er Jahren eine Vaterschaftsfeststellung bereits rechtskräftig abgelehnt wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung, sondern vielmehr zur Bestätigung des status quo.

Abschließend verweist das BVerfG auch darauf, dass auch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu keinem anderen Ergebnis führen. Diese Entscheidung ist auch nachvollziehbar – nicht nur im Lichte des Grundrechts – da anderenfalls eine Abstammungsklärungs-Untersuchungsinflation entstehen würde, mutmaßlich Väter der Vaterschaft bezichtigt und in DNA-Untersuchungsverfahren gezwungen würden. Dem „Vaterschaftstourismus“ wäre Tür und Tor geöffnet.