Kindschaftsrecht | Namensänderung - BGH - 09.11.2016

1. Beantragt ein Elternteil die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über eine Namensänderung des Kindes, so hat das Familiengericht neben allgemeinen Kindeswohlbelangen auch die Erfolgsaussicht eines entsprechenden Antrags zu prüfen.

2. Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis hat zu unterbleiben, wenn sich nach umfassender Amtsaufklärung keine Erforderlichkeit der Namensänderung für das Kindeswohl ergibt (Fortführung von BVerwG 116, 28 = FamRZ 2002, 1104 und Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2001 – XII ZB 88/99 – FamRZ 2002, 94).

3. Nach § 1628 BGB ist dem Elternteil die Entscheidungskompetenz zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Wenn das Beibehalten des gegenwärtigen Zustandes der Rechtslage entspricht, genügt es, den Antrag auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis abzuweisen.

4. Beantragt ein Elternteil gemäß § 1628 BGB die Übertragung der Entscheidungsbefugnis den Antrag auf Namensänderung des Kindes gemäß §§ 2, 3 NamÄndG stellen zu können, reicht nicht, dass die Namensänderung dem Kindeswohl dient. Eine Notwendigkeit einer Namensänderung ist erst dann gegeben, wenn unter Berücksichtigung der Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Namens eine Namensänderung dringend geboten ist. Das ist nur dann der Fall, wenn bei Beibehaltung des Namens schwerwiegende Nachteile für das Kind zu erwarten sind oder die Namensänderung für das Kind solche Vorteile mit sich bringt, dass die Beibehaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil (zumeist dem Vater) nicht zumutbar erscheint (Fortführung von BverfG, NJW 2002, Seite 2406).

Beschluss:
Gericht: BGH
Datum: 09.11.2016
Aktenzeichen: XII ZB 298/15
Leitparagraph: BGB § 1628
Quelle: FamRZ 2017, Seite 119~ NZFam 2017, Seite 25

Kommentierung:

Eine Namensänderung gegen den Willen des anderweitigen Elternteils ist nur unter engen Voraussetzungen möglich. Sind beide Eltern sorgeberechtigt – egal ob ehelich oder nichtehelich – bedarf es grundsätzlich der Zustimmung des anderen Elternteils, wenn ein Elternteil eine Namensänderung wünscht. Im vorliegenden Fall hatte die Mutter gegen den Vater auf Zustimmung des Vaters auf Namensänderung geklagt. Das OLG hat diesen Antrag ausgelegt als Antrag auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis gegenüber der Verwaltung/Standesamt, einen Namensänderungsantrag stellen zu können. Grundsätzlich ist ein Namensänderungsantrag durch eine staatliche Behörde/Standesamt zu verbescheiden. Der Rechtsweg ist dann der Weg zum Verwaltungsgericht. In den sogenannten Fällen der „Scheidungshalbwaisen“ begründen selbst massive – nacheheliche – Konflikte der Eltern keine Namensänderung. Ebenso wenig fehlende Umgangskontakte über einen längeren Zeitraum oder wiederholtes strafrelevantes Verhalten des Namensgebers (so zuletzt VG Gelsenkirchen, NZFam 2016, Seite 1208).

Der BGH hat klargestellt, dass bereits in dem familienrechtlichen Verfahren auf Übertragung des Rechtes einen Namensänderungsantrag bei der Verwaltungsbehörde stellen zu können, die inhaltliche Frage zu behandeln ist, ob der spätere Namensänderungsantrag überhaupt Erfolgsaussichten hat. Dazu reicht eben nicht eine Kindeswohldienlichkeit sondern letztendlich eine Kindeswohlgefährdung, wenn der Name nicht geändert würde. Über den entgegenstehenden Willen des Namensgebers (zumeist des Vaters) kann daher eine Änderung des Nachnamens nur in äußerst seltenen Fällen von Erfolg gekrönt sein. Die sogenannte Namenskontinuität und der Wille des anderen Elternteiles werden als sehr hohes Rechtsgut „angesehen“.

§ 1628 BGB:

Alle zitierten Entscheidungen (OLG Dresden 20 UF 165/16~ OLG Karlsruhe 20 UF 152/15 / 5 UF 74/16~ OLG Brandenburg 13 UF 14/15~ OLG Köln 10 UF 5/16~ BGH XII ZB 298/15)  beschäftigen sich mit dem „unbekannten Wesen“ des § 1628 BGB. Häufig wird vorschnell eine Sorgerechtsübertragung/Teilsorgerechtsübertragung bei Gericht beantragt, obwohl der Gesetzgeber in einzelnen Angelegenheiten der elterlichen Sorge normiert hat, dass ein Gericht einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen kann – auch mit Beschränkungen oder Auflagen – wenn es sich um eine Frage von erheblicher Bedeutung handelt und die Parteien sich nicht einig werden können. Ein Gericht kann hier nicht von Amts wegen handeln, sondern entscheidet nur auf Antrag eines Elternteils. Weder das Jugendamt noch das Kind selbst hat ein eigenes Antragsrecht. Die Angelegenheit muss von erheblicher Bedeutung sein und gerade nicht eine sogenannte Alltagsangelegenheit i.S.d. § 1687 BGB. Das soll verhindern, dass die Familiengerichte für Nebensächlichkeiten belastet werden.

Beispiele:

Wahl des Vornamens (OLG Brandenburg, NZFam 2016, Seite 811); Namensänderungen (OLG Karlsruhe, FamRZ 2015, Seite 1723 u. a.); Entscheidung über die Vaterschaftsanfechtung (OLG Celle FamRZ 2013, Seite 230); Beschneidung (AG Düsseldorf, FamRZ 2014, Seite 1209); Besuch einer Kindereinrichtung (OLG Frankfurt, FamRZ 2009, Seite 894); Schulwahl (BVerfG FamRZ 2003, Seite 511); Wahl der weiterführenden Schule (OLG Hamburg, FamRZ 2001, Seite 1088); Waldorfschule (AG Lemgo, FamRZ 2014, Seite 449); medizinische Eingriffe mit Ausnahme von Notfällen und unbedeutenden Eingriffen, die unter die Alltagszuständigkeit fallen (OLG Bamberg, FamRZ 2003, Seite 1403); Impfungen (OLG Frankfurt, FamRZ 2016, Seite 834, OLG Jena, FamRZ 2016, Seite 1175); weite Auslandsreisen, insbesondere kleiner Kinder in nicht vertrauten Kulturkreis/politische Krisengebiete (OLG Karlsruhe, FamRZ 2008, Seite 1368~ OLG Karlsruhe, FamRZ 2015, Seite 150 für Ostukraine~ OLG Hamburg, FamRZ 2012, Seite 562 für Kasachstan~ OLG Frankfurt, FamRZ 2016, Seite 1595 für die Türkei nach Ausrufung des Ausnahmezustands); Umgang mit weiteren Bezugspersonen (BGH, FamRZ 2016, Seite 1752), Ausschlagung einer Erbschaft (OLG Hamm, FamRZ 2003, Seite 172); Wahl des religiösen Bekenntnisses (siehe oben); Teilnahme am Religionsunterricht (OLG Köln, FamFR 2013, Seite 257).

Die Vielzahl der jüngeren Entscheidungen zeigt, dass § 1628 BGB zwar schon länger im Gesetz steht, aber wohl bislang nicht so recht beachtet wurde. Für Einzelentscheidungen ist dies jedoch der einzig richtige Weg. Keine Angelegenheiten von wichtiger Bedeutung sind z. B. das Abholen von Kindergarten oder Schule (OLG Bramen, FamRZ 2009, Seite 355) und die Entscheidung über zumindest vorübergehenden Nachhilfeunterricht (OLG Naumburg, FamRZ 2006, Seite 1058). Insgesamt ist der Maßstab wie bei § 1687 BGB bei der Trennung zwischen Angelegenheiten des täglichen Lebens/Alltagssorge mit der entsprechenden Alleinentscheidungsbefugnis des betreuenden Elternteiles und eben den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung (Vermögenssorge u. a.), bei denen es gemeinsamer elterlicher Sorgerechtsentscheidungen bedarf.