Ehescheidung (Kosten) - OLG - 18.07.2023
- Der Gegenstandwert einer Scheidung bestimmt sich neben dem 3-fachen Familieneinkommen auch nach einem Anteil von 5 % des um Schulden und Freibeträge bereinigten Vermögens beider Eheleute.
- Die Freibeträge werden für jeden Ehegatten in Höhe von 60.000 € (somit 120.000 €) und für jedes gemeinsame Kind, das noch nicht wirtschaftlich verselbständigt ist, in Höhe von 30.000 € angesetzt. Ein Kind ist regelmäßig noch nicht wirtschaftlich verselbständigt, wenn es noch im Kindergeldbezug ist.
Beschluss:
Gericht: OLG Braunschweig
Datum: 18.07.2023
Aktenzeichen: Az. 1 WF 41/23
Leitparagraph: § 43 FamGKG
Quelle: FamRZ 2024, Seite 68
Kommentierung:
In einem Scheidungsverfahren hat das Amtsgericht den Gegenstandwert mit dem 3-fachen gemeinsam erzielten Einkommen der Ehegatten ermittelt (zzgl. des Gegenstandswerts für den Versorgungsausgleich i.H.v. 10 % des Gegenstandswerts aus dem Einkommen für jedes Versorgungsanrecht). Die Berücksichtigung von Vermögen (selbstgenutzte Immobilie) hat das Amtsgericht abgelehnt mit dem Argument, ein Ehegatte hätte zur Übernahme der Immobilie Kredit aufnehmen müssen (Wert der Immobilie ohne Schulden 330.000 €).
Gegen diesen Ansatz wurde vom Verfahrensbevollmächtigten eines Ehegatten Beschwerde eingelegt, der Wert der Immobilie hätte im Gegenstandswert nach Abzug von Schonbeträgen i.H.v. 30.000 € je Ehegatten und 15.000 € für das Kind mit 5 % berücksichtigt werden müssen.
Das OLG hat der Beschwerde teilweise stattgegeben. Das Vermögen der Eheleute ist im Gegenstandswert mit 5 % nach Abzug eines Schonbetrages zu berücksichtigen. Unter Vermögen sind alle Vermögenswerte (außer Hausrat) zu verstehen. Das sind Spar-, Wertpapier- oder Immobilienvermögen. Auch Bausparguthaben, Lebensversicherungsguthaben oder Schließfachinhalte (Bargeld oder Gold etc.) sind zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind diese Angaben bereits im Scheidungsantrag zu tätigen, die Gerichte verlangen diesbezüglich keine Belege, aber im Scheidungstermin werden die beteiligten Eheleute herzu befragt. Die Anhörung der Eheleute gemäß § 128 FamFG ist einer Zeugenbefragung gleichgestellt und unterliegt der Wahrheitspflicht. Falsche Angaben stellen auch hier eine uneidliche Falschaussage dar und können entsprechend strafrechtlich verfolgt werden.
Der Ansatz des Amtsgerichts ist schon deshalb falsch, weil vom Wert der Immobilie der Betrag abgezogen wurde, den ein Ehegatte aufgewandt hat, um die Hälfte des anderen zu erwerben. Dadurch ist jedoch das Vermögen nicht geschmolzen, denn der eine Ehegatte hat zwar den Immobilien jetzt belasten um den Kaufpreis, dieser ist jedoch beim anderen Ehegatten „gelandet“, sodass der Saldo des gemeinsamen Vermögens der Eheleute im hiesigen Fall weiterhin 330.000 € betragen hat.
Das Schonvermögen hat das OLG entgegen des Antrags nicht auf 30.000 € pro Ehegatte/15.000 € pro Kind, sondern entsprechend der „häufigsten“ Rechtsprechung auf 60.000 €/30.000 € festgelegt. Sowohl der Freibetrag für Ehegatten, als auch der Freibetrag für gemeinsame Kinder wird von den Gerichten nicht einheitlich bemessen, hat sich jedoch entsprechend der Entscheidung des OLG in dieser Höhe „eingependelt“. Die Anwälte vor Ort kennen die jeweilige Rechtsprechung und Wertfestlegung am jeweiligen OLG.
Ausdrücklich betont hat das OLG, dass auch bei volljährigen Kindern – und nicht nur bei minderjährigen Kinder – ein Freibetrag i.H.v. 30.000 € abzuziehen ist, solange sie noch keine eigene Lebensstellung haben (z. B. Studenten) und knüpft dies im Regelfall an den Kindergeldbezug für das Kind.
Berechnung des Gegenstandwertes
Der Verfahrenswert der Ehescheidung wird durch das 3-fache Familienmonatseinkommen (netto) bestimmt (§ 43 FamGKG, mindestens 3.000 €, maximal 1 Mio. €). Für die Berechnung des Verfahrenswertes ist das sog. bereinigte Nettoeinkommen entscheidend. Wenn die Ehefrau 2.000 € netto und der Ehemann 2.500 € netto verdient, ergibt sich hieraus ein Verfahrenswert in Höhe von 13.500 € (3 x 4.500 €). Pro unterhaltsberechtigtem Kind ziehen die Gerichte in der Regel vom Familieneinkommen (hier 4.500 €) 250 € ab. Berechnung: Familieneinkommen 4.500 € abzgl. 250 € (ein Kind), ergibt 4.250 € x 3, somit Verfahrenswert 12.750 €.
Weiterhin addiert man zum Verfahrenswert der Scheidung vorhandenes Vermögen. Zum Verfahrenswert einer Scheidung werden 5 % des Familienvermögens addiert, vorher wie oben dargelegt Schonbeträge abgezogen. Von dem sich ergebenden Vermögenswert wird für jede Partei ein Freibetrag von 60.000 € und für jedes noch nicht verselbständigte Kind 30.000 € abgezogen, um dann hieraus die 5 % zu errechnen (so die Grundsätze fast aller Oberlandesgerichte). Haben die Parteien z. B. ein Familienvermögen (bereinigt) in Höhe von 330.000 € (s. obigen Fall), sind als Freibetrag 120.000 € für die beiden Eheleute, sowie 30.000 € für ein Kind abzuziehen. Es verbleiben 180.000 €; hieraus 5 % ergibt 9.000 €. Um diese 9.000 € wird dann der Verfahrenswert der Scheidung erhöht.
Der Verfahrenswert der Scheidung ergibt sich dann zum einen aus dem so errechneten Verfahrenswert der Scheidung (3-faches Familieneinkommen zzgl. etwaiger erhöhter Verfahrenswert aus bestehendem Vermögen) zzgl. weiterer Verfahrenswerte für die sog. Scheidungsfolgesachen wie Versorgungsausgleich, möglicherweise Unterhalt, Zugewinn, elterliches Sorgerecht etc.
Zu den Anwaltskosten kommen noch Gerichtskosten, die von Gesetzes wegen direkt vom Gericht mit den Parteien abgerechnet werden. Jede Partei hat üblicherweise die Hälfte der tatsächlich anfallenden Gerichtskosten zu tragen (Kostenaufhebung). Der Antragsteller im Scheidungsverfahren, ebenso ein Antragsteller in anderen familien-rechtlichen Verfahren muss mit der Antragseinreichung zunächst die vollen Gerichtskosten einbezahlen und als Vorschuss dem Gericht anweisen. Bei einem Scheidungsantrag sind 2 Gerichtskostengebühren aus dem Gesamtgegenstandswert im Wege der Vorkasse dem Gericht zu bezahlen. Mit Abschluss des Verfahrens erfolgt dann ein sogenanntes Kostenfestsetzungsverfahren, in welchem dann ein Kostenausgleich stattfindet (im Scheidungsverfahren trägt regelmäßig jede Partei die Hälfte der Gerichtskosten).
Wie hoch dann die einzelnen Rechtsanwaltskosten und Gerichtskosten sind, errechnet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und dem Gerichtskostengesetz. Beispielsfälle/Berechnungsmodelle finden Sie im Merkblatt Nr. 5 des Verbandes ISUV.