Kindesunterhalt - BGH - 5.11.2014 und OLG Dresden - 29.10.2015

 

Beim sogenannten Wechselmodell bemisst sich der Unterhaltsbedarf des Kindes nach den beiderseitigen Einkünften der Eltern. Er umfasst zudem die in Folge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten, wie etwa Wohn- und Fahrtkosten.

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 05.11.2014
Aktenzeichen: XII ZB 599/13
Leitparagraph: BGB §§ 1606, 1610
Quelle: FamRZ 2015, Seite 236

Beschluss:
Gericht: OLG Dresden
Datum: 29.10.2015
Aktenzeichen: 20 UF 851/15
Leitparagraph: BGB §§ 1606, 1610
Quelle: NZFam 2016, Seite 34

Kommentierung:

Praktizieren Eltern ein Wechselmodell, führt die von einem Elternteil geleistete Kinderbetreuung nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht. In dieser Lage haben beide Eltern für den Barunterhalt einzustehen. Hierbei ist zunächst vom Regelbedarf des Kindes auszugehen, der sich aus dem Einkommen beider Elternteile errechnet. Sodann hat das Gericht den konkret darzulegenden Mehrbedarf für jedes Kind zu ermitteln. Hierbei sind nur Mehrkosten zu berücksichtigen, die dem Unterhaltsbedarf des Kindes und nicht der Lebensführung des Betreuenden zuzurechnen sind. So ist nach Treu und Glauben zu erwarten, dass Naturalleistungen, wie Eintrittsgelder, Fahrten zum Kindergarten oder zu Sportveranstaltungen vom jeweils betreuenden Elternteil allein zu übernehmen sind. Die erhöhten Wohnkosten sind zu errechnen aus den im Tabellenunterhalt für jeden Elternteil enthaltenen Wohnkosten (ca. 20 % des jeweiligen Tabellenunterhaltes für jeden einzelnen Elternteil). Diese Beträge sind zu vergleichen mit dem Wohnkostenanteil des Tabellenbetrages aus dem zusammengerechneten Einkommen, die Differenz ist Mehrbedarf. Mehrbedarf sind selbstverständlich Kinderkarten- oder Hortkosten. Der so ermittelte Gesamtbedarf ist unter den Eltern dann aufzuteilen entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse unter Berücksichtigung eines Sockelbetrages (wie bei volljährigen Kindern). Das Kindergeld wird nach der Entscheidung des OLG Dresden erst nach der Quotenberechnung hälftig angerechnet, dies wird begründet mit der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt.

Die Anrechnung des Kindergeldes ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt. So zieht das OLG Düsseldorf (FamRZ 2014, Seite 567) das Kindergeld auf den errechneten Bedarf voll an und ermittelt erst danach die Unterhaltsquote. Diese Frage hat der BGH auch noch nicht entschieden.

Problematisch beim Wechselmodell bleibt die Frage, wer von beiden Elternteilen die Berechtigung/Befugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhaltes hat (Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Übertragung der Befugnis gemäß § 1628 BGB durch ein Gericht: BGH, FamRZ 2006, Seite 1015 und FamRZ 2014, Seite 917, wonach beide Vorgehensweisen zulässig sind.

Ein reines Wechselmodell mit einer beiderseitigen Barunterhaltspflicht liegt nach der derzeitigen Rechtsprechung nur bei nahezu völlig paritätischer Aufteilung vor. Liegt das Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil, verbleibt es bei der alleinigen Barunterhaltspflicht desjenigen Elternteiles, welches prozentual weniger an Betreuung übernimmt. Wenn in diesen Fällen jedoch der Elternteil mit dem geringeren Anteil trotzdem einen erheblichen Anteil an Mitbetreuung übernimmt, kann dem besonderen Aufwand hierfür unterhaltsrechtlich durch Umstufung in eine niedrigere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle Rechnung getragen werden (BGH, FamRZ 2014, Seite 917). Das kann jedoch nur gelten, wenn der Unterhaltspflichtige mehr als den Mindestunterhalt grundsätzlich zu leisten hat.

Die Berechnung des Kindesunterhaltes beim reinen Wechselmodell scheint auf der Grundlage der obigen Darlegungen und Rechtsprechung gefestigt zu sein, wobei hier weiterhin in der Literatur Kritik geübt wird und auch andere Lösungsvorschläge im Raum stehen (Palandt, § 1606 BGB, Rdn. 10 mit der Auflistung der unterschiedlichsten Meinungen hierzu).