Befangenheit - OLG - 07.03.2023

Wer die Umstände, die zu einer Befangenheit des Richters führen können kennt, und die Befangenheit nicht sofort rügt, verliert sein Ablehnungsrecht

Beschluss:
Gericht: OLG Celle
Datum: 07.03.2023
Aktenzeichen: 17 WF 32/23
Leitparagraph:  § 113 FamFG i.V. § 42 Abs. 2 ZPO
Quelle: beck – aktuell vom 13.09.2023

Kommentierung:

Zwei Eheleute haben sich vor Gericht über einen zu zahlenden nachehelichen Unterhalt verglichen. Die Rechtsanwältin der Ehefrau war in einer Sozietät (Berufsgemeinschaft) in der auch der Ehemann der zuständigen Richterin arbeitete. Obwohl allen beteiligten Juristen dies bekannt war, wurde die Richterin nicht wegen fehlender Neutralität abgelehnt. Erst im Abänderungsverfahren, in welchem der Ehemann den Unterhalt mindern wollte, hat er gegen die Richterin – es war die selbe Richterin wie im Ausgangsverfahren in dem man sich verglichen hatte – Befangenheitsantrag gestellt.

Das OLG hat diesen Befangenheitsantrag abgelehnt. Es hat zwar bestätigt, dass die familiäre Verbindung der Richterin zur Kanzlei der Anwältin der Frau grundsätzlich einen Befangenheitsgrund nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V. mit § 42 Abs. 2 ZPO darstellt. Der Mann hatte berechtigt Anlass zur Sorge, dass allein die berufliche Nähe der Richterin zur Anwältin der Frau über ihren Mann in der gleichen Kanzlei die Richterin beeinflussen könnte. Das OLG hat jedoch dem Mann sein Ablehnungsrecht nach § 43 ZPO abgesprochen, weil der Befangenheitsgrund bereits im ersten Unterhaltsverfahren (Ausgangsverfahren) bestanden hat und damals vom Mann kein entsprechender Befangenheitsantrag gestellt wurde. Ein Richter muss – soweit die Umstände bekannt sind – stets abgelehnt werden, bevor sich die Parteien zur Sache einlassen. Diese Konsequenz tritt nach Auffassung des OLG auch dann ein, wenn – wie hier - ein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang zwischen dem Ausgangsverfahren und dem zweiten Verfahren, hier dem Abänderungsverfahren, besteht. Auch der Einwand des Mannes, dass nur sein Anwalt, aber nicht er selbst die personellen Verflechtungen bei den Juristen im Ausgangsverfahren gekannt habe, hat nicht gegriffen. Das OLG verweist auf § 85 Abs. 2 ZPO, wonach dem Mandanten das Wissen seines Anwalts zuzurechnen ist.

Für die Praxis kann daher nur der Tipp gegeben werden, sobald Umstände bekannt sind die zu einer Befangenheit führen können, muss der Befangenheitsantrag, wenn er denn tatsächlich gestellt werden soll, unverzüglich gestellt werden. Selbiges gilt bei sämtlichen Befangenheitsgründen, wie sie sich aus Äußerungen oder Verhaltensweisen des Richters/in ergeben können.