Ehegattenunterhalt - BGH - 25.09.2019

  1. Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen (im Anschluss an BGHZ 217, 24 = FamRZ 2018, 260).

  2. Als Familieneinkommen in diesem Sinn ist dabei das Einkommen anzusehen, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht und damit insoweit unterhaltsrelevant ist.

  3. Die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten ist ausnahmsweise für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs des früheren Ehegatten zu berücksichtigen, soweit sie – etwa als Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 l BGB – bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat (Fortführung von Senatsurteil BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 und Senatsbeschluss vom 7. Mai 2014 – XII ZB 258/13 – FamRZ 2014, 1183).

  4. Jedenfalls wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 25.09.2019
Aktenzeichen: XII ZB 25/19
Leitparagraph: §§ 1573 Abs. 2, 1574, 1578 Abs. 1 und 3, 1578 b BGB
Quelle: FF 12/2019, Seite 495; NZFam 2019, Seite 1087

Kommentierung:

Ein Schwerpunkt der Entscheidung des BGH ist die Art und Weise der Unterhaltsberechnung bei guten Einkommensverhältnissen (hier: Jahresbruttoeinkommen ca. 300.000 €). Der BGH wiederholt und bekräftigt den bereits Ende des Jahres 2017 aufgestellten Grundsatz (BGH, FamRZ 2018, Seite 260), wonach bis zu einem Familieneinkommen des Doppelten des höchsten Einkommensbetrages der Düsseldorfer Tabelle (beträgt derzeit 2 x 5.500 € = 11.000 €), die Vermutung gilt, dass dieses Einkommen Konsumzwecken dient und daher bis zu diesem Betrag der Unterhalt nach der Quote berechnet werden kann und darf. Es wird die vollständige Ausgabe des Einkommens zu Konsumzwecken vermutet, sodass ein Ehegattenunterhalt bis zu einem Elementarbedarf von rund 5.000 € (4.714 € bei Abzug 1/7 berufsbedingter Aufwendungen bzw. 4.950 € bei Abzug von 10 Prozent Erwerbstätigenbonus) als sogenannter Quotenunterhalt geltend gemacht werden kann. In Literatur und Rechtsprechung war und ist es umstritten, bis zu welchem Grenzbetrag eine Vermutung für den vollständigen Einkommensverbrauch greift. Auch der BGH weist darauf hin, dass dies grundsätzlich vom Tatrichter (Familiengericht/ OLG) zu würdigen ist, der BGH hat jedoch jetzt zum zweiten Mal die Grenze von 11.000 € gebilligt.

Der BGH führt weiter aus, dass es sich bei den 11.000 € um das sogenannte unterhaltsrechtlich relevante Einkommen handelt, d. h. die vorhandenen Nettoeinkünfte sind um sämtliche unterhaltsrechtlich bedeutsamen Positionen zu bereinigen (Steuer, Sozialversicherungsbeiträge, KV, zusätzliche Altersvorsorge sowie weitere unterhaltsrechtlich zu gestattende Abzugspositionen). Nur für den dieses relevante Einkommen (jedoch ohne Abzug des Erwerbstätigenbonus) von 11.000 € überschreitende weitere Einkommen bedarf es dann der Darlegung, dass auch dieses Einkommen zum Konsum verwendet wurde. Dies kann dann der Unterhaltspflichtige entkräften, indem er darlegt, was er zur Vermögensbildung eingesetzt hat. Entscheidend ist jedoch, dass letztendlich bis zu knapp 5.000 € Unterhalt nach Quote verlangt werden kann, ohne auf die mühsame konkrete Bedarfsdarlegung verwiesen zu werden, und dieser Quotenunterhalt verlangt werden kann, auch wenn das unterhaltsrechtlich relevante Nettoeinkommen über 11.000 € liegt.

Ein höherer Bedarf als die genannten ca. 5.000 € müssen dann konkret dargelegt werden bzw. muss der Unterhaltsberechtigte darlegen, dass auch über 11.000 € hinaus das Einkommen für den Konsum verwendet wurde.

Damit sind wohl die bisher unklaren und sehr unterschiedlichen Rechtsauffassungen obsolet, wonach die Oberlandesgerichte die Grenze teilweise bei 2.500 € Bedarf oder 5.000 € Familieneinkommen gezogen haben. So hatte das OLG Frankfurt bislang eine Sättigungsgrenze für die Höhe der Unterhaltes festgeschrieben. In seinen Unterhaltsgrundsätzen, Stand 01.01.2020, ist die neue Rechtsprechung des BGH bereits in Ziff. 15.3 berücksichtigt und die bisherige Sättigungsgrenze „gestrichen“, und entsprechend des BGH ausgeführt, dass bis zu einem Unterhaltsanspruch von 4.714 € ohne konkrete Bedarfsdarlegung nach der sogenannten Quote (3/7 bzw. 4/7-Methode) der Unterhalt beansprucht werden kann. Natürlich bleibt es dem Unterhaltsberechtigten auch unbenommen, seinen Unterhaltsbedarf konkret zu berechnen, wobei dann die Obergrenze der Halbteilungsgrundsatz ist.

Der dritte Leitsatz der Entscheidung behandelt die Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse und stellt klar, dass wenn schon während der Ehe bzw. während der Trennung bereits für eine weitere Frau wegen der Geburt eines nichtehelichen Kindes, Mutterunterunterhalt nach § 1615 l BGB leistet, und diese Frau dann vom Unterhaltspflichtigen geheiratet wird, das dann deren „Unterhaltsanspruch“ bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat (Sonderfall).

Der vierte Leitsatz betrifft die zusätzliche Altersvorsorge. Der BGH hält nochmals fest, dass die 4 Prozent zusätzliche Altersvorsorge nur dann Berücksichtigung finden kann, wenn sie auch tatsächlich aufgewendet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie bereits während der Ehe getätigt wurden oder erst zur Verminderung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens nach Trennung/Scheidung begründet wurden. Es handelt sich insoweit um ein probates Mittel, das unterhaltspflichtige Einkommen zu senken. Diese Möglichkeit hat sowohl der Unterhaltsverpflichtete als auch der Unterhaltsberechtigte, sodass auch die zusätzlichen 4 Prozent Altersvorsorge möglich sind, wenn Altersvorsorgeunterhalt verlangt wird und dieser eben nicht mit der derzeitigen Altersvorsorgequote von 18,6 Prozent sondern mit 22,6 Prozent berechnet wird.