Gut zu wissen: Lange Trennungszeit – keine automatische Herabsetzung des Versorgungsausgleichs

Leitsätze

  1. Auch bei langer Trennungszeit erfordert die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nach § 1587 c Abs. 1 Nr. 1 BGB im Einzelfall eine Gesamtwürdigung aller wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten.
  2. Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte während einer langen Trennungszeit (hier: 17 Jahre) widerspruchslos Trennungsunterhalt gezahlt, ohne von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu fordern, kann der Ausgleichsberechtigte ein schutzwürdiges Vertrauen auf Teilhabe an den bis zum Ende der Ehezeit erworbenen Anrechten auf Altersversorgung des Ausgleichsverpflichteten haben.

BGH, Beschluss vom 29.03.2006 - XII ZB 2/02

Argumentation des BGH: Zwar kann eine lange Trennungszeit Anlass sein, den Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit (§ 1587 c Nr. 1 BGB) zu überprüfen. Bei der Überprüfung verbietet sich ein schematisches Abhaken von Kriterien. Vielmehr müssen die wirtschaftliche, die soziale Lage und die Rahmenbedingungen des Einzelfalles berücksichtigt werden.

Im konkreten Fall hatte der Ehemann während der gesamten Trennungszeit freiwillig monatliche Unterhaltszahlungen geleistet, die das wesentliche Einkommen der Ehefrau waren. Erst nach Zustellung des Scheidungsantrags – also nach 17 Jahren - habe er die Ehefrau darauf hingewiesen, dass sie zumindest seit 14 Jahren einer Arbeit hätte nachgehen müssen, schließlich sei der jüngste Sohn seitdem volljährig. Die Richter meinten aber: Mit den widerspruchslosen Zahlungen während der langen Trennungszeit habe der Ehemann der Ehefrau suggeriert, dass sie weiterhin von ihm finanziert werde.

Tipp: Wer beim Versorgungsausgleich keine Überraschungen erleben will, sollte schnell den Scheidungsantrag stellen, denn das Datum des Scheidungsantrags ist Stichtag für den Versorgungsausgleich.