BGH Beschluss vom 16.10.2013 – Güterrecht

1. Ein Lottogewinn, der während der Zeit des Getrenntlebens erzielt wird, stellt keinen sogenannten privilegierten Vermögenszuwachs in entsprechender Anwendung von § 1374 Abs. 2 BGB dar – und somit kein Abzugsposten vom Endvermögen – weil diesem Vermögenserwerb keine der Erbschaft oder Schenkung vergleichbare persönliche Beziehung zugrunde liegt.

2. Allein eine lange Trennungszeit der Ehegatten zum Zeitpunkt des Lottogewinns begründet keinen Ausschluss des Zugewinnausgleichs wegen grober Unbilligkeit gemäß § 1381 Abs. 1 BGB. Dass der Lottogewinn keine innere Beziehung zur ehelichen Lebensgemeinschaft hat, stellt ebenso wenig eine unbillige Härte dar, weil das Recht des Zugewinnausgleichs, abgesehen von privilegiertem Vermögenszuwachs gemäß § 1374 Abs. 2 BGB, bewusst nicht nach der Art des Vermögenserwerbs unterscheidet.

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Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 16.10.2013 
Aktenzeichen    : XII ZB 277/12 
Leitparagraph   : BGB §1378, BGB §1374, BGB §1381 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de, BGH Presseinformation Nr. 172/2013 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Inhalt:

Im zugrundeliegenden Fall wurde die Ehe 1971 geschlossen, aus der drei erwachsene Kinder hervorgegangen sind. Die Eheleute trennten sich im Jahr 2000. Seit 2001 lebt der Ehemann mit seiner jetzigen Partnerin zusammen und erzielte mit dieser im Jahr 2008 einen Lottogewinn von knapp 1 Mio. Euro (500.000 Euro für jeden). Ein Scheidungsantrag wurde zugestellt nach dem Lottogewinn, nämlich im Januar 2009 auf Antrag des Ehemannes, die Ehe wurde dann Ende des Jahres 2009 rechtskräftig geschieden. Nach Rechtskraft der Scheidung verlangt die Ehefrau in einem isolierten Zugewinnverfahren einen Zugewinnausgleich unter Berücksichtigung der Hälfte des Lottogewinns, nämlich ca. 250.000 Euro (500.000 Euro : 2). Das Amtsgericht hat dem Antrag auf Zugewinn stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den Lottogewinn nicht berücksichtigt. Der BGH hatte bereits einmal vor langer Zeit entschieden, dass auch ein Lottogewinn in den Zugewinnausgleich fällt (BGHZ 68, S. 43 ff.). Nachdem die Oberlandesgerichtliche Entscheidung dieser alten BGH-Rechtsprechung widersprach, wurde die Revision zum BGH zugelassen, der BGH hat wie folgt entschieden:

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  1. Der BGH hat eine analoge/entsprechende Anwendung von § 1374 Abs. 2 BGB für den Lottogewinn abgelehnt. Unter § 1374 Abs. 2 BGB fallen während der Ehe und auch während des Getrenntlebens zugeflossene Vermögenswerte aus einer Erbschaft, Schenkung oder Ausstattung naher Verwandter und werden deshalb vom Endvermögen – in welchem sich ggf. der Vermögenszufluss noch befindet – in Abzug gebracht (sogenanntes privilegiertes Anfangsvermögen). Der BGH begründet dies damit, dass bei einem Lottogewinn keine vergleichbare persönliche Beziehung wie in den gesetzlich normierten Fällen des § 1374 Abs. 2 BGB bei Erbschaft/Schenkung vorliegt, sodass auch eine analoge Gesetzesanwendung für einen Lottogewinn nicht in Betracht kommt.

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  1. Der Ex-Ehemann hatte sich auch darauf berufen, dass aufgrund der langen Trennungszeit bis zum Lottogewinn (8 Jahre) keine Beziehung mehr zur ehelichen Lebensgemeinschaft vorläge und es daher grob unbillig wäre, würde die Ex-Ehefrau an diesem Lottogewinn noch teilhaben (§ 1381 Abs. 1 BGB). Eine grobe Unbilligkeit ist danach zu bejahen, wenn der Ausgleichsanspruch in der vom Gesetz grundsätzlich vorgesehenen Weise ausnahmsweise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht. Der Gesetzgeber hat in § 1381 Abs. 2 BGB einige solcher Fälle beispielhaft aufgezählt, ein Lottogewinn zählt nicht hierunter. Der BGH begründet seine Rechtsauffassung, wonach eine grobe Unbilligkeit nicht vorliegt damit, dass allein eine lange Trennungszeit für sich gesehen nicht als grob unbillig angesehen werden kann. Der Ex-Ehemann hätte ja viel früher einen Scheidungsantrag stellen können, eine grobe Unbilligkeit verlangt eine grobe Unbilligkeit im Verhältnis der Eheleute zueinander und nicht allein die Tatsache, dass zufälligerweise Geld in die Kasse eines noch nicht geschiedenen Ehegatten geflossen ist. Auch weil der Gesetzgeber mit Ausnahme des privilegierten Vermögenserwerbs gemäß § 1374 Abs. 2 BGB bewusst nicht nach der Art und Weise des Vermögenserwerbs unterscheidet, kann nicht über den eng auszulegenden § 1381 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht auf Zahlung von Zugewinn konstruiert werden.

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  1. Ob diese Entscheidung „richtig“ ist mag dahingestellt bleiben, begründet ist sie jedenfalls konsequent. Bemerkenswert ist jedoch, dass der BGH am Ende seiner Entscheidung seine Begründung, wonach keine grobe Unbilligkeit vorliegt, nochmals mit dem Zusatz bekräftigt: „…, zumal die Ehe der Beteiligten bei der Trennung bereits 29 Jahre bestand und aus der Ehe drei Kinder hervorgegangen sind.“ Könnte ein grobe Unbilligkeit vorliegen, wenn die Ehe nur kurz war (was ist kurz?), wenn nur ein, zwei oder gar kein Kind aus der Ehe hervorgegangen ist oder wenn die Trennungszeit noch länger war? Der BGH lässt damit einen Beurteilungsspielraum bei zukünftigen Lottogewinnen während der Trennungszeit offen, grundsätzlich wird man sich jedoch darauf einzustellen haben, dass zufällige Vermögenszuwächse während der Trennungszeit bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs zu berücksichtigen sind. Ein solcher zufälliger Vermögenserwerb aus einem Lottogewinn möge bitte nicht verwechselt werden mit einem Vermögenszuerwerb aus einem materiellen oder insbesondere immateriellen Schadensersatzanspruch (Schmerzensgeld). In diesen Fällen wird der höchstpersönliche Charakter eines Schmerzensgeldes ausschlaggebend dafür sein, dass ein Zugewinnausgleich nicht stattfindet (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 9. Auflage, 9. Kapitel, Rdn. 77~ Schwab/Schwab, 3. Auflage, Seite 1476 f.~ andere Ansicht: Schmerzensgeld gehört, vorbehaltlich einer groben Unbilligkeit nach § 1381 BGB in den Zugewinn, BGHZ 80, Seite 384, 387). Da Schmerzensgeld nicht der Vermögensvermehrung dient, sondern der Wiedergutmachung für persönlichkeitsbezogene Schäden, die beim Verletzten selbst eingetreten sind, ist der Rechtsauffassung der Vorzug zu geben, wonach das Schmerzensgeld nicht in den Zugewinn einzubeziehen ist. Auch hier wäre mal eine klarstellende Entscheidung des BGH angesagt.Neben dem Schmerzensgeld kann aber auch ein materieller Schadensersatzanspruch einer längerfristigen Absicherung der Versorgungslage des grundsätzlich Ausgleichspflichtigen dienen, sodass ein Ausgleich grob unbillig sein kann (OLG Stuttgart, FamRZ 2002, Seite 99 u. a.). Wie man sieht ist gerade der Ausschluss des Zugewinns wegen grober Unbilligkeit nach § 1381 BGB schlecht „zu fassen“, sodass es immer wieder Entscheidungen geben wird, bei denen eine grobe Unbilligkeit bejaht wird und somit ein Zugewinnausgleich verneint wird, und andersherum (auch in ähnlich gelagerten Einzelfällen).Für den Fall des Lottogewinns gilt jedoch grundsätzlich, dass dieser in der Zugewinnausgleichsberechnung mit zu berücksichtigen ist, solange er vor dem Stichtag zur Berechnung des Zugewinns erzielt wurde (Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags).