BGH, Urteil vom 13.07.2011 – Unterhalt, Ehegattenunterhalt, Verwirkung

  1. § 1579 Nr. 2 BGB bezweckt nicht die Sanktionierung vorwerfbaren Fehlverhaltens, sondern soll rein objektive Gegebenheiten in den Lebensverhältnissen des unterhaltsberechtigten Ehegatten erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung des unterhaltsverpflichteten Ehegatten unzumutbar erscheinen lassen, sodass es nur darauf ankommt, ob der Unterhaltsberechtigte eine verfestigte Lebensgemeinschaft eingegangen ist. Kriterien, wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen keine Rolle.
  2. Wird eine verfestigte Lebensgemeinschaft beendet, so lebt ein Unterhaltsanspruch, der aufgrund der verfestigten Lebensgemeinschaft versagt wurde, regelmäßig nur im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf.

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Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 13.07.2011 
Aktenzeichen    : XII ZR 84/09 
Leitparagraph   : BGB §1579 
Quelle          : FamRZ 2011, S. 1495 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel 

Inhalt:

Die Eheleute waren rund 7 Jahre verheiratet, aus der Ehe ist ein jetzt 12-jähriger Sohn hervorgegangen. Die Ehefrau unterhielt seit der Trennung über knapp 4 Jahre eine auf Dauer angelegte Partnerschaft/nicheheliche Lebensgemeinschaft. Das Oberlandesgericht hat zunächst für den Zeitraum bis Ende 2008 (ab Anfang 2008) einen vorherigen Vergleich dahingehend abgeändert, dass kein Unterhaltsanspruch mehr besteht, dies wegen verfestigter nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Diese zerbrach Ende 2008, mit der Folge, dass das OLG ab Dezember 2008 wieder einen Aufstockungsunterhalt zugesprochen hat, wegen Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

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Der BGH hat sich ausdrücklich der Auffassung des OLG angeschlossen, wonach der Unterhaltsanspruch zunächst verwirkt war, völlig unabhängig davon, ob der neue Lebenspartner leistungsfähig war oder nicht. Wer sich endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst, macht deutlich, dass er diese nicht mehr benötigt, sodass es auf Fragen des Einkommens etc. des neuen Lebenspartners nicht ankommen kann. Neu ist, dass der BGH mit seiner Zurückweisung an das OLG deutlich darauf hinweist, dass entgegen bisheriger Rechtsprechung (nach Abwägung der beiderseitigen Interessen galt das Wiederaufleben aller Unterhaltsansprüche) grundsätzlich nur der Kindesbetreuungsunterhaltsanspruch (§ 1570 BGB) wieder aufleben kann, dies in parallele zur Regelung in § 1586 a BGB, wonach ein geschiedener Ehegatte nach dem Scheitern seiner zweiten Ehe gegen den ersten Ehegatten nur noch diese Kinderbetreuungsunterhaltsansprüche geltend machen kann. Das Zerbrechen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist vergleichbar, der BGH hat in dem Fall jedoch nur einen „Grundsatz“ herausgearbeitet. Unter besonderen Umständen können bei einer Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auch noch andere Unterhaltstatbestände wieder aufleben, das wäre jedoch im Einzelfall ein Ausnahmefall. Ein Aufstockungsunterhalt, wie ihn das OLG zunächst ab Dezember 2008 wieder zugesprochen hat, kann nur aufleben, wenn noch ein hohes Maß an ehelicher Solidarität vorläge (Ausnahmefall, da ein Betreuungsunterhaltsanspruch bei einem 12-jährigen Kind – wie hier – nicht mehr greift). Bei der Einzelfallprüfung ist daher zu klären und abzuwägen zwischen der Frage „Wie lange bestand die Ehe?“, „Wie lange dauerte die nichteheliche Lebensgemeinschaft an?“, „Unter welchen Begleitumständen wurde die eheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst und die neue Partnerschaft begründet?“.

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Wenn nach dem Ende einer verfestigten nichtehelichen Lebensgemeinschaft kein Kindesbetreuungsunterhaltanspruch mehr besteht, ist für das Wiederaufleben anderer Unterhaltstatbestände eine umfassende Zumutbarkeitsprüfung notwendig, mit dem Hinweis des BGH, dass grundsätzlich nur der Kindesbetreuungsunterhaltsanspruch wieder auflebt.