BGH, Urteil vom 30.01.2013 – Kindesunterhalt, Altersvorsorge, Einkommen

1. Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils (Minderjährigenunterhalt) für eine zusätzliche Altersversorgung und/oder eine Zusatzkrankenversicherung sind unterhaltsrechtliche nicht berücksichtigungsfähig, wenn der Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind anderenfalls nicht aufgebracht werden kann.

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2. Soweit eine Steuererstattung beim Unterhaltspflichtigen aus Aufwendungen resultiert, welche bei seinem Einkommen nicht abzugsfähig sind, ist auch die Steuererstattung unterhaltsrechtlich nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen.

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Urteil

Gericht        : BGH 
Datum           : 30.01.2013 
Aktenzeichen    : XII ZR 158/10 
Leitparagraph   : BGB §1603 
Quelle          : FamRZ 2013, S. 616 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Inhalt

Der gegenüber einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtige Vater hat bei Berechnung seines unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens eine Lebensversicherung in Abzug gebracht, die entsprechend der Rechtsprechung des BGH 4 % seines Bruttolohnes ausmacht, darüber hinaus eine Krankenzusatzversicherung für Zahnbehandlung. Da der Vater unter Berücksichtigung dieser Belastungen nicht oder nur noch geringfügig leistungsfähig für den Kindesunterhalt war (Mangelfall), hat der BGH die zuvor ergangene Entscheidung des OLG Brandenburg in vollem Umfang bestätigt, wonach im sogenannten Mangelfall derartige Abzugsposten nicht zu gestatten sind, da der Mindestunterhalt des minderjährigen Kindes Vorrang vor dem Interesse des Unterhaltspflichtigen an einer zusätzlichen Alters- und Krankenvorsorge hat (so schon BGH, FamRZ 2003, S. 741 sowie OLG Düsseldorf, FamRZ 2006, S. 1685).

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Im Gegenzug ist jedoch auch die Steuerrückerstattung, die aus dem sogenannten Sonderausgabenabzug für die Krankenzusatzversicherung fließt, kein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Weiterhin hat der BGH in der Entscheidung auch bestätigt, dass bei Zusammenleben des Vaters mit einer neuen Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt der notwendige Selbstbehalt um 12,5 % gekürzt werden darf, zumindest in Höhe von 10 %, im vorliegenden Einzelfall hat sich diese kleine Differenz nicht ausgewirkt.

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>~ PRAXISTIPP:

Mit der Entscheidung hat der BGH grundsätzlich eine zusätzliche Altersvorsorge von bis zu 4 % des Bruttoeinkommens als abzugsfähigen Posten anerkannt (der BGH orientiert sich dabei an den Richtwerten für die staatliche Förderung zusätzlicher Altersvorsorge). Im Mangelfall jedoch gehen die Interessen des minderjährigen Kindes vor.

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Zur zusätzlichen Altersvorsorge sei ausgeführt, dass letztendlich sämtliche vermögensbildenden Anlagen akzeptiert werden, soweit sie nicht rein spekulativ sind (Riesterrente, Direktversicherungen, Sparraten, Tilgung von Immobilienschulden, Bausparverträge, Wertpapiere, Fonds – BGH, FamRZ 2012, S. 956, BGH, FamRZ 2009, S. 1207 und 1300 u. a.). Häufig wird die fehlerhafte Ansicht vertreten, dass nur Rentenversicherungen als zusätzliche Altersvorsorge abzugsfähig seien, dies ist jedoch mit der herrschenden Rechtsprechung des BGH nicht vereinbar. Erzielt der Unterhaltspflichtige ein Einkommen über der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung (derzeit 5800 Euro West/4900 Euro Ost), dann sind aus dem darüberhinausgehenden Betrag nicht nur die zusätzlichen 4 % vom Bruttoeinkommen als zusätzliche Altersvorsorge abzugsfähig, sondern daneben auch der Prozentsatz der gesetzlichen Rentenversicherung, derzeit 18,9 %, mithin in der Summe gerundet 23 %. Selbiger Prozentsatz gilt auch für Selbständige, die in keine gesetzliche Rentenversicherung oder berufsständische Versicherung einbezahlen. Etwaige vom Arbeitgeber direkt in einen Sparvertrag abgeführte Beträge (z. B. vermögenswirksame Leistungen oder Direktversicherungen) sind in dem Zusatzversorgungsanteil einzuberechnen und nicht noch daneben abzugsfähig. Entscheidend ist jedoch, dass die Altersvorsorge auch tatsächlich betrieben wird, d. h. der regelmäßige meist monatliche Spar- oder Tilgungsbetrag muss tatsächlich erfolgen, ein rein fiktiver Abzug der zusätzlichen Altersvorsorge ist nicht zulässig (beim Volljährigenunterhalt und beim Elternunterhalt beträgt der zusätzliche Prozentsatz 5 %).