BGH Urteil vom 9.10.2013 – Güterrecht

Allein eine ungewöhnlich lange Trennungszeit von Ehegatten rechtfertigt nicht die Annahme einer unbilligen Härte der Ausgleichspflicht im Rahmen des Zugewinnausgleichs. Vielmehr müssen weitere Gründe hinzutreten, aus denen sich ein Leistungsverweigerungsrecht ergibt.

Urteil

Gericht         : BGH 
Datum           : 09.10.2013 
Aktenzeichen    : XII ZR 125/12 
Leitparagraph   : BGB §1378 
Quelle          : www.bundesgerichtshof.de 
Kommentiert von : RA Simon Heinzel

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Inhalt:

Die Eheleute hatten im Jahr 1972 die Ehe miteinander geschlossen, seit Anfang 1990 lebten sie getrennt. 17 Jahre später, im Jahr 2007, wurde die Scheidung eingereicht. Der Ehefrau wurde ein Zugewinnausgleich in Höhe von ca. 350.000 Euro zugesprochen, nachdem der Ehemann einen entsprechenden Zugewinn erzielt hatte (Entscheidung des OLG in FamRZ 2013, S. 879). Der Zugewinn des Ehemannes basierte hauptsächlich auf der Wertfeststellung dreier Grundstücke, deren erheblicher Wertzuwachs seit der Trennung im Jahr 1990 erfolgte. Das OLG hat auch ausgeführt, dass der Ehemann die Erfüllung der Ausgleichsforderung nicht gemäß § 1381 BGB wegen grober Unbilligkeit verweigern kann, auch wenn sie schon 17 Jahre getrennt gelebt haben und die wesentliche Wertsteigerung der Grundstücke erst nach der Trennung eingetreten ist. Allein eine lange Trennungszeit genügt nicht zur Annahme einer solchen groben Unbilligkeit. Auch nach dem im Jahr 1990 geltenden Recht hatte der Ehemann die Möglichkeit, ein vorzeitiges Zugewinnausgleichsverfahren einzuleiten. Zwar hat der BGH (FamRZ 2002, S. 608) eine unbillige Härte angenommen, soweit Vermögen erst nach der Trennung erwirtschaftet worden ist und die innere Beziehung dieses Vermögens zur ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt. Ein solcher Fall liege hier nicht vor, weil der Hauptvermögensgegenstand während der Ehe bereits erworben wurde, während des ehelichen Zusammenlebens ist der Ehemann Eigentümer der Immobilien geworden. Zudem hat der Ehemann selbst nichts dazu beigetragen, dass das Vermögen an Wert zugenommen hat, dies lag ausschließlich an der Steigerung der Grundstückspreise im Allgemeinen. Zudem haben die Eheleute noch bis ins Jahr 2005 sich gemeinsam steuerlich veranlagt, daran ändert auch eine Selbstanzeige beim Finanzamt nichts.

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Der BGH hatte in der Revision auch Rügen zu klären betreffend der gutachterlichen Bewertung der Grundstücke~ hierzu keine näheren Ausführungen. Zur Frage, ob wegen grober Unbilligkeit ein Leistungsverweigerungsrecht besteht, hat der BGH sich wie folgt positioniert:

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Ob und in welchem Umfang eine Unbilligkeit vorliegt, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung, die im Revisionsverfahren nur daraufhin zu überprüfen ist, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen vom OLG in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist. Danach hat der BGH bestätigt, dass eine Zugewinnausgleichspflicht besteht und die Frage der unbilligen Härte vom OLG rechtmäßig entschieden wurde. Wie schon in der Entscheidung zum „Lottogewinn“ hat der BGH darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber Beispielsfälle in § 1381 Abs. 2 BGB genannt hat. Aber auch darüber hinaus sind Fallgestaltungen denkbar, in denen eine grobe Unbilligkeit vorliegt, wenn jede innere Beziehung zur ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt. Dies liegt aber im vorliegenden Fall aufgrund der dargelegten Umstände des OLG nicht vor, es besteht eine innere Beziehung zum Vermögen, weil das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung in seinem Grundstock (die Grundstücke mit Häusern) schon vorhanden war.

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Allein die Tatsache der langen Trennungszeit rechtfertigt eine unbillige Härte nicht. Dies auch deshalb, weil rechtliche Möglichkeiten bestehen, den Zugewinn auch spätestens nach 3-jährigem Getrenntleben gerichtlich klären zu lassen. Dadurch ist der Ausgleichspflichtige in der Lage, einem anwachsenden Zugewinn zu begegnen. Wenn er hiervon keinen Gebrauch macht, ist der Ausgleich – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – nicht grob unbillig (so auch die Mehrheit der Literatur).

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Nachdem zum Zeitpunkt des Verfassens der Urteile zum Abdruck im ISUV-Report die vollständige Entscheidung zum „Lottogewinn“ (siehe vorherige Entscheidung) noch nicht vorlag, ist anzunehmen, dass der BGH auch in der „Lotto“-Entscheidung hierauf abgestellt hat, da der Lottogewinn mit Sicherheit keine innere Beziehung zur Ehe hatte, aber die Möglichkeit eines vorzeitigen Zugewinns bzw. eines Scheidungsantrages vom Ausgleichspflichtigen nicht wahrgenommen wurde. Hier wird mit Interesse der vollständigen Entscheidung zum Lottogewinn entgegengesehen. Es bleibt aber beim Grundsatz: Eine lange Trennungszeit begründet grundsätzlich keine grobe Unbilligkeit.