Ehescheidung - OLG - 12.02.2021

Vorhandenes Vermögen der Ehegatten ist bei der Festsetzung des Verfahrenswertes für ein Scheidungsverfahren i. H. v. 5 % des Betrages zu berücksichtigen, um den es einen Freibetrag von 60.000 € je Ehegatte und 10.000 € je minderjährigem Kind übersteigt.

Beschluss:
Gericht: OLG Brandenburg
Datum: 12.02.2021
Aktenzeichen: 13 WF 123/20
Leitparagraph: §§ 43, 44 FamGKG
Quelle: NZFam 2022, Seite 559

Kommentierung:

Das Familiengericht hat aufgrund er Nettoeinkommen der beiden Ehegatten i. H. v. 2.600 € und 2.300 €, in der Summe 4.900 € den Gegenstandswert für die Scheidung entsprechend § 43 Abs. 2 FamGKG mit dem 3-fachen Monatsbetrag, somit i. H. v. 14.700 € festgesetzt (hinzu kam der Gegenstandswert für den Versorgungsausgleich i. H. v. 10 % des Verfahrenswertes der Scheidung für jedes Versorgungsanrecht). Die Beteiligten hatten im Verfahren den Wert der unbelasteten Immobilien mit 130.000 € und ein Bankguthaben von 110.000 € mitgeteilt. Das Gericht hat jedoch die Vermögenswerte nicht beim Verfahrenswert der Scheidung berücksichtigt, hiergegen hat der Rechtsanwalt eines beteiligten Ehegatten Beschwerde eingelegt.

Zurecht hat das OLG der Beschwerde stattgegeben und den Vermögenswert von insgesamt 240.000 € (auch wenn diesbezüglich keinerlei Streitpunkte vorlagen) wie folgt für den Gegenstandswert miteinbezogen:

§ 43 Abs. 1 FamGKG sind die Vermögensverhältnisse der Beteiligten angemessen zu berücksichtigen. In welcher Höhe dies zu geschehen hat, wird von den Oberlandesgerichten (derartige Fragen gelangen grundsätzlich nicht zum BGH, da der Instanzenzug beim OLG endet) unterschiedlich gehandhabt. Grundsätzlich werden vom Nettovermögen zunächst Freibeträge von 60.000 € pro Ehegatten abgezogen und für minderjährige Kinder pro Kind 30.000 € (z. B. OLG Nürnberg), das OLG Brandenburg geht von 10.000 € Abzugsbetrag pro minderjährigem Kind aus. Im vorliegenden Fall waren von den 240.000 € Reinvermögen 2 mal 60.000 € für die Ehegatten abzuziehen (keine minderjährigen Kinder vorhanden), somit verblieben 120.000 €. Hiervon hat das Gericht dann 5 %, mithin 6.000 € dem Verfahrenswert der Scheidung hinzuaddiert, mit der Folge, dass der Gegenstandswert der Scheidung sich dann auf 20.700 € erhöht. Der Gegenstandswert des Versorgungsausgleichs wird weiterhin berechnet aus dem 3-fachen Familieneinkommen ohne Erhöhung durch Berücksichtigung des Vermögens bzw. ohne Verminderung durch Berücksichtigung von Freibeträgen für Kinder (weiterhin dann 10 % aus 14.700 € für jedes Versorgungsanrecht).

Die Oberlandesgerichte gehen zumeist von 5 % des um Freibeträge bereinigten Nettovermögens für die Berechnung des zusätzlichen Gegenstandswertes aus. Das OLG Stuttgart hatte im Jahr 2009 lediglich 2,5 % angesetzt, das OLG Düsseldorf im Jahr 2010 10 %, Das OLG Brandenburg hat hier 5 % angesetzt, was nach Kenntnis des Verfassers auch in fast allen Oberlandesgerichtsbezirken so gemacht wird. Nach der Gesetzeslage verbleiben den Gerichten jedoch weiterhin Ermessensspielräume, eines ist jedoch klar: nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 43 Abs. 1 FamGKG ist das Vermögen im Rahmen der Verfahrenswertfestsetzung zu berücksichtigen. Der Rechtsanwalt ist berechtigt, gemäß §§ 32 Abs. 2 RVG, 59 FamGKG in eigenem Namen Beschwerde einzulegen. Die beteiligten Eheleute sind natürlich bestrebt, den Verfahrenswert möglichst gering zu halten, die Gesetzeslage gibt jedoch vor wie der Gegenstandswert zu berechnen ist und dass das Vermögen hierbei angemessen zu berücksichtigen ist. Im vorliegenden Fall ergab sich eine Erhöhung der Nettogebühren von ca. 200 €.

Exkurs Gebührenrecht Scheidung:

Der Verfahrenswert der Scheidung ergibt sich zum einen aus dem Verfahrenswert der Scheidung (3-faches Nettofamilieneinkommen zzgl. etwaiger erhöhter Verfahrenswert aus bestehendem Vermögen, mindestens 3.000 €, maximal 1 Mio. €) zzgl. weiterer Verfahrenswerte für die sog. Scheidungsfolgesachen wie Versorgungsausgleich, möglicherweise Unterhalt, Zugewinn, elterliches Sorgerecht etc.. Zu dem Vermögen, welches im Regelfall mit 5 % nach Abzug von Freibeträgen dem Verfahrenswert für die Ehescheidung hinzuaddiert wird, gehört sämtliches Vermögen beider Eheleute, wie Grundeigentum, Sparguthaben Lebensversicherungen, Aktiendepots, Bausparguthaben etc.. Dies ist unabhängig von einer Zugewinnberechnung, bei der etwaige Anfangsvermögenswerte oder privilegierte Anfangsvermögenswerte (Erbschaften/Schenkungen während der Ehe) vom Endvermögen abgezogen werden. Abzuziehen sind natürlich bestehende Verbindlichkeiten, letztendlich das gesamte aktive Vermögen beider Eheleute zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages. Auch für die Bemessung des Verfahrenswertes aus Einkommen ist maßgeblich der Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages.

Zu den Anwaltskosten kommen noch Gerichtskosten, die von Gesetzes wegen direkt vom Gericht mit den Parteien abgerechnet werden. Insoweit verlangt das Gericht, bevor der Scheidungsantrag zugestellt wird, eine sogenannte 2-fache Gerichtskostengebühr, die das Gericht aus den vorläufigen Angaben im Scheidungsantrag bemisst und ggf. festsetzt. Spätestens mit dem Scheidungsendbeschluss nach Anhörung der beteiligten Eheleute im Scheidungsverfahren, in welchem diese sowohl Angaben zum Einkommen und zum Vermögen zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages machen müssen (Anhörung), wird dann der Verfahrenswert endgültig festgesetzt. Hiernach bestimmen sich Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren.

Jede Partei hat üblicherweise die Hälfte der tatsächlich anfallenden Gerichtskosten zu tragen (Kostenaufhebung). Der Antragsteller im Scheidungsverfahren, ebenso ein Antragsteller in anderen familienrechtlichen Verfahren, muss mit der Antragseinreichung zunächst die vollen Gerichtskosten einbezahlen. Mit Abschluss des Verfahrens erfolgt dann ein sogenanntes Kostenfestsetzungsverfahren, in welchem dann ein Kostenausgleich stattfindet.

Die Gerichtskosten eines Scheidungsverfahrens werden grundsätzlich geteilt, d. h., jede der Parteien hat die Hälfte der Gerichtskosten zu tragen. Die Kosten für den Rechtsanwalt hat jeder Ehegatte selbst zu tragen (Grundsatz der Kostenaufhebung). Wenn somit bei einer einvernehmlichen Scheidung nur der/die Antragsteller/in einen Anwalt beauftragt, hat der andere (Scheidungsgegner) keine Anwaltskosten zu tragen, es sei denn, bei einer einvernehmlichen Scheidung einigen sich die Parteien darauf, dass die Kosten einschließlich der Anwaltskosten des/der Antragstellers/in geteilt werden.

Ist man sich bei einer einvernehmlichen Scheidung einig darüber, dass die Kosten hälftig geteilt werden, sollte man im Gerichtsverfahren bereits beantragen, dass die Kosten nicht gegeneinander aufgehoben werden, sondern dass die Kosten hälftig geteilt werden. Ein solcher Kostenausspruch führt dazu, dass dann auch die Anwaltskosten des einen Ehepartners hälftig zwischen den Parteien aufzuteilen sind.

Mit der Scheidung aber auch während des laufenden Scheidungsverfahrens können sogenannte Scheidungsfolgesachen anhängig gemacht (geltend gemacht) werden. Damit diese Folgesache im sogenannten Scheidungsverbund mitentschieden wird, muss diese mindestens 2 Wochen vor einem anberaumten Scheidungstermin bei Gericht anhängig gemacht werden (bis spätestens 24.00 Uhr des Vortages der 2-Wochen-Frist). Durch derart kurzfristige Einreichung von Folgesachen kann ein Scheidungsverfahren hinausgezögert werden.

Jede Scheidungsfolgesache erhöht den Verfahrenswert. Bei einer Scheidung muss das Gericht von Amts wegen neben der Scheidung nur den Versorgungsausgleich mitregeln. In dem seit 01.09.2009 in Kraft getretenen FamGKG bestimmt § 50, dass für jedes Versorgungsanrecht 10 % des Verfahrenswertes der Scheidung (20 % bei schuldrechtlichem VA) angesetzt werden, mindestens 1.000 €.

Wie bereits oben dargelegt, wird in einem Scheidungsverfahren von einem Familienrichter nichts Weiteres geregelt als die Scheidung selbst und der Versorgungsausgleich, es sei denn, sog. Folgesachen werden von einer Partei in das Scheidungsverfahren eingeführt und entsprechende Anträge gestellt. Anträge stellen kann nur derjenige, der anwaltlich vertreten ist.

Der Verfahrenswert von Folgesachen berechnet sich wie folgt:

  • Sorgerecht: Im Scheidungsverfahren ist der Verfahrenswert für die Scheidung gem. § 44 Abs. 2 FamGKG für jede Kindschaftssache um 20 % zu erhöhen, höchstens um jeweils 4.000 €.
  • Umgangsrecht: Hier gilt das zum Sorgerecht Gesagte.
  • Unterhalt: Als zusätzlicher Verfahrenswert wird der 12-fache Monatsbetrag des geltend gemachten Unterhalts zzgl. eines etwaigen Rückstands zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags angesetzt. Bei einer Unterhaltsforderung z. B. in Höhe von 500 € beträgt dann der weitere Verfahrenswert 500 € x 12 Monate, somit 6.000 € (§ 51 Abs. 1,2 FamGKG).
  • Zugewinnausgleich: Verfahrenswert ist der geforderte Betrag, der als Zugewinnausgleichsforderung geltend gemacht wird, ggf. addiert mit dem Zugewinnbetrag, den der Verfahrensgegner im Wege des Widerantrages geltend macht.
  • Rechtsverhältnis an Ehewohnung und Haushaltssachen: In Wohnungszuweisungssachen im Zusammenhang mit der Scheidung beträgt der Verfahrenswert 4.000 € (§ 48 Abs. 1 FamGKG). In Haushaltssachen beträgt der Verfahrenswert im Zusammenhang mit der Scheidung 3.000 € (§ 48 Abs. 2 FamGKG).
  • Einstweilige Anordnungen: Im Scheidungsverbund können Folgesachen, wie Unterhalt, Hausrat, Ehewohnung, Sorge- und Umgangsrecht in einem sog. Schnellverfahren vorläufig geregelt werden; dies nennt man einstweilige Anordnungen. Der Verfahrenswert von einstweiligen Anordnungen wird in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen sein. Dabei ist nach § 41 FamGKG von der Hälfte des für die Hauptsache des bestimmten Wertes auszugehen. In Wohnungszuweisungssachen beträgt der Verfahrenswert einer einstweiligen Anordnung somit im Regelfall 2.000 €, für Haushaltssachen 1.500 €. In Unterhaltssachen bestimmt sich der Verfahrenswert nach dem 6-monatigen Unterhaltsbetrag.

Grundsätzlich werden im Scheidungsverfahren sämtliche Verfahrenswerte der einzelnen Scheidungsfolgesachen zusammengezählt. Hieraus wird deutlich, dass die Kosten einer Scheidung dadurch verringert werden können, dass möglichst viele Scheidungsfolgesachen (Unterhalt/Zugewinn etc.) außergerichtlich geregelt werden. Wenn natürlich außergerichtlich Rechtsanwälte hiermit beauftragt werden, fallen außergerichtlich Rechtsanwaltsgebühren an, die im Regelfall jedoch deutlich geringer sind, zumal es nicht mehrere Instanzen geben kann.

Im Regelfall fällt im Scheidungsverfahren eine sog. 1,3-Verfahrensgebühr sowie eine sog. 1,2-Terminsgebühr aus dem Verfahrenswert zzgl. Auslagenpauschale zzgl. MwSt. an.

Die Gebührentabelle und die Höhe der Gebühren ergeben sich aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Gibt es zu Scheidungsfolgesachen einen Vergleich, so kommt eine weitere 1,5-Einigungsgebühr aus dem Verfahrenswert über den man sich geeinigt hat, hinzu. Werden im Scheidungstermin Angelegenheiten mitverglichen, so wird auch dies im Rahmen der Gebühren berücksichtigt. Einzelheiten zum Scheidungsrecht und insbesondere zu den Kosten inkl. Gebührentabellen finden Sie im Merkblatt Nr. 5 des Verbandes ISUV.