BGH, Urteil vom 29.06.2011 – Unterhalt, Ausbildungsunterhalt, Volljährigenunterhalt

Ein Kind (Tochter) hat einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gegen ihre Eltern, auch wenn sie ein Fachhochschulstudium nicht sofort nach dem Abitur aufnimmt, sondern erst nach 5 Jahren wegen eines freiwilligen sozialen Jahres, Schwangerschaft, Geburt und anschließender 3-jähriger Betreuung eines nichtehelichen Kindes und einer Übergangszeit von 9 Monaten.

 

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Urteil

 

Gericht         : BGH
Datum           : 26.09.2011
Aktenzeichen    : XII ZR 127/09
Leitparagraph   : BGB §1610
Quelle          : FamRZ 2011, S. 1560
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

Inhalt:

Nach dem Gesetz trifft ein Kind die unterhaltsbezogene Obliegenheit, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch muss da Kind eine Ausbildung zielstrebig betreiben, falls diese Kriterien nicht erfüllt sind, verliert ein Kind den Unterhaltsanspruch. Indes führt nicht jede Verzögerung der Ausbildung zum Verlust des Unterhaltsanspruchs. Nicht vorwerfbare subjektive Gründe, die zu einer Verzögerung führen, sind hinzunehmen. Dies gilt in jedem Fall für eine Schwangerschaft und die anschließende Betreuung bis zum dritten Lebensjahr des Kindes, sofern nach einer angemessenen Übergangszeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres die Ausbildung begonnen wird. Der BGH sieht eine persönliche Betreuung eines Kindes bis zum dritten Lebensjahr geboten (analog der eintretenden Erwerbsobliegenheit beim Betreuungsunterhaltsanspruch gemäß § 1570, § 1615 l BGB). Auch hat der BGH den neunmonatigen Zeitverschub nach Vollendung des dritten Lebensjahres gebilligt, ebenso das vor der Geburt des Kindes noch absolvierte freiwillige soziale Jahr.

 

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Durch solche nicht vorwerfbaren Gründe kann sich der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt verschieben, eine feste Altersgrenze für den Ausbildungsunterhalt gibt es nicht. Es besteht kein Grund, die Eltern im Falle einer Schwangerschaft der Tochter zu Lasten der Allgemeinheit von den Ausbildungskosten zu befreien, auch wenn der Anspruch zeitlich nach hinter verschoben ist. In den Jahren in denen keine Ausbildung betrieben wurde, bestand kein Unterhaltsanspruch. Mit diesem Urteil legt der BGH auch für den Ausbildungsunterhalt fest, dass es einem Elternteil möglich sein muss, ein eigenes Kind in den ersten drei Lebensjahren persönlich zu betreuen, ohne für die Zeit danach den Ausbildungsunterhalt zu verlieren.

 

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