Elternunterhalt - BGH - 15.02.2017

 

1. Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt ist der vom Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind geleistete Betreuungsunterhalt nicht zu monetarisieren.

2. Die Leistungsfähigkeit ist jedoch um dasjenige gemindert, was der Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind neben der Betreuungsleistung als Barunterhalt in der Form von Naturalunterhalt erbringt. Dieser errechnet sich nach dem Tabellenunterhalt aus dem gemeinsamen Einkommen beider Elternteile unter Abzug des halben Kindergelds und des vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalts.

3. Das dem betreuenden Elternteil zustehende hälftige Kindergeld ist kein unterhaltsrelevantes Einkommen.

4. Trifft die Kinderbetreuung mit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils zusammen, ist nicht ein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren, sondern hängt es von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit das erzielte Einkommen ganz oder teilweise als überobligatorisch unberücksichtigt bleibt.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 15.02.2017
Aktenzeichen: XII ZB 201/16
Leitparagraph: BGB § 1603
Quelle: NZFam 2017, Seite 2016

Kommentierung:

Antragsteller ist der Sozialhilfeträger (Landkreis), Antragsgegnerin ist die Tochter des im Heim untergebrachten Vaters. Dessen Einkünfte (Rente etc.) waren nicht ausreichend, um die Heimkosten zu decken, der Landkreis ist mit „Sozialhilfe“ eingesprungen. Die Antragsgegnerin ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes, für den sie vom Vater Barunterhalt in Höhe von 235 € erhält, sie selbst ist gut verdienend.

Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin entsprechend der gestellten Forderung zur Zahlung verpflichtet, das OLG hat diese Unterhaltspflicht geringfügig gekürzt. Das OLG hat insbesondere seine Unterhaltsberechnung damit begründet, dass das Einkommen der Antragsgegnerin um den Betreuungsunterhalt für das bei ihr lebende Kind zu berücksichtigen ist und hat anhand der Düsseldorfer Tabelle aufgrund ihres Einkommens diesen Betrag als Abzugsposten anerkannt, obwohl tatsächlich keine Barunterhaltsleistungen an das Kind geflossen sind (Monetarisierung). Im Gegenzug wurde der vom Vater bezahlte Barunterhalt nicht berücksichtigt, es handelt sich ja auch um eine Unterhaltsleistung an das Kind. Zudem könnten der Antragsgegnerin kein weiterer Betreuungsbonus oder ein Abschlag für überobligatorische Tätigkeit wegen Betreuung des Kindes zuerkannt werden. Die Antragsgegnerin hat hiergegen Rechtsbeschwerde eingelegt, welche nicht erfolgreich war.

Der BGH sieht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsgegnerin, auch wenn der BGH die Berechnungsart des OLG verneint und es ablehnt, die von der Kindsmutter geleistete Betreuung anhand der Düsseldorfer Tabelle in Geld auszudrücken (Monetarisierung) und von ihrem Einkommen abzuziehen, denn auch nach der BGH-Methode ergibt sich jedenfalls keine geringere Unterhaltsverpflichtung im Rahmen des Elternunterhaltes als vom OLG entschieden. Der BGH führt aus, dass die Betreuung des Kindes nicht unmittelbar einkommensmindernd ist, sondern ggf. überobligatorisch ist und daher das tatsächlich erzielte Einkommen nur anteilig zu berechnen ist. Weiterhin ist abzuziehen ein nicht – durch den Unterhalt des Vaters – anderweitig gedeckter Barunterhalt des Kindes oder ein entsprechender Naturalunterhalt. Insoweit ist der Bedarf des Kindes aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern zu ermitteln (einschließlich etwaigem Mehrbedarf), das hälftige Kindergeld anzurechnen und darüber hinaus natürlich dann auch der tatsächlich bezahlte Barunterhalt des Vaters. Von den Erwerbseinkünften der Mutter ist somit der errechnete Barunterhaltsbedarf ihres Kindes – bemessen nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern – abzüglich hälftigem Kindergeld und abzüglich des tatsächlich gezahlten Unterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leistet die Mutter neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Rechnerisch ergab dies im konkreten Einzelfall weniger als die vom OLG bereits abgesetzten Beträge, sodass das Rechtsmittel zum BGH keinen Erfolg hatte.

Der BGH gibt noch kurze Erklärungen, warum nur die Hälfte des Kindergeldes anzurechnen ist. Ebenso bestätigt der BGH, dass es keinen pauschalen Betreuungsbonus gibt (BGH, FamRZ 2013, Seite 109), sondern allenfalls wegen überobligatorischer Tätigkeit das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen verkürzt werden kann. Im vorliegenden Fall lagen jedoch hierfür keine Anhaltspunkte vor, wonach konkrete Umstände vorliegen, die eine volle Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin neben der Betreuung ihres 12-jährigen Sohnes hindern (Einzelfall nach Treu und Glauben unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles, vgl. FamRZ 2014, Seite 1987).

Der BGH hat letztendlich in dieser Entscheidung rechtsdogmatisch entschieden, dass Betreuungsunterhalt nicht in Geld auf der Grundlage der Düsseldorfer Tabelle ermittelt werden darf, sondern im Rahmen einer Bedarfsberechnung nach dem zusammengezählten Einkommen beider Elternteile unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes/Barunterhaltsleistungen des anderen Elternteils. Das hat schon Auswirkungen auf eine Unterhaltberechnung, auch wenn im hiesigen Fall die „fehlerhafte“ Berechnung des OLG nicht zu einer Abänderung der Entscheidung aus rechnerischen Gründen geführt hat. Betreuung ist nach Ansicht des BGH nicht in Geld ausdrückbar. Damit verkompliziert der BGH Unterhaltsberechnungen, was jedoch bedauerlicherweise immer wieder zu beobachten ist. Es wird nicht einfacher.