BGH, Beschluss vom 20.2.2013 – Unterhaltsrecht, Scheinvaterregress

1. Weder ein von der Ehefrau begangener Ehebruch noch das bloße Verschweigen der hieraus folgenden möglichen Nichtvaterschaft gegenüber dem Ehemann führt zu einer Schadensersatzpflicht der (geschiedenen) Ehefrau hinsichtlich des von ihm geleisteten Unterhalts für das scheineheliche Kind (im Anschluss an Senatsurteil vom 19.12.1989 IVb ZR 56/88 FamRZ 1990, 367~ Abgrenzung zu Senatsurteilen vom 15.2.2012 XII ZR 137/09 FamRZ 2012, 779 und vom 27.6.2012 XII ZR 47/09 FamRZ 2012, 1363).

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2. Die Mutter ist nach Anfechtung der (ehelichen) Vaterschaft grundsätzlich verpflichtet, ihrem (geschiedenen) Ehemann Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200).

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3. Ohne Erteilung der Auskunft kann ein Schadensersatzanspruch wegen nicht durchsetzbarer Regressforderung gegen den Erzeuger nicht geltend gemacht werden, weil dieser Schaden ohne die Auskunft nicht beziffert werden kann.

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Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 20.02.2013 
Aktenzeichen    : XII ZB 412/11 
Leitparagraph   : BGB §242~ BGB §826 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

Anmerkung:

Im vorliegenden Fall waren die Eheleute bereits im Jahr 1968 geschieden worden, der eheliche Sohn was 1966 geboren. Bei der Scheidung hatte die Ehefrau eingeräumt, eine ehewidrige Beziehung gehabt zu haben, dies nach dem letzten ehelichen Verkehr. Die Ehe wurde 1968 geschieden, erst im Jahr 2010 hat das Familiengericht auf Antrag des Vaters festgestellt, dass der im Jahr 1966 geborene Sohn nicht das Kind des Ehemannes ist (warum so spät dieses Verfahren geführt wurde und wie das Familiengericht über die 2-jährige Anfechtungsfrist bezüglich der Vaterschaft hinsichtlich der Kenntnisse des Vaters zu den Umständen, die eine Nichtvaterschaft begründen könnten, hinweggekommen ist, ist hier nicht näher zu beleuchten.) Der mutmaßliche Vater hat dann seine Ex-Ehefrau wiederholt erfolglos aufgefordert, die Namen der als Vater in Betracht kommenden Männer zu benennen, um ggf. diesen gegenüber Regressansprüche wegen des von ihm geleisteten Unterhalts geltend zu machen. Nachdem die Ex-Ehefrau sich hieran nicht erinnern konnte (oder wollte) hat der Ex-Ehemann gegen die Ex-Ehefrau für einen noch nicht verjährten Teilzeitraum Schadensersatz gerichtlich eingefordert. Sowohl Amtsgericht als auch Oberlandesgericht habe den Anspruch abgelehnt.

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Auch der BGH hat entschieden, dass weder der von der Ex-Ehefrau begangene Ehebruch noch das bloße Verschweigen der hieraus folgenden möglichen Nichtvaterschaft des Ex-Ehemannes zu einer Schadensersatzpflicht der geschiedenen Ehefrau wegen des vom Ex-Ehemann geleisteten Unterhalts führt. Zwar ist die Ex-Ehefrau verpflichtet Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Wenn die Auskunft jedoch zu keinem Ergebnis führt und dadurch auch keine Regressforderung gegen einen Erzeuger durchsetzbar ist, führt auch dies nicht zu einem Schadensersatzanspruch gegen die Ex-Ehefrau, weil ein Schadensersatzanspruch nicht zu beziffern ist, denn die Höhe des Schadensersatzanspruchs beziffert sich nicht nach den Aufwendungen des Ex-Ehemannes für den Unterhalts, sondern nach der Leistungsfähigkeit des tatsächlichen Erzeugers. Ist der nicht bekannt und können dessen wirtschaftlichen Verhältnisse zum damaligen Zeitpunkt nicht geklärt werden, kann auch ein Schadensersatzanspruch zwischen den Ex-Eheleuten nicht beziffert und berechnet werden. Grundsätzlich verdrängen die Vorschriften des Ehe- und Familienrechts die allgemeinen deliktischen Schadensersatzansprüche hinsichtlich der Folgen eines begangenen Ehebruchs. Bei Hinzutreten weiterer schädigender Umstände könnten jedoch ausnahmsweise nach § 826 BGB tatsächlich auch Schadensersatzansprüche untereinander entstehen. Der BGH konstatiert, dass ein begangener Ehebruch für sich alleine und auch das Verschweigen dieses Ehebruchs keine sittenwidrig schädigende Handlung darstellt (BGH, FamRZ 1990, S. 367). Ein Fall des § 826 BGB könnte vorliegen, wenn die Kindsmutter tatsächlich bestehende Zweifel des Mannes an der Abstammung des Kindes durch weitere, unzutreffende Angaben oder durch ausdrückliches Leugnen des Ehebruches zerstreut oder der Ehemann durch eine arglistige Täuschung oder durch Drohungen an der Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage hindert (BGH a. a. O.). Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Dass ein bloßes Verschweigen des Ehebruches zu Sanktionen führt, jedoch keinen direkten Schadensersatzanspruch auslöst, hat der BGH schon mehrfach entschieden. So führt dies zu einer Verwirkung des Unterhalts (BGH, FamRZ 2012, S. 779), zur Verwirkung des Versorgungsausgleichs (BGH, FamRZ 2012, S. 845) oder zur Anfechtungsmöglichkeit und Rückforderungsmöglichkeit einer schenkweisen Zuwendung (BGH, FamRZ 2012, S. 1363). Hier besteht eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung der Möglichkeit, dass das Kind von einem anderen Mann abstammt. Im vorliegenden Fall hat die Ex-Ehefrau sogar im Scheidungstermin den Ehebruch gestanden, was nach damaligem Recht ohnehin dazu führte, dass ein Unterhalt nicht geschuldet war, den Versorgungsausgleich kannte man damals noch gar nicht. Der BGH hat bestätigt, dass die Ex-Ehefrau mit ihrer Offenbarung des Ehebruchs nicht zugleich einen Ehebruch Mitte 1965 (Empfängniszeit) leugnen wollte und auch nicht vortäuschen wollte erst später eine ehewidrige Beziehung eingegangen zu sein (dann würde eine Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB greifen). Im Rahmen des Scheidungsverfahrens ging es nur um die Frage der Zerrüttung/Schuld für das Scheitern der Ehe und nicht um etwaige Vorkommnisse aus dem Jahr 1965, sodass keine Täuschungshandlung festzustellen war, sondern ein bloßes Nichtoffenbaren eines Ehebruchs bereits im Jahr 1965 vorlag.

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Dass der BGH eine Auskunftspflicht bestätigt hat, ist nichts Neues (BGH, FamRZ 2012, S. 200). Das Auskunftsrecht ist jedoch häufig ein stumpfes Schwert, da es sich um alleiniges Wissen des Auskunftsverpflichteten handelt, und es letztendlich nicht widerlegt werden kann, wenn man sich nicht an Namen etc. erinnern kann (oder will). Der Kindsmutter kann man insoweit auch keinen Schadensersatzanspruch aus dem Gesichtspunkt wegen Nichtbekanntgabe des tatsächlichen Erzeugers und der damit einhergehenden Regressverhinderung diesem gegenüber aufbürden (§ 280 BGB), da der Regressanspruch letztendlich ein Unterhaltsanspruch ist, und um diesen der Höhe nach zu bestimmen, braucht man wiederum den tatsächlichen leiblichen Vater, den man aber nicht kennt, weil die Kindsmutter sich an ihn nicht erinnert. Es bleibt insoweit letztendlich bei dem stumpfen Schwert des Auskunftsrechts, ggf. bis zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Andere Zwangsmittel oder Überprüfungsmöglichkeiten kennt unsere Gesellschaft nicht mehr (Folter) oder noch nicht (gentechnische Erfassung aller Bürger und Abgleich aller Daten).