Kindesunterhalt | Aufteilung von Kindergeld beim Wechselmodell - BGH - 20.04.2016

 

1. Betreuen die Eltern ihr Kind im Wechselmodell, ohne dass ein unterhaltsrechtlicher Gesamtausgleich stattfindet – weil sie sich einig sind gegenseitig keinen Kindesunterhalt zu bezahlen – kann der nicht kindergeldbeziehende Elternteil den auf ihn entfallenden Anteil des Kindergeldes als familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den das Kindergeld beziehende Elternteil selbständig geltend machen.

2. Beim Wechselmodell steht ihm der auf den Betreuungsunterhalt entfallende hälftige Anteil des Kindergeldes hälftig zu, mithin in Höhe von ¼ des gesamten Kindergeldes. Der auf den Barunterhalt entfallende hälftige Anteil wird entsprechend der Einkommensverhältnisse verteilt.

3. Kindergeld kann nach Rechtslage nur ein Elternteil beziehen. Ein isolierter Antrag auf Auskehrung des hälftigen Kindergeldes gegenüber der Familienkasse scheidet aus. Es verbleibt der familienrechtliche Ausgleichsanspruch gemäß Ziffer 1.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 20.04.2016
Aktenzeichen: XII ZB 45/15
Leitparagraph: BGB §§ 1606 Abs. 3, 1612 b~ EStG § 64
Quelle: FamRZ 2016, Seite 1053~ NJW 2016, Seite 1956

Kommentierung:

Im vorliegenden Fall waren sich die Eltern im Wechselmodell einig, dass kein gegenseitiger Kindesunterhalt wechselseitig bezahlt wird. Nachdem die Kindsmutter das Kindergeld erhalten hat, begehrte der Vater die Hälfte hiervon. Der BGH sieht hier allenfalls einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch der Kindeseltern untereinander. Der BGH splittet das Kindergeld in 50 % für Betreuungsunterhalt und 50 % für Barunterhalt. Deshalb hat der BGH die Hälfte von 50 % für Betreuungsunterhalt dem Vater zugesprochen (paritätisches Wechselmodell). Hinsichtlich der 50 % für Barunterhalt konnte der BGH dem Vater keinen Anteil zusprechen, da der Vater die Darlegungs- und Beweislast für die maßgeblichen Haftungsanteile aufgrund der Einkommensverhältnisse trägt, jedoch hierzu der Vater nicht ausreichend vorgetragen hat. Die auf den Barunterhalt entfallende zweite Hälfte des Kindergeldes lässt sich nur einkommensbezogen im Rahmen einer unterhaltsrechtlichen Gesamtabrechnung der Haftungsanteile am Bedarf des Kindes ermitteln (Wendl/Dose/Klinkhammer, § 2, Rz. 450), weil eine solche Gesamtabrechnung im zu entscheidenden Fall nicht möglich war, war der familienrechtliche Ausgleichsanspruch nur in Höhe von ¼ des gesamten Kindergeldes begründet.

Andere Rechtsansichten hatten jedem Elternteil automatisch die Hälfte des Kindergeldes zugesprochen, andere wollten das gesamte Kindergeld im Verhältnis der Einkommen verteilen, was jedoch den besser verdienenden Elternteil bevorzugen würde. In der Praxis kommt ein solcher Fall der isolierten Geltendmachung des Kindergeldausgleichs seltener vor, da doch zumeist aufgrund der unterschiedlichen Einkommensverhältnisse eine Quotenbeteiligung am Unterhalt des Kindes errechnet wird. Trotzdem gibt diese Entscheidung auch für diese Berechnung den Weg vor, wie der Unterhalt im Wechselmodell „richtig“ berechnet wird:

Beispiel:

Vater Nettoeinkommen   3000 €

Mutter Nettoeinkommen   2000 €

Mutter erhält das Kindergeld (190 €), für zusätzlichen Wohnraum sind 50 € zu berücksichtigen, 30 € zusätzliche Fahrtkosten, die der Vater bezahlt, ebenso den Mehrbedarf für sportliche Aktivitäten i. H. v. 30 €, die Mutter bezahlt den Mehrbedarf für Klavierunterricht i.H.v. 50 €

Lösung:

a) Bedarf:

Der Gesamtbedarf des Kindes errechnet sich aus dem zusammengezählten Einkommen beider Elternteile = 5000 €. Bei Altersstufe 2 ergibt dies 615 € abzgl. hälftiges Kindergeld 95 € = 520 € (bei der späteren Quotenberechnung führt die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes an dieser Stelle zu einer Verteilung nach den Einkommensverhältnissen/Aufteilung des hälftigen Kindergeldes für Barunterhalt nach Quote). Zum Bedarf wird addiert 50 € Zimmer (wobei auf jeden Elternteil 25 € hälftig verteilt werden) zzgl. 30 € Fahrtkosten zzgl. Mehrbedarf 30 € (Sport) und 50 € (Klavier), ergibt Gesamtbedarf des Kindes   680 €

b) Quote:

Gemäß § 1606 Abs. 3 BGB wird unter Berücksichtigung eines jeweiligen Selbstbehaltes von 1300 € die Quote errechnet, in der sich jeder Elternteil am Bedarf des Kindes zu beteiligen hat. Auf der Grundlage der in allen Leitlinien abgedruckten Formel zur Quotenberechnung ergibt sich ein Haftungsanteil

des Vaters von 71 %, ergibt   482 €

der Mutter von 29 %, ergibt   198 €

 

Durch diese Quotenberechnung erhält letztendlich der besserverdienende Elternteil aufgrund des Vorwegabzugs des hälftigen Kindergeldanteils für den Barbedarf ebenso 71 % hiervon und der andere (Mutter) lediglich 29 %.

c) Anrechnung erbrachter Leistungen/Kindergeld:

Vater: 482 € ./. 25 € halber Wohnmehrbedarf ./. 30 € Fahrtkosten ./. 30 € Sportmehrbedarf = 397 €

Mutter: 198 € ./. 25 € halber Wohnmehrbedarf ./. 50 € Klavier + 95 € Hälfte des Kindergeldes für den Barbedarf der an die Mutter ausbezahlt wurde, da sie das gesamte Kindergeld erhalten hat = 218 €

d) Ausgleichszahlung:

397 € ./. 218 € = 179 € : 2 = Ausgleichszahlung von Vater an Mutter   89,50 €

Jetzt kommt die Rechtsprechung des BGH ins Spiel, indem die Mutter dem Vater noch ein weiteres ¼ des Gesamtkindergeldes (Hälfte des hälftigen auf den Betreuungsbedarf anfallenden Kindergeldanteils) i.H.v. 47,50 € zu geben hat. Diese 47,50 € abgezogen vom eigentlichen Ausgleichsbetrag von 89,50 € ergibt einen tatsächliche Zahlbetrag von Vater an Mutter für den Bedarf des Kindes i.H.v.   42 €.

An dieser Berechnung sieht man, dass die eine Hälfte des Kindergeldes (Betreuung) exakt halbiert auf beide Elternteile aufgeteilt wird (¼) und die andere Hälfte des Kindergeldes (Barunterhalt) quotal entsprechend der Einkommensverhältnisse zur Ausgleichung kommt. So wird man in Zukunft die Berechnung des Kindesunterhaltes beim Wechselmodell zu praktizieren haben.